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S052 BSrsenblatt s. d. Dtschn. «uchya„d-l. Nichtamtlicher Teil. ^ ISO, 5. August 1S12, Nichtamtlicher Teil. Aus dem französischen Buchhandel. VII. <VI siehe Nr. ISS.) Vom Kommissionär und vom Sortimenter. — Uistiibutioas ckes Prix. — Das Schriftsteller-Syndikat. — M. Pruniöres. — koiir Dieselbe Strömung, die im Leipziger Kommissions-Buch handel den Zusammenschluß gleichartiger Betriebe herbei führte, läßt sich auch im Pariser Kommissionsbuchhandel fest stellen. Als letztes Beispiel in dieser Hinsicht ist die Firma H. GaulonLFilszu erwähnen, die innerhalb einer Reihe von Jahren 6 Konkurrenzgeschäfte erwarb und seit dem 1. Juli d. I. durch Kauf auch in den Besitz der Firma Alfred Schlachter gelangte. Dadurch ist die Anzahl der bedeutenden französischen Kommissionsgeschäfte, die fast ausschließlich mit Frankreich und den angrenzenden französischsprechenden Ländern arbeiten, auf 4 herab gesunken, denn wenn man von einer Reihe kleinerer Firmen absteht, so sind außer der genannten Firma nur noch Hach eile L Cie., die Messageries Ha ch e t t e und die Firma CH. Delagrave zu nennen. Die anderen Kommissionsgeschäfte, mögen ihre Inhaber Fran zosen oder Ausländer sein, arbeiten in der Hauptsache nur mit dem Auslande. Für den französischen Sortimenter in der Provinz spielt aber der Pariser Kommissionär bei weitem nicht die gleiche Rolle wie für seinen deutschen Kollegen. Bei den bedeuten den Sortimentern, die bei allen Verlegern offenes Konto haben, beschränkt sich die Tätigkeit des Kommissionärs auf das Expedieren der Sendungen. Kleineren Firmen gegenüber ver tritt er auch dieStelle der deutschenGrossosortimente und liefert Journale, Schulbücher, Schreibmaterialien, Papier usw. Ein Barverkehr durch den Kommissionär findet nicht statt, diese Zahlungswetse ist sogar gänzlich unbekannt im französischen Buchhandel. Der Sortimenter ist vielmehr gewöhnt, sein Konto alle Vierteljahre durch Einlösung der Tratten der Ver leger zu regeln. Die Tätigkeit des Sortimenters hierzulande unterscheidet sich aber auch bedeutend von der seines deutschen Be rufsgenossen, denn der erstere würde sich vom »reinen Buch sortiment« kaum erhalten können, und in der Tat schätzt man die Zahl der wirklichen »Buchhandlungen« in der Provinz auf nicht über 10. Alle diese Häuser befinden sich in den großen Handelszentren, wie Lyon, Marseille, Bordeaux usw. Die große Menge der Buchhändler aber ist gezwungen, sich durch den Einzelverkaus von Zeitungen und Revuen und den Handel mit Schulmaterialien, Papier, Tapeten, Devotionalien und Luxuslederwaren gewinnbringende Nebenbranchen zu schassen. Die Erklärung für diese Erscheinung liegt darin, daß das ganze geistige Leben Frankreichs in Paris zentralisiert ist. Im französischen Buchhandel fehlt eine Einrichtung, die der Leipziger Bestellanstalt entspricht. Daher haben die französi schen Sortimenter nicht jene große Portoersparnis, wie sie die deutschen Buchhändler durch ihren »Bestellbrief« erreichen. Aus diesem Grunde werden die Bestellungen mit direkter Post an den Verleger expediert, nur die ausländischen Firmen be dienen sich des auf dünnem Papier gedruckten Verlangzettels. Ganz wenige Provinzsortimente fangen an, ihre Bestellungen in einem Sammelbrief an ihren Kommissionär zu senden, der sie dann durch seine Angestellten austragen lassen mutz. Hierbei muß noch erwähnt werden, daß die ermäßigte Taxe für Bllcherbestellzettel für den inneren Verkehr in Frank reich unzulässig ist. Daher muß jede Bestellung als Postkarte mit lO Cts. frankiert werden, während für den Verkehr mit dem Auslanpe natürlich die internationalen Portosätze gel ten. So kommt es, daß ein Sortiment in Versailles für eine Bestellung nach Paris 10 Cts. bezahlt, während es einen Bücherzettel nach Madrid nur mit 5 Cts. zu frankieren hat. Wie überall, ist aber auch in Frankreich der Sortimenter der Sündenbock, dem Verleger und Autoren die Schuld an dem mangelhaften Absatz zuschieben. Als Illustration hierzu will ich nachstehendes verbürgtes Geschichten Mitteilen: Der Direktor eines der bedeutendsten Pariser Verlagshäuser fragt inkognito in einem lebhaften Kurort der Provinz nach einem Buch, das sich überall — selbst im Ausland — mit Erfolg verkaufte. Der Inhaber der Firma antwortete ihm: »Es ist doch zu komisch, daß man immer dasselbe Buch verlangt. Gestern hat man es dreimal gefordert, und heute sind Sie der zweite Kunde, der danach fragt, ich wundere mich selbst, daß ich es nicht am Lager habe!« Am Schlüsse des Sommersemesters finden alljährlich in Frankreich die Verteilungen der Schulprämien statt (OiotrldutlousUss x rix), die einen besonders feier lichen Akt im Schulleben darstellen. In den Volksschulen von Paris nimmt der Bürgermeister des betreffenden Viertels an dieser Feierlichkeit teil, in den Lyceen geschieht die Verteilung durch Vertreter der Regierung, und in einem derselben sogar durch den Minister des Unterrichts. Während dieser Tage kann man die Kinder beobachten, die erhobenen Hauptes die er rungenen Preise heimtragen, die in mehr oder weniger um fangreichen illustrierten Werken bestehen. Ein Kindesgemllt wird durch das prunkvolle Äußere, den Goldschnitt und die reiche Pressung hoch erfreut sein, aber der Fachmann kann diesen in rotes Leinen gebundenen Prämien infolge der Metall- Pressung und des holzhaltigen, dicken Papiers ein schnelles Verbleichen und rühmloses Ende Voraussagen. Diese »I-ivres da xrix« bilden eine gute Einnahmequelle für diejenigen Sortimenter, die es erreichten, sich die Lieferung für die Schu len übertragen zu lassen, in vielen Fällen liefern aber die Ver leger direkt, und da es sich gewissermaßen um »Massenartikel« handelt, sind Rabatte von 30—40°/» bei großen Aufträgen nichts Seltenes. Der Unterricht wird in den französischen Volks schulen vollkommen kostenlos erteilt, und die Stadtverwal tungen gehen sogar so weit, daß sie sämtliche Unterrichtskosten übernehmen und infolgedessen auch alle Schulbücher, Atlanten, Schreibhefte usw. liefern. Die gedruckten Werke bleiben Eigen tum der Schule und müssen am Schluß des Unterrichtsjahres an diese zurückgegeben werden. Die Lieferungen für alle diese Artikel werden auf dem Wege der Submission demjenigen Sortimenter oder Grossisten übertragen, der den höchsten Ein heitsrabatt auf alle benötigten Gegenstände gewährt. Es scheint, daß dieser oft 207» übersteigt, so daß das Geschäft nur in der Höhe des Umsatzes liegen kann, der tatsächlich oft auch recht bedeutend ist. Die 8oeiötö ciao 6 e u s ü« I-attre» hat end lich eine Kommission ernannt, die sich mit der Frage des zu bildenden Schriftsteller-Syndikats beschäfti gen soll. In der unlängst stattgefundenen Sitzung dieser Kom mission ist ein Entwurf über die Einrichtung des Syndikats zur Verlesung gekommen, dem ich folgende Sätze entnehme: Für jedes Werk, das in seiner Urform dem Verleger über geben wird, muß ein Minimalprcis von einer noch zu bestim menden Anzahl von Centimes pro Zeile bezahlt werden. Alle Kontrakte werden in dreifacher Anzahl ausgefertigt; davon ist je einer für den Autor und den Verleger bestimmt, der dritte verbleibt in den Archiven des Syndikats. Hat ein Verleger innerhalb von zwei Jahren nicht die Hälfte eines Werkes ab setzen können, so hat er das Recht, den Rest zu verramschen, nur verbleibt dem Autor das Vorkaufsrecht zum höchstge-