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Montag, den 12. Inin 1939 Pulsnitz« Anzeiger — Ohorn« Anzeiger Dr. 13Z — Seit« S Politische Rundschau Spanische Marineoffiziere in Kiel. Von Berlin lammend, trafen in der Nacht zum Freitag unter Führung des Konter admirals Ramon Agacino Amras acht spanische Marineoffi ziere zu einem Besuch in der Kriegsmarinestadt Kiel ein, wo sie von der Bevölkerung herzlich begrüßt wurden. Nach einem Empfang beim Kommandierenden Admiral der Marinestation der Ostsee, Admiral Carls, legten die Gäste im Weiheraum des Marineehrenmals in Laboe einen Kranz nieder. Im Laufe der nächsten Tage werden die spanischen Gäste deutsche Kriegsschiffe und verschiedene Marinestandorte der Ostsee be sichtigen. Strang bei Prof. Burckhardt. William Strang, der Chef der mitteleuropäischen Abteilung des Foreign Office, hatte, einer Meldung des „Illustrierten Krakauer Kuriers" zufolge, in Danzig auf der Rückreise von Polen, wo er sich acht Tage aufgehalten hat, eine Besprechung mit Professor Burckhardt, dem Kommissar der Genfer Liga in Danzig. Strang wird in London Instruktionen für seinen Auftrag in Empfang nehmen und sich dann voraussichtlich Montag über Warschau nach Mos kau begeben. Vierter Reichskleingärtnertag in Wien. Vom 29. Juni bis zum 2. Juli wird in Wien der vierte Reichskleingärtnertag stattfinden. Zu dieser Tagung kommen rund 60 000 Kleingärt ner zusammen, und zwar 35 000 aus der Ostmark und 25 000 aus dem Altreich, davon 4000 aus Berlin. Spanien fördert die Weizenproduktion. Unter dem Vorsitz des Caudillo tagte in Burgos der Ministerrat, in dem wichtige Entscheidungen für den Aufbau Spaniens getroffen wurden. Landwirtschastsminister Fernandez Cuesta legte ein Gesetz vor über die Veranstaltung von Wettbewerben beim Weizenanbau zur Förderung der Produktion. Der Minister für öffentliche Arbeiten berichtete über die Regulierungsarbeiten am Flutz- laus des Guadalquivir, welche die Ausdehnung der Anbau fläche ermöglichen werden. Zuchthaus für einen Greuellügner Erste Verhandlung des Volksgerichtshofes in Wien. In Wien fand die erste Verhandlung des Volks gerichtshofes in der Ostmark statt. Es hatte sich der 29jäh- rige Heinz Kampf aus Essen wegen Verbrechens des V o lksverrates durch Lügenhetze zu verantworten. Der Angeklagte, der ans einer evangelischen Familie stammt, kam im Jahre 1924 mit katholischen Kreisen in Verbindung. Im Jahre 1934 entschloß er sich nach Verbüßung einer Strafe auf Grund des Paragraphen 175 „alle Brücken hinter sich abzubrechen" und ins Ausland zu gehen. Er begab sich zunächst nach Holland. Mit dem Auftreten des Kampf in Holland beginnt eine ganze Serie volksver räterischer Verbrechen, die der Angeklagte in nahezu allen Grenzländern des Deutschen Reiches ausgeführt hat. Im Sommer 1937 taucht er in Salzburg auf, wo er als „Augen- und Ohrenzeuge" für Greuelberichte auftrat. Der Hauptpunkt der volksverräterischen Lügenhetze ist jetzt die Erzählung über eine „Meuterei der Leib stan- dar 1 e" (!), eine Schauermär, die damals zahlreichen aus ländischen Hetzblättern Schlagzeilen lieferte. