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spruch genommen wird, aber andererseits auch der Geschmack oder die Bildung des Kunden zu berücksichtigen ist, empfiehlt sich unbe dingt eine Einteilung in Untergruppen. Soll trotzdem aber in diesen Gruppen das Lager durchgehend alphabetisch geordnet stehen, also nicht in Unterabteilungen, so werden die Bücher neben der Preisauszeichnung mit dem Buchstaben der Gruppe und der Zahl der Unterabteilung bezeichnet. Listen der Hauptwerke einer Gruppe, nach den Unterabteilungen geordnet, würden in diesem Fall den Verkauf bedeutend erleichtern und auch einmal einen jüngeren Verkäufer instand setzen, das Geschäft einigermaßen glatt abzuwickeln. So empfehle ich z. B. bei Romanen folgende Grup peneinteilung: l. Harmlose (Marlitt-) Leser. II. Vorgeschrittene (Herzog-) Leser. III- Gebildete Leser (Hermann Hesse). IV. überspannte Leser (Hanns Heinz Ewers). V. Humor. VI. Geschichtliches. VII. Spannendes (Kriminal, Abenteuer). Die Benennung ist nicht das Wichtigste, sondern die richtige Einteilung, und daß wir wissen, was wir in jeder Gruppe unter- bringcn. Die Gruppe V ließe sich ebenfalls wieder in 4 Unter abteilungen gliedern, wovon wir jedoch ohne weiteres absehen können. Um nun auch den Jüngeren die Möglichkeit zu geben, noch leichter etwas empfehlen zu können, um weiter das, was wir räumen oder wofür wir uns besonders verwenden'wollen, immer in Erinnerung zu bringen, befestigen wir an den betreffen den Schränken einen Zettel mit der kurzen Aufzeichnung dieser be sonderen Bücher unter Hinzufügung der Abtcilungsnummer. An meinem Romanschrank habe ich ferner noch kleine Listen von Büchern der Gruppe 5 angebracht, weil es den Gehilfen sehr schwer fällt, gute humoristische Romane und Erzählungen aus dem Gedächtnis zu empfehlen, und die Kunden infolgedessen leicht glau ben können, das Lager fei ungenügend oder schlecht ausgewählt. Auf den Tischen im Laden zeigen wir die Neuerscheinungen und alles, was wir gern verkaufen möchten. In der heutigen Zeit der Geldknappheit empfiehlt es sich durchaus, einen besonderen Tisch mit billigen Büchern auszulegen, aber daraus ein Plakat anzubringen, das jedermann sofort beim Betreten in die Augen springt. Aufschriften wie »Einheitspreis, jeder Band nur M. 1.85« und Ähnliches reizen immer die Kauflust, überhaupt sollte auch an einzelnen der ausgclegten Bücher groß und deutlich der Preis angebracht werden. Bei allen Büchern ist es nicht erforderlich, weil Interessenten, durch die vorhandenen Preise neugierig ge macht, dann doch nach dem Preise fragen, wenn dieser ausschlag gebend ist. An der Kasse sollen stets d i e Bücher liegen, die nach dem schon abgeschlossenen Kauf noch zum Mitgenommenwcrden reizen. Der Ladenverkehr ist immer vom ältesten Gehilfen, wenn nicht vom Chef selbst, zu überwachen, und zwar so, daß er über jeden Wunsch der Kunden im Bilde ist, nötigenfalls also hier oder dort einspringen kann. Es darf nicht Vorkommen, daß ein Angestellter einen Kunden aus dem Laden gehen läßt, ohne den ältesten Gehilfen oder den Chef gefragt zu haben, ob das Buch am Lager ist. Es darf auch nicht Vorkommen, daß unsere Mitarbeiter oder wir selbst einem Nach fragenden gleich mit der Antwort ins Gesicht springen, daß das Gewünschte nicht vorrätig ist. In jedem Falle sehen wir erst dort nach, wo das Buch stehen müßte, wenn es vorhanden wäre, legen Ähnliches vor und fragen vor allem unbedingt inzwischen den älteren Mitarbeiter oder Chef nach dem Buch. Dann ver suchen wir das Buch in Bestellung zu nehmen oder gar, wenn es sofort gebraucht wird, vom nächsten Kollegen sofort zu besorgen. Scheinen die Bemühungen des Bedienenden erfolglos zu sein, so ist es Zeit für einen älteren Mitarbeiter, einzuspringen und Vor schläge zu machen. Grundsätzlich darf kein Kunde den Laden un befriedigt verlassen, ohne daß der Chef oder ein älterer Mitarbeiter zuvor davon in Kenntnis gesetzt wurde. Glückt ein Verkauf nicht, so darf trotz aller vergeblich aufgewandten Mühe der Nachfragende niemals ein unwilliges Gesicht des Verkäufers sehen, sondern muß 698 besonders liebenswürdig zur Ladentür begleitet werden. Die Be- mühungen des hinzutretenden Gehilfen dürfen jedoch niemals aufdringlich wirken, müssen aber wegen ihrer höflichen Art den Ein druck hinterlassen, daß man sich um den Nachfragenden wirklich be müht hat; denn gerade das wird diesem trotz des augenblicklichen Mißerfolges am leichtesten zum künftigen Kunden werden lassen. Bedenken wir auch immer, daß jeder Verkehr mit einem Kunden, von diesem völlig unbemerkt, schon eine Werbung für den nächsten Kauf bedeuten muß. Wir müssen immer mehr Lust zum Lesen oder Kaufen erwecken, und zwar selbstverständlich von guten Büchern; nur dann sind wir gute Verkäufer. Gelingt uns, was ja am meisten zutreffen müßte, ein Ver kauf, so schreiben wir einen Kassenzettel, und die Ware geht den Weg, den ich später noch beschreiben werde. Auch das Ausschrei ben des Kassenzettels muß ich später erst erläutern, weil ich Sie zunächst über einige Grundbegriffe aufklären muß, die Ihnen noch fremd sein dürften. Wünscht der Kunde die Besorgung eines Buches, so wird natürlich der genaue Titel festgestellt und in das Bestellbuch einge tragen. Handelt es sich um einen häufig kommenden Kunden oder einen solchen, der Konto hat, so bitten wir ihn, sich die Be stellnummer oder wenigstens das Bestelldatum zu merken. Von jedem anderen aber verlangen wir grundsätzlich eine Anzahlung und verzichten lieber auf die Bestellung, wenn die Anzahlung nicht geleistet werden soll; denn in der Großstadt geben leider nur allzu häufig die Leute eher eine Bestellung auf in der Absicht, sie nicht abzuholen, als daß sie das Angebot der Besorgung ablehnen, über die Anzahlung aber bekommt jeder Besteller einen Ausweis, und zwar einen Kassenzettel, der stets grundsätzlich nur nach dem folgenden Muster ausgeschrieben werden darf, damit an der Kasse die Kontrolle erleichtert und ein reibungsloses Arbeiten möglich wird: R best. 1628 Fräulein Müller, Breiteweg 25 1 Finckh, Jakobsl. 1.— 1 —, Rosendoktor 1.— —2^^ Meistens erklären sich die Besteller bereit, gleich das Buch voll zu bezahlen, wovon wir jedoch in der Regel wegen des ungewissen Preises, wegen der zu berechnenden und nicht immer im voraus bekannten Portokosten abraten. Um selbst Spesen zu vermeiden, empfehlen wir immer direkte Bestellung mit der Begründung, daß eine Beschaffung über Leipzig immerhin 8 bis 14 Tage dauern kann, während die direkte Bestellung innerhalb 3 bis 4 Tagen eintreffe. Bei den direkten Bestellungen berechnen wir, ohne es dem Kunden kenntlich zu machen, außer dem Kreuzbandporto noch das Porto von 5 Pfennig für den Bestellbrief. Einwendungen gegen eine Anzahlung begegnen wir nicht etwa damit, daß uns der Kunde unbekannt oder unsicher ist, son dern durch die Antwort, daß unsere vielen Bestellungen numeriert werden müssen, um ein schnelles Arbeiten, Ordnen und Auffinden zu ermöglichen. Lediglich durch die Anzahlung werde der Kunde dazu angehalten, die Bestellnummer, nämlich den Kassenzettel, aufzubewahren und bei der Abholung oder Nachfrage vorzuzeigen. Durchaus nötig und trotzdem wenig üblich ist es, alles Nach gefragte, das nicht am Lager ist, dem Chef zu melden und un bedingt in ein Fehlbuch oder auf den Rand des Bestellbuches zu schreiben; denn häufige Nachfragen beweisen den Bedarf. Für die Bestellungen bedient sich sonderbarerweise der Buchhandel in der Mehrzahl noch der seit Jahren üblichen Bestellkarten und Bestellzettel, ohne eine Durchschrift davon zurückzubehalten, ein Verfahren, das dem zeit gemäßen Kaufmann geradezu unglaublich erscheint. Würden Sie sich etwa denken können, einen Brief oder auch nur eine Post karte hinausgehen zu lassen, ohne eine Kopie oder einen Durch schlag davon zurückzubehalten? Ist es da nicht geradezu leicht sinnig, Bestellungen ohne Durchschrift aus der Hand zu geben? Unbedingt! Und doch tun es wohl noch die meisten von Ihnen!