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Hohensteiner Tageblatt : 26.08.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189208266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-08
- Tag 1892-08-26
-
Monat
1892-08
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 26.08.1892
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dieselbe wolle sobald wie möglich eine Versammlung des Bezirkstages einbcrusen, die Aufhebung der am 28. Juni d. I. beschlossenen Bestimmungen, die Sonn- und FcsttagSruhe im Handelsgewerbe betr., beantragen und im Einvernehmen mit den Stadt-Räthen zu Glauchau, Meerane, Waldenburg, Hohenstein und Lichtenstein die bezüglichen Bestimmungen der König!. LmtShauptmannschast Chemnitz mit der Maßgabe ein- führen, daß für den Handel mit Materialwaaren außer den in den erwähnten Bestimmungen bemerkten beiden Morgenstunden die Zeit von 11—12 und 2—4 Uhr, für den Handel mit Delicatcßwaaren auch die Zeit von Abends 6 bis 8 Uhr frcigegeben werde Nach den Bestimmungen der Königl. Amtshauptmamischaft Chemnitz ist bei dem Handel mit Brod und weißen Backwaaren, bei dem Handel mit Fleisch und Fleischwaaren, sowie bei dem Handel mit Milch eine Geschäftszeit im Sommer von früh 6—8, im Wimer von 7—9, Mittags von 11-12 und Nachmittags von 6—8 Uhr, beim Handel mit sonstigen Eß- und Materialwaaren, Heizungs- und Beleuchlungsmaterial eine Ge schäftszeit im Sommer von 6—8 llhr, im Winter von 7—9 und 11—2 Uhr, bei allem übrigen Handel eine Geschäftszeit von 11 bis 4 Uhr festgesetzt. Aui meisten würde es allerdings den Wünschen der Handelsgewerbe treibenden entsprechen, wenn die geehrte Königl. Amtshauptmannschaft zu Glaucha» die Einführung der von der Königl. Kreishauptmannschaft Dresden erlassenen Bestimmungen über die Sonntagsruhe im Handels gewerbe bei der Königl. Kreishauptmannschaft Zwickau befürworten wollte. Nach derselben ist für einzelne Gewerbe eine über 5 Stunden hinaus- gehende Geschäftszeit nachgelassen worden. Nach Lage der Verhältnisse im amtshauptmannschaftlichen Bezirke Glaucha» erweisen sich die gegenwärtig geltenden Bestimmungen, nach denen von früh '/,7 bis ^9 Uhr und von Vormittags 11 bis Nach mittags 2, beziehungsweise 3 Uhr, öffentlich Handel getrieben werden darf, thcils als ungünstig, theils als ungenügend und daher überaus schädigend besonders für den Kleingewerbetreibenden. Bisher galten für diese die Somttagc als Hauptgeschäststage, da hauptsächlich an diesen Tagen die ländliche Bevölkerung sowohl, wie die Arbeiterbevölkerung die freie Zeit zu Einkäufen benutzen konnte. Das Hal mit der Ein führung der neuen Bestimmungen ausgehört, und damit ist eine erheb liche Einnahme für den Geschäftsmann ausgefallen. Die Annahme, daß die Einkäufe alsdann in der Woche bewerkstelligt werden würde», hat sich, wie die Erfahrung lehrt, als eine trügerische erwiesen. Der Ein- naymeaussall am Sonntag ist eine vollständige Einbuße geworden. Die Käufer, die am Sonntage am Einlaufen verhindert werden, entbehren theils die Kaufsartikcl, und es vermindert sich dementsprecheild der Consum — eine volkswirthschaftlich höchst ungünstige Erscheinung —, theils lausen sie beim Hausirer, so daß bereits eine wesentliche Zunahme des Hausirwesens seit Einführung der sogenannten „Sonntagsruhe" zu bemerken ist. Bis um 3 Uhr Nachmittags, das hat die Erfahrung ge lehrt, ist kein Geschäft zu machen, da die Landbevölkerung bis dahin nicht zur Stadt kommen kann und später überhaupt nicht mehr zur Stadt geht, sondern Befriedigung ihrer Bedürfnisse bei den Hausirern an den Wochentagen sucht. Das Gesetz arbeitet sonach direct dem Hausirhandel und durch das Verbot des Verkauss von Eßwaaren de» Gast- und Schankwirthcn in die Hände. Damit werden aber leider immer ungesundere Verhältnisse geschaffen, und das kann doch unmöglich die Absicht des Gesetzes sein. Als fernerer Grund ist anzuführe», daß in den angrenzenden Städten Gößnitz, Altenburg und Chemnitz die Geschäfte, abgesehen von den Materialwaaren, bis Nachmittags 4 Uhr offen halten dürfen und daß infolgedessen ein Theil der bisherigen ländlichen Kundschaft sich diesen Städten zumendet, um ihre Einkäufe zu besorgen. Im Allgemeinen sind die ehrerbietigst unterzeichneten Gcwcrbe- vereine der Ansicht, daß die neuen Gesetzesbestimmungen hemmend in zahlreiche achtungswerthe Gewerbebetriebe eingreisen und vielfach die Grundlagen, aus denen dieselben im Einklänge mit den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Bevölkerung sich entwickelt haben, verschieben, daß sie ferner Anlaß zu mannigfachen Umgehungen geben und einen großen Theil achtungswcrther Staatsbürger, