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Hohensteiner Tageblatt : 11.10.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189210113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18921011
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18921011
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-10
- Tag 1892-10-11
-
Monat
1892-10
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 11.10.1892
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Die durch den Abgang des Bcrgvcrwaltcr Wildscuer srci- gcwordenc Stelle eines Betriebsleiters der Hcrrschcl'schcn Stein- kohlenwcrkc in ObcrstolrnVors bei Zwickau ist dem Berg- dircctor Harnisch in Lugau übertragen worden. AuS <5airrsvorf wird unterm 8. Octvber berichtet: Der benachbarten Einwohnerschaft unseres Gemeindehauses bot sich in der gestrigen vierten Nachnuitagstuudc ein ebenso schreck licher. als aufregender Anblick dar. Aus dem Gcmeindehause kam plötzlich über und über brennend die dort wohnhafte, von ihrem Ehemann getrennt lebende Zierold hcrausgestürzt und rannte in wahrer Todesangst, nicin wissend wohin, die Straße an' und ab. Hilncickie Hande suchten die Flammen zn er sticken. rissen ihr die Kleider vom Lcibc und übergossen sic mit Wasser. An ihrem wahnsinnigen Schmerz eilte sic in den Gaslhos wo sie jämmerlich stöhnend zusammensank. Nachdem sie neu bekleidet worden war. wurde sic, über und über mit Brandwunden bedeckt, ihrer Wohnung und später dem Kreis- krankensuüe zugenMri. Die Unglückliche, die für eine Fabrik in Zwickau Handschuhe natu, wollic Feuer anzünden, war aber habe, von Grammen bemllen worden, au denen sie schon längere Zeu litt, und so waren die Kleider in Brand gerathen. Der 18 Jahre alle Bergarbeiter Riedel aus Lichte»! tannc hatte seinen Großvater, einen in den 70er Jahren itebenden Mann am Freitag Morgen mit einem Handwagen rn emcm nahen Benvandten nach Gospcrsgrüu zu fahren. An der Stelle angekommen, wo der "Weg von dem Thanhos- Lichtemanner Höhenznge sich nach dem GoSpcrsgrimer Grund herennenkn setz: nch der junge Mann mit auf den Wagen und täß: demelben den Berg hcrmncr'abrcn. Das Gefährt kam in die Finch: bald war der junge Riedel desselben nicht mehr Herr, er wring; ab und überläßt dar- Gemlm mit dem Großvater seinem Schicksal. ES dauerte nicht lange, so nihr der Wagen ab'ene und schlug um, und der alte Mann blieb, aus mehreren Koviwunden blutend, am Boden liegen. Der Großvater, aus welchem mehr der Schreck als die Besetzungen eingewirkt haben mochten erholte nch in einem nahen Hause bald wieder. Sein Lntelkind aber, der junge Memch. der durch diesen Borgang sein Gewinen belastet mhlte, ging über die Wiesen hin an den naben Bahndamm und ließ' nch durch dcu '/z10 Uhr von Werdau lammenden tleivziger Eilgüterzug überfahren. Der bedauernswert^ innge Mann baue offenbar noch bis zuletzt gegen den unn-ligen En'chlnß angekämptt, denn zwischen den Rädern de- letzten Wagens erst schritt er zur That. Der Kopf ward ihm vom Rumv' geiren.nl. Der entseelte Körper ist nach der o eichenballe m übernihn worden. Aus Lcipzig schreibt man unterm 8. d. M.: Ein mrchtorliches Verbrechen in in unserer Stadt durch eine glück Uw. Fügung verhütet worden. Am Mittwoch Abend gegen 5 Uba ma: au' dem Auzustusplatzc ein unbckanntcr jilnger Mann an den mir der Besorgung der Gcldbricse in der Beter-üraße bcrauien Brienräger heran und erklärte ihm, er erwarie morgen einen Geldbries und bitte, da er mit der Dahn Drnnü'Q um Mleimigne Ueberbringung desselben. Der Bree Mag er -ragte den Unbekannten nach seinem Namen, worauf dieser 'ich dem Bemmen als Karl Pietzsch, Petcrsstraße Nr. 10. 3. Erage. wohnbau. verstellte. Anderen Tages war auch rbanaa üD em Geldbr.m an den Genannten auszutragen. Ll- der BmeMäzer das mögliche Grundstück HP) Uhr Vor- m.m. eiS beme: kam :om der angebliche Pietzsch schon auf der Trem. am Stockwerke entgegen und bat um Ans- händignnt e - Geldbrie-'s. was der Briefträger aber als :a:ra:armr.ltig ablehnte. ihm vielmehr deu Ofeldbrief nur :n semit Wr.-nnng au-oändigcn wollte. Der Unbekannte er- nr:: tottm it wolle mir der Wahrheit nicht hinterm Berge ba.t.r D em'm äi ärgerem und habe ihn nur beauftragt, den Geldbr:.- mr ibn in Emv'ang zu nehmen. Nach diesen Werter, war er auch schon verschwunden. Die Sache schien verdächtig und es wurde der Polizei Mitthcilung darüber ge mach:. Wm d:e Erörterungen nun ergaben, war der Unbe kannte m d.r lerren Zeit von verschiedenen Personen in dem möglichen Grundstücke gesehen worden; aller Wahrscheinlichkeit nach baue er das Terrain daselbst rccognoscirt. Ter von dem Bn-.Mager als unbestellbar znrnckgcgcbene Brief war mit nnem S tgel. das eine 9zackige Krone trug, geschlossen, und de. ''ick am der Post noch ein zweiter, mit dem gleichen Siegel geÄU'stncr. an Erim Ehrich. Querstraße 3, adressirter Brief oMm i w lag die Vermuthung nahe, daß der Unbekannte dvr: auMiMden Mn würde. Als am Donnerstag Nachmittag n dem genannten Grundstücke Polizeibeamte erschienen, er- -uvren ne, daß am Vormittage desselben Tages ein junger Mensch Namens Ehrich nch daselbst cingcmicthet habe, aber aurgegangen M. Er hatte einen nir seine Wirthin bestimmten Zenel zurückgelaffen, au- dem er ne anwies, einen etwa an ihn ankommenden Gcldbrie- hauvtvostlagcrnd zuriickgchcn zn lassen andere an ihn ankommende Gegenstände dagegen anzu nehmen. Wirklich wurde auch bald darnach ein großer Koffer, den der Unbekannte in einem hiesigen Geschäfte gekauft hatte, M M WMm.mg gebracht, während er selbst dorthin nick: varückkerr:-.. Wohl aber erschien er gestern Abend auf den: MawwwMw:. um einen Geldbries an einen angeblich in der Nürnberger Straße wohnha'ten Ernst Heyer, auszugcbcn, und bei dieser Gelegenheit enolgte die Festnahme des ver dächtigen Menschen. TerMbe ist ein 19jähriger aus Dresden gebürtiger st Mi an Theodor Arthur von Wysscl. Bei sich trug er ein Tack-.:, in dem sich ein neue-, schangeschliffencs Beil, ein Küchenm-mer, em Sack, ein mlschcr Schnurrbart, ein Fläschchen mi: Salmiakgeist und ein mit einer Schlinge ver sehener Sirick be-audem Ter Verhüttete hat nun den fürchter lichen Verdacht, daß er cs am Ermordung und Beraubung eines GeldbneMägers abgesehen habe, unumwunden bestätigt und cingeräumt, daß die- seine bestimmte Absicht gewesen sei und er nch zu dem Morde eixcs Gcldbrictträgcrs fest ent schlossen g-chabi habe. Er habe seinem Exner den bei ihm Vorgefundene» Tack über den Koch wenen und cs dann cr drofscln oder aber mit dem Beile tvdtichlagcn wollen. Bei der Begegnung mit dem Geldbrietträger in der Petcrsstraße sei er au der Ausführung seines Vorhabens nur durch das Erscheinen anderer Personen gehindert worden. Die Leiche würde er seinem Geständnisse nach, in den von ihm zu diesem Zwecke erkaufte» Koffer gelegt haben, zu dessen Wcgschassung er bereits bei der eben gedachten Gelegenheit einen Ticnstmann bestellt gehabt habe. Ter Verbrecher, der noch rechtzeitig un schädlich gemacht worden ist, ist elegant gekleidet, von schlanker Statur und gewandtem Wesen. Beim Hcrunterreichcn von Heu stürzte der Arbeiter Riedel in Penig in der Dunkelheit vom Heuboden auf die Teuue und starb auf der Stelle. Aus Königswartha, 8. Lctobcr: Ter größte Theil der Distanzrcitcr ist hier durch unsern Qrt gegangen. Die Pscrde waren sehr angegriffen und lahmten zum Theil. Eiucs derselben, dem preußischen Dragoner-Lieutenant von der Wense gehörig, ist im Stalle eines hiesigen Gasthofes gestürzt und verendet. Aus Koschwitz: In letzter Zeit ist der Bau unserer Elbbrückc derart gefördert worden, daß schon an beiden Usern mit der Abrüstung des Holzwerkcs begonnen werden kann. In den vorgestrigen Abendstunden bemerkten mehrere Passanten des Elbdammes zu Meißen, daß sich eiu Mann iu ausfälliger Weise etwas zu schaffen machte. Der Mann schöpfte nnt den Händen Wasser ans dem Fluß, nahm es iu den Mund und gesticulirtc dann heftig mit den Armen in der Luft herum. Den Beobachtern überkam zwar ein leichtes Gruseln bei dem Anblick dieses geheimnißvolleu Treibens, sie beschlossen aber doch, da sie annahmcn, es entweder mit einem geistig gestörten oder doch mit einem lebensmüden Menschen zu thun zu haben, die Rettung des Unglücklichen gemeinsam anszuführen. Möglichst geräuschlos gingen deshalb die hilfs bereiten Männer die Usertreppe hinab und gerade auf den Alaun zu. Derselbe war natürlich nicht wenig' überrascht, plötzlich von zwei Männern im sanftesten Tone etwa so nngcredet zn werden: daß er doch von seinem Vorhaben abstehen möchte, es würde gewiß auch wieder besser werden, er solle nur Muth fassen u. s. w. Verdutzt sah sich der vermeintliche Selbstmörder seine Schutzengel an und meinte dann im besten Sächsisch: „Laßt Eich nor uich' auslachcn, Ihr denkt wühl, ich will mich erseefcn? Ich hab' bluß eene Sympathieeur gemacht gegen» Zahnreißen. Daderbci sull mcr aber nich' reden, und nu habt Ihr mir den ganzen Kram vcrdurb'm" Aus Annaberg, 8. Oetvbcr. In aller Stille und vor wenigen Zeugen hat sich gestern Nachmittag ' Fi Uhr ein Er eignis; vollzogen, das für die beiden Städte Anuabcrg und Buchholz von gewisser culturgcschichlichcr Bedeutung ist. Be kanntlich leidet unsere Nachbarstadt schon seit Wochen an so starkem Wassermangel, daß der Stadtrath sich zu einer Reihe von die Wasserentnahme einschränkenden Maßregeln gezwungen gesehen hat. Trotz dieser Beschränkungen aber hat sich die dortige Hochgucllcnlcitung von Tag zu Tag unergiebiger gezeigt, sodaß dieselbe nicht mehr im Staude ist, auch nur den noth- wcndigstcn Bedarf der an dieselbe angefchlossencu Grundstücke zn decken. Da zugleich auch dieser fühlbare Wassermangel bei etwaiger Feucrsgefahr äußerst vcrhängnißvoll hätte werden können, so wandte sich der Stadtrath zu Buchholz an den hie sigen Stadtrath mit dem Ersuchen, ob Anuabcrg nicht in: Stande wäre, mit seiner den Bedarf übersteigenden WasseM der Stadt Buchholz sür die Tauer de-s Versagens der eigenen Quellen auszuhelfen. Der hiesige Stadtrath hat sich —selbst verständlich nur insoweit, als das Wasser hierorts nicht ge braucht wird — zu dieser srcundnachbarlicheu Aushilfe bereit erklärt, fvdaß feit vorgestern zwischen der Ännabergcr Leitung am Grundstücke des Herrn Earl Grund und der Buchholzcr am „Deutschen Haus' eine Verbindung hergcstellt wurde. Diese Verbindung wurde gestern Nachmittag HP, Uhr fertig gestellt, so daß seit dieser Zeit ein erstes gemeinsames Band die beiden Nachbarstädte umfaßt. Der Erfolg der Maßregel ist, trotzdem die Ueberleitung des Wassers nur von dem blos 13 Meter höher als das Buchholzer liegenden unteren Bassin an der Maricngasse aus erfolgte, schou ein sehr merklicher gewesen, da in der Stunde etwa fünf Cubikmcter Ännabergcr Wasser dem Buchholzcr unteren Bassin zuflosscn. Im Ganzen dürften in der vergangenen Nacht fünfzig bis sechzig Cubikmcter Wasser vou uns an Buchholz abgegeben morden sein. Heute Morgen gegen 6 Uhr sollte der Versuch gemacht werden, directvvndem Schieber an der Sandwäschc aus die Buchholzcr Bassins zu speisen; der Versuch mußte aber wegen des eigenen starken Be darfes nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Wie wir hören, soll der Versuch heute Nacht gegen 11 Uhr, wenn der Consum in beiden Städten so gut wie aufgehört hat, erneuert werden. Hoffentlich ist der Erfolg ein solcher, daß unsere Nach barstadt schon morgen von der Calamität erlöst ist. Von einer großen Feuersbrunst wurde das Dorf Ricdcr- saida bei Lengefeld im Erzgcb. hcimgesucht. In der Scheune des im oberen Dorfe gelegenen Gutes des Gutsbesitzers Rösch brach am 6. d. M. Nachts aui unaufgeklärte Weise Feuer aus, das bei der reiche» Nahrung, die es iu Folge der in der Scheune aufgespeichcrten Erntcvorräthe und der hölzernen Bau art fand, so rapid um sich griff, daß bald alle Gebäude, 1 Wohnhaus, Stall, Scheune und Auszugshaus, in Hellen Flammen standen. Der Wind trieb die Flammen nach dem Dorfe zu, so daß dem Element, trotz der eifrigsten Bemühungen der Dorf bewohner, das Feuer auf feinen Herd zu beschränken, noch zum Opfer fielen das Anwesen des Wirthschaftsbesitzers Martin, und das Anwesen der Wirthschastsbesitzerin Wittwe Schubert. Gerettet konnte nur wenig werden. Die Calamitoscn sollen sämmtlich nicht versichert gehabt haben. Tic Entstchungsursache ist unbekannt, doch vcrmuthet man böswillige Brandstiftung. Tagcogcl'chichte. Deutsches Reich. Berlin, 8. Oetober. Vielfach besprochen wird die scharfe Zurückweisung der Nachricht einer hiesigen Zeitung, daß der Kaiser bei seinem Aufenthalt in Wien deu Herzog vou Cum berland und die vcrwittwctc Königin von Kannovcr in Audienz empfangen werde. In den nächst mtcrcsyrtc» Kreisen hat cs Befremden erregt, daß derartige Nachrichten verbreitet und geglaubt werden konnten. Mit der gesetzlichen Regulirung der Angelegenheit des Welicnsonds ist die Beziehung des kaiser lichen Hofes zum Herzog von Cumberland und seinen Ver wandten abgeschlossen; eine Zusammenkunft des Kaisers mit deu gedachten Personen würde nicht mehr bedeuten als eine Förmlichkeit, deren Zwecklosigkeit keiner weiteren Erörterung bedarf, cs ist aber obcnciu, wie wir verbürgt melden können, von einer Zusammenkunft des Kaisers mit dem Herzog von Cumberland nie die Rede gewesen. Mit Bezug auf unsere letzte Nachricht, welche die Reise Sr. Majestät des Kaisers nach Wien außer Zusammenhang mit der Sache des Herzogs von Cumberland setzt, wird vou gilt unterrichteter Seite folgendes mitgethcilt: In der Ange legenheit des Herzogs von Cumberland sind zwei hohe Frauen am Werke, die Königin von Großbritannien und die Wittwe König Georgs von Hannover, beide in entgegengesetzter Richt ung. Die Königin Victoria suchte den Herzog von Cumberland, den sic immcr als zu ihrer Familie gehörig betrachtete, dahin zn beeinflussen, daß er seinen vollständigen Frieden mit der Krone Preußen mache. Dies kann aber nur durch einen for mellen Verzicht auf dessen Thron- oder Besitzrecht von Hannover geschehen. Einem solchen ist aber seine Mutter, die Königin von Hannover, entgegen, die ihrem Sohn, dem Herzog von Cumberland, wenn dieser sich auch geneigt zeigen sollte, den gegebenen Verhältnissen Rechnung zu tragen, immer mit der Erinnerung an das seinem verstorbenen Vater Georg V. ge gebene Gelübde cntgcgcntritt, Preußen gegenüber in derselben Haltnng verharren zu wollen, die er — der König — bis Ende seines Lebens beobachtet hatte. Nun aber kommt sür die Welfenfamilie die Regierungsnachfolgc in Brannschweig in Frage. Auf jener Seite ist man sehr wohl verständigt, daß diese nur im Zusammenhang mit dem Verzicht auf Haunvver gelöst werden kann. Da aber der Herzog von Cumberland sich durch seine ablehnende Haltung den neuen Verhältnissen gegen über zn weit engagirt hat, als daß er jetzt mit einem Male seinen Widerspruch aufgeben könnte, fo will man neuerdings eine Lösung des politischen Dilemmas dadurch gefunden haben, daß der Herzog von Cumberland für sich abdicirc und seine Rechte oder Ansprüche aus seinen ältesten Sohn übertrage, dem dann, ohne daß er, wie sein Vater, sich durch Gcwisscns- bedeukcn gebunden fühlte, frei zu handeln gestattet wäre, d. h. den Verzicht auf Hannover zu geben und dadurch sich die Nach folge iu dem Welfenstammlande Braunschweig-Wolfenbüttel zu sichern. Zu dem angeblichen Conflict zwischen der Reichsregiernug und dem Preußischen Staatsministcrium in Sachen der Mili- tärvorlagc äußert sich jetzt auch ein „gelegentlicher Berliner Berichterstatter' der Politischen Corrcsponocnz in einer längeren Zuschrift, die zunächst die bekannten von der Nat. Ztg. er hobenen staatsrechtlichen Bedenken znrückwcist und dann weiter aussührt: Nirgends ist gesagt, daß der Kaiser, wenn er aus eigener Initiative Anträge, sogenannte Präsidial-Anträge, an den Bundesrath bringen will, jedesmal vorher durch sein preu ßisches Gesummt Ministerium bcrathen sein muß. Das preu ßische Ministerium kann, wenn die Instruktion für die preußi schen Bevollmächtigten festgcstellt wird, Stellung gegen den Kanzler nehmen, wenn ihm dies nöthig erscheint. Der König kami sein Staats-Ministerium ermächtigen, die preußischen Be vollmächtigten mit einer antipräsidialen Instruktion zu versehen. Der Kaiser aber kann sich Vorbehalten, wenn Preußen im Bundesrath überstimmt wird, den Beschluß der Majorität zu vollziehen. Das kann nur dem verkehrt erscheinen, der den Geist unserer nun einmal in Folge der deutschen Geschichte verwickelten Institutionen nicht begreifen will. Solche Couflicte zwischen Kaiser und König, die nur ansgetragen werden können, wenn der preußische Partikularismus und der Reichs-Uni- versalismus sich frei gegeneinander aussprcchen, sind sehr wohl denkbar. Der Gedanke, jede kaiserliche Action von dem preu ßischen Staats-Ministerium abhängig zu machen, ist ebenso rcichswidrig der Wirkung nach, als verfassungswidrig dem Reichsrecht nach. Berlin, 8. October. Wenn man zwischen dem Centrum und der „Germania" überhaupt eine ernsthafte Fühlung an- nchmeu will, so ist der heutige Leitartikel des genannten Blattes mit der Ueberschrift: Wird Graf Caprivi Kanzler bleiben'? sehr bemerkenswerth. Die Anfangssätze dieses Artikels lauten: „Es ist an der Zeit, diese Frage zu stellen. Wir halten für möglich, daß der Kanzler wegen der Militärvorlage geht oder stürzt: wir halten sür möglich -— mehr auch nicht —, daß er bleibt. Wer aber glauben sollte, weil noch keine dieser drei Möglichkeiten bestimmt bejaht werden könne, wäre über- hanpt eine Erörterung über die Stellung des Kanzlers über flüssig, wenigstens noch nicht an der Zeit, sehe sich das Folgende an. Enthält die Militärvorlagc, über die ja Officicllcs noch nicht bekannt ist, wirklich die zwei Forderungen einer Erhöhung der Präsenz um 90,000 Mann und einer Erhöhung der jährlichen Geldvpscr um 60 bis 70 Millionen Mark, dann fällt sic sicher, mag sie im Ucbrigen enthalten, was sie will. Hat also Graf Caprivi die Absicht, mit der Vorlage zu stehe» u»d zu fallcu, dann wäre also sei» Sturz sicher, wem; die Vorlage den bisher mitgetheilteii Inhalt hat und nicht im Bundesrath wesentlich gemildert wird, womit er sich dann ja auch erst abznfinden hätte". So die „Germania". Die „Köln. Volkszeitung" hat bekanntlich schon seit längerer Zeit die Militärvorlagc mit großer Schärfe angegriffen. Uebrigens wollen hentc mehrere Blätter wissen, die Staatsministerialsitzung, die sehr lange dauerte, habe die Militärvorlage berathe», die dem Bundcsrathsbureau bisher nicht zugcgangcn ist. Die „Nat.-lib. Corrcsp." schreibt: Bei den durch die neue Militärvorlage, ihre Bewilligung im Reichstag voraus gesetzt, verursachten Kosten muß cs als vollkommen selbstver ständlich betrachtet werden, daß die Deckung durch Vermehr ung der eigenen Einnahmen des Reichs vorgcnommen, nicht etwa durch Matricularbeiträge den Bundesstaaten zugeschoben wird, welche, insbesondere Preußen, in ihrer gegenwärtige» finanziellen Lage zur Erfüllung dieser Leistung keineswegs im Stande wären. Die Gegenstände, welche bei einer Vermehr ung der Rcichseinnahmen in Betracht kommen können, sind naheliegend und wenig zahlreich. Es sind vorzugsweise Tabak, Bier, Branntwein und gewisse Stcmpclabgaben. Es wird wohl, wenn »»al» nicht einen einzelnen Erwerbszweig gar zu sehr mit Steuern bedrücken will, nichts übrig bleiben, als die Last ans die verschiedenen in Betracht kommenden Gegenstände zu vcrtheilcu. Dies liegt auch offenbar im Plan der Regier ung. Es finden hinsichtlich aller der genannten Steuergegen stände Erhebungen und gesetzgeberische Vorbereitungen statt, die bisher zu feststehenden Ergebnissen nicht geführt haben und jedenfalls auch erst in einem vorgerückteren Stadium der Rcichstagsscssiou zu Gesetzesvorlagen führen werden. Wir glauben gut unterrichtet zu fein, wenn wir aunehmen, daß überall nur Veränderungen der Steuersätze, ohne Umwälzung der Grundlagen der bestehenden Besteuerung, beabsichtigt sind. Insbesondere dürfte dies bei deu Verbrauchssteuern zutrefieii. So dürste beim Tabak nicht eine umwälzende Aendenmg des ganzen Steuersystems, sondern nur eine Erhöhung des Zolls und eine entsprechende Erhöhung der Steuer in Frage kommen; über die neuen Sätze, welche vorgeschlagen werden sollen, An gaben zu machen, ist heute noch verfrüht. Eine Abänderung der Branntwcmbcsteucrung dürfte in einer Minderung des den bevorzugten Brennereien gewährten Steuernachlasses, etwa von 20 auf 15 M., geplant sein. Anch eine etwaige Erhöhung der Brausteuer dürste sich in mäßigen Grenze» halten und das Rescrvatrecht der süddeutschen Staaten in keiner Weise an tasten. Wenn der Reichstag mit der Regierung zu einer Ver ständigung über das Militärgesctz kommt, wird er auch die Pflicht anerkennen müsse», ei»e genügende Vermehrung der Reichseinnahmen zu bewilligen. Weimar, 8. October. Heute, an; eigentlichen Jubcltage der goldenen Hochzeit des Großhcrzogs und der Großherzogin von Sachsen-Weimar fand Nachmittags 2>/„ Uhr in der glän zcnd geschmückten Schloßkapellc ein feierlicher Gottesdienst statt. Den Hvchzcitszug eröffneten die beiden Söhne des Erbgroß herzogs mit den drei Söhne» u»d der Tochter des Prinze» Heinrich VII. Reuß und der Prinzessin Marie. Es folgte der Erbgrvßhcrzog mit der Prinzefsin Reuß »nd der Herzogin Jo hann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, die Erbgroßhcrzogin mit Prinz Heinrich Vll. Reuß und dem Herzog Johann Albrecht. Den Enkelkindern und Schwiegerkindcrn folgten das Jubelpaar, der Großherzog und die Großherzogin, welch Letz
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