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte zu, daß er wüßte, daß die unwahren Schilderungen, die er lieferte, eine schwere Gefahr für das Ansehen des deut schen Volkes herbeiführen konnten. Die Schuld des Kampf wurde durch mehrere Zeugen voll erwiesen. Der Gerichts hof, der dem Strafantrag des Staatsanwalts nicht voll entsprach, verurteilte ihn zu fünf Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust. Der geniale Griff in den Luftraum Ammoniak aus Kohle, Luft und Wasser. Heute weiß jedes Kind, daß ohne Stickstoff kein Leben möglich ist. Nun ist zwar Stickstoff in der uns umgeben den Luft reichlich vorhanden, aber die Lebewesen können diesen Luftstickstosf nicht zum Aufbau ihres Körpers aus nutzen, da sie ihren Stickstoffbedars nur aus den Verbin dungen dieses Elements mit anderen Grundstoffen decken können. Hier setzt die große Aufgabe der Pflanze ein: sie nimmt die Stickstoffverbindungen aus dem Boden auf Tatort Kasiamenattee Vsvlscber Koman-Verlag vorm. b. OnvsfriÄU, 806 Locks« (Lüctkorrf 17s Aus dem Nebensaal klang die Musik sehr weich und sehn süchtig herüber. Die Töne perlten leicht und füllig in unge ahnte Höhen, hauchzart und spritzig, wie schäumender Sekt. Ein schwarzhaariger Geiger erschien am Eingang des Saales, die Geige ans Kinn gewinkelt, ging er langsam durch die Tische und schaute während des Spiels mit einem völlig ent rückten Ausdruck zu Vera hinüber. vr. Fergien griff nach ihrer Hand und zog sie vorsichtig an die Lippen. Es war eine behutsame Geste, die zugleich den Geiger in seine Schranken wies. „Schauen Sie, Vera — da haben Sie eine Eroberung gemacht!" „Wie schön — darauf kann ich mir etwas einbilden!" lächelte die Frau. „Sie sollen sich aber nichts einbilden", unterbrach Ulrich Fergien sie energisch. „Ich kann eingebildete Frauen nicht ausstehen." „Aber Ilka", sagte Vera und brach erschrocken ab. Nein, sie hatte gerade heute abend nicht die Erinnerung an die tote Freundin heraufbeschwören wollen. Wahrscheinlich war es allein ihr Tod, der den Arzt so verändert hatte, daß jetzt nur noch in ganz seltenen, kostbaren Augenblicken seine alte Sorg losigkeit zum Vorschein kam. Es mußte eine tiefere Be ziehung zwischen ihnen bestanden haben, als man allgemein glaubte. Ilkas Testament und der Wunsch, daß Ulrich Fer gien in ihrem Haus wohnen möge, bewiesen es deutlich. „Ilka war viel robuster als Sie, Vera. Sie ist vom Leben hart angepackt worden und hat mit der gleichen Härte Zurückgeschlagen. Die wenigsten Frauen bringen es zustande, und das ist gut so; was bliebe für uns Männer sonst zu tun? I und baut sie zu Eiweiß, dem Levensprinzip aller Körper zellen, auf, dem dann Mensch und Tier ihren Bedarf entnehmen. Da aber der Gehalt unserer Böden an Stickstoffverbindungen verhältnismäßig gering ist, müssen diese dem Boden zusätzlich als Düngemittel zugesetzt wer den. Den Stickstoff in eine als Düngemittel brauchbare Form überzuführen, gelingt aber nur unter den schärfsten Bedingungen — hohem Druck und hoher Temperatur — und unter Aufwendung von Energie in Form von Kohle oder Elektrizität, wozu umfangreiche Fabrikanlagen er forderlich sind. Die beiden größten Stickstoffwerke der Welt sind die I. G.-Stickstoffwerke bei Oppau und von Leuna. Im Hinblick auf die ernährungspolitische und wehr wirtschaftliche Bedeutung des Stickstoffproblems ist es verständlich, daß es die deutsche chemische Industrie be sonders gereizt hat, im eigenen Land eine unversiegbare Quelle von Stickstoffverbindungen zu erschließen, aus der der „Motor des Pslanzenwachstums" gespeist werden kann und die uns überdies von der Einfuhr des Chile salpeters frei machte. Diese chemische Großtat vollbracht zu haben, ist das Verdienst von Geheimrat Bosch und sei ner Mitarbeiter, die 1913 in Oppau die erste Ammoniak fabrik der Welt errichteten. Das hier angewandte Ver fahren der Stickstoffsynthese beruht auf einem wahrhaft genialen Griff in den Luftraum: die beiden Hauptformen von Stickstoffverbindungen, Ammoniaksalze und Salpeter salze, werden nur aus deutschen Rohstoffen hergestellt, aus Kohle, Luft und Wasser. Hierbei wurde der Roh stoff Luft in geradezu einzigartiger Weise erschlossen: zur Deckung des gegenwärtigen Slickstoffbedarfs der deutschen Landwirtschaft werden der Atmosphäre in Deutschland jährlich etwa 650 Millionen Kubikmeter Luft entnommen, eine verschwindende Menge, wenn man bedenkt, daß diese Luftmasse einem Luftwürsel von nur 870 Meter Kanten länge entspricht. Es klingt ganz einfach: Durch das Verfahren der I. G. werden Stickstoff und Wasserstoff unmittelbar mit einander zu Ammoniak verbunden, und das so gewonnene Ammoniak kann dann auch noch in Salpetersäure über- aesübrt werden. So einfach, wie sich das schreibt und lieft, war es jedoch nicht! Hohe Anforderungen wurden an die Erfindungsgabe unserer Chemiker und Ingenieure, an das technische Können der Meister und an die Hingabe aller Werksangehörigen gestellt. Die Ammoniakherstellung geht ohne Unterbrechung Tag und Nacht vor sich und spielt sich so rasch ab, daß wir den Stickstoff der uns umgebenden Luft schon wenige Stunden später im Weißen Düngesalz in den großen La gerhäusern wiederfinden können. Das Oppaucr Werk selbst ist von ungeheuren Ausmaßen: Auf einer Fläche von fast 2 Quadratkilometern stehen 500 größere und kleinere Bauten mit kilometerlangen Rohrleitungen, mit den kompliziertesten Apparaturen, mit Kontaktöfen und Kompressoren, mit Gaswaschern und Gaskühlern, mit Kreislaufpumpen und Kondensationsanlagen, mit Wasser behältern und Absorptionstürmen, mit Förderbahnen und Elektrizitätszentralen und tausenderlei Dingen mehr. Wie die Werkstatt überdimensionierter Riesen einer längst ver gangenen Zeit mutet das Ganze an. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, weil — es ist eine der überraschendsten Feststellungen! — das Werk sich durch eine offensichtliche Menschenleere auszeichnet. Unsichtbar und unhörbar wirken sich die chemischen Vorgänge, bei denen es sich in der Hauptsache um die Verarbeitung von Gasen handelt, und die Umsetzung der gewaltigen Kräfte aus, wenn es auch überall sinnreiche Meß- und Kontrollapparate gibt. Sichtbar aber werden die gewon nenen Erzeugnisse erst, wenn die fertigen Düngesalze über die Transportbänder in die Silos rinnen, wo sie sich zu richtigen kleinen Gebirgen und haushohen Dünen auf- türmen. Das synthetische Ammoniak hat sich in nunmehr 25 Jahren zu einem ausschlaggebenden Faktor unserer Volks wirtschaft entwickelt: Deutschland wurde aus einem Ein fuhrland für Stickstoffverbindungen zu einem wichtigen Weltlieferanten für diese Erzeugnisse. Bedeutender aber ist die durch unsere Eigenerzeugung und durch die damit verbundene gewaltige Preissenkung ermöglichte Steige rung unteres landwirtschaftlichen Verbrauchs an Stickstoffs düngemitteln, der nun einmal die Grundlage unserer Er nährung aus eigener Scholle bedeutet. „Wo mehr wach sen soll, werden auch mehr Nährstoffe verbraucht", denn eme reichliche Versorgung der Felder und Fluren mil Pflanzennährstoffen ist das Kernstück sämtlicher Maßnah men zur landwirtschaftlichen Jntensievierung und damit auch zur Ertragssteigerung. Rundfunk-Programm Reichssender Leipzig f Dienstag, 13. Juni 6.30: Aus Frankfurt: Frühkonzert. Das Kleine Orchester des Neichssenders Frankfurt. — 8.30: Aus Bayreuth: Froher Klang zur Arbeitspause. Der Soldatenchor und das Musikkorps eines Infanterieregiments. — 10.00: Aus Wien: Die Sonne zieht um das Frische Haff. Hörszenen. — 11.25: Gedenktage der Woche. — 11.40: Vom tätigen Leben. — 12.00: Aus Frank furt: Mittagskonzert. Das Große Orchester des Reichssenders Frankfurt. — 14.00: Zeit. Nachrichten und Börse. Anschließend: Musik nach Tisch. iJndustrieschallplatten und Aufnahmen des Deutschen Rundfunks.) — 15.20: Eine Dichterin als Erzieherin. Aus dem Schaffen Marie von Ebner-Eschenbachs. — 15.40: Deutsche in aller Welt: Karl Rom: „Bauern in der Gottschee." — 16.00: Aus Wien: Nachmittagskonzert. Die Wiener Sinfo niker. — 18.00: „Politische Testamente" aus Preußens Ge schichte. — 18.20: Liederstunde. Annemarie Claus-Schöbel (Alt) und Ilse Mmermann (Klavier). — 19.00: Aus Dresden: Von allerlei Tieren. Eine bunte Folge in Wort und Ton. — 19.50: Umschau am Abend. — 20.00: Aus Dresden: Richard-Strauß Festspiele: Ariadne auf Naxos. Oper von Richard Strauß. — 22.20: Abendnachrichten Wettermeldungen und Sport. — 22.5V bis 24.00: Aus Hamburg: Unterhaltung und Tanz. Der Ham-c burger Rundfunkchor und die Kapelle Herbert Heinemann. f Dienstag, l3. Juni. 6.30: Aus Frankfurt: Frühkonzeri. Das Kleine Orchester des Reichssenders Frankfurt. — 10.00: Aus Wien: Die Sonne zieht um das Frische Hass — 10.30: Fröhlicher Kindergarten. — 12.00: Aus Köln: Musik zum Mittag Rudi Rhein cVioline). das Große Orchester des Reichssenders Köln. — 15.15: Kinder liedersingen. — 15.40: Mein Kumpel. Erzählung von Otto Wohlgemuth; anschließend: Programmhinweise. — 16.00: Musil am Nachmittag. Das Orchester Ono Dobrindt In der Pause 17.00—17.10: Herhören, Pimpfe! Herbert Reinecker er zählt. — 18.00: Schönes Deutschland! Eine Fahri durch deutsche Gaue in Wort und Lied — 18.30: Die Reichstheaterlage in Wien. Aufnahmen und Berichte. - 19.00: Großdeutschlandfahrt 1939: 11. Etappe: Salzburg- Augsburg. — 19.15: Bilder aus der großen Stadt Hörfolge von Wilhelm Krug. — 20.15: Poli tische Zeitungsschau. - 20.30: Musikalische Kurzweil. — 21.00: Orchesterlonzert. Das Große Orchester des Deutschlandsenders. — 23.00: Musik aus Dresden. Oskar Christmann (Klarinette); es spielt das Dresdner Orchester «Aufnahme). — 23.50—24.00: Kleine Melodie (Jndustrieschallplalien). Baumwolle Neuyork 10. Juni 9. Juni Loko Neuyort 9,98 9,99 Juni 9^8 S,bS Juli 9,28 9,2g August 8,49 8,50 September 8,64 8,55 Oktober 8,44 8,45 8,45 November 8,31 8,32 Dezember 8,IS 8,20 Januar 194^ 8,10 8,l2 Februa. >040 8,05 8,08 März 1940 8,01-8,02 8,04 April 1940 7,98 8,02 Mai !S40 7,95 8,00 Zufuhr!r atl Häfen Zufuhr t» S>olfhäf«n 3 000 1000 2 000 Export nack England — — Export n d !N" Kontinenten — 2000 Stetig. Die Grundstimmung am Wochenschluß war am Daum- wollberminmarkt Ms zum Ende stetig, obgleich Anschaffungen des Handels und der Platzfirmen sowie mäßigen Käufen für ausländische Rechnung im Julitermin Glattstellungen und Wochenendabgaben sowie Verkäufe Dombayer Häuser gegen überstanden. Ilka allerdings war eine wunderbare Mischung von tempera mentvoller Weiblichkeit, und auch die Härte, mit der sie ihren Lebenskampf fast wie ein Mann führte, hatte etwas Impo nierendes." Er hatte die Hand leicht über die Augen gelegt, wieder überfiel ihn eine leise Trauer, daß dieses lebensfrohe Ge schöpf tot war, irgendeinem sinnlosen Verbrechen zum Opfer gefallen. Als er Vera wieder ansah, beobachtete er erschreckt das Auslöschen des farblosen Frauen gesichtes, er sah, wie die weit geöffneten Augen, die jetzt dunkel wurden wie beschattetes Metall, sich ansaugten an einen Traum, den er herauf beschworen hatte und von dem er nichts ahnte. Er wußte nicht, daß Vera in diesem Augenblick wieder an die Unauf richtigkeit der toten Freundin erinnert wurde, die sie an ihrem bunten, äußeren Leben teilnehmen ließ, ihr dagegen die Kammern ihrer Seele verschloß. Ich hätte nicht mit ihr über Ilka sprechen sollen, dachte er zornig über sein Ungeschick. Es war ihre einzige Freundin, ihr Tod muß ihr zu schaffen machen, und sie hat keinen Menschen, der es gut mit ihr meint!" Er schaute auf ihre Hände, die mit sacht gebogenen Fingern die Zigarette hielten, und Werner Bieglers hartes, energiegeladenes Männergesicht stand plötzlich daneben. Er hatte ihn fünf Jahre nicht gesehen; fünf Jahre sind eine lange Zeit, die einen Menschen verändern können. Trotzdem konnte er sich sehr gut vorstellen, wie der ehemalige Studienkollege jetzt ausschaute. Noch faltiger und noch arbeitswütiger. Ilka hatte ihm einige Male von Werner Biegler geschrieben. Er war inzwischen der gesuchteste und bekannteste Verteidiger der Stadt geworden. Aber wenn Ilka recht beobachtete, dann hatte er darüber das eigentliche Leven verabsäumt, Arbeit — immer nur Arbeit, das war ein Fehler, der sich einmal unerbittlich rächte. Die Seele war darüber zu kurz gekommen, und sie ließ sich nicht mit kärglicher Münze abspeisen, sie verlangte den gleichen, vollen Einsatz wie die Arbeit. Es blieb eine Schuld, die er sich Vera gegenüber ausgebürdet hatte und die sich durch all die vergangenen Jahre nicht mehr auslöschen ließ. Er verglich sein eigenes Leben mit dem des anderen und konnte sich eingestehen, daß er nicht den gleichen Fehler be gangen hatte. Nein, da standen sich die beiden Posten wohl abgewogen gegenüber; sein Temperament trug zuweilen die Schuld daran, daß die Arbeit um eine Wenigkeit zu kurz kam. Nur in den vergangenen drei Jahren drüben mochte es umgekehrt gewesen jein. Und in der letzten Zeit ertappte er sich manchmal dabei, daß er Sehnsucht verspürte nach einem windstillen Flecken, das Verlangen war da, irgendwo zu Hause zu sein, nach Hause zu gehen und erwartet zu werden am Abend. Sie brachen bald darauf auf. Als der Kellner dem Arzt in seinen Mantel half, fiel eine breit gekniffene Zeitung aus der Rocktasche. Vera fing sie auf und schaute gedankenvoll hinein. Es war die „Daily News" mit dem Bild des Königs paares auf der ersten Seite. „Dars ich?" fragte sie leise und hielt die Zeitung in die Höhe. „Ich bin gespannt, wie weit meine englischen Kennt nisse noch reichen." „Aber selbstverständlich, Vera! Wenn es hapert, rufen Sie mich in meinem Hotel an; ich bin gern bereit. Ihnen jederzeit auszuhelfen." „Aber doch nicht mitten in der Nacht?" antwortete Vera und lachte belustigt auf. „Auch mitten in der Nacht, Frau Vera. FürSiebin ich immer zu sprechen!" vr. Fergien sagte dies mit ungewohntem Ernst, und die Frau hatte das Gefühl, daß ihr da mit einem Male ein Freund die Hand entgegenstreckte, eine Hand, die sie ohne Bedenken ergreifen durfte. Es wirkte so beruhigend, wenn man sich auf einen Men schen bedingungslos verlassen konnte. Sie hatte zwar Werner, aber sein Leben war so ausgefüllt mit seiner Arbeit. „Sie glauben nichtf daß ihm etwas geschehen ist?" fragte sie plötzlich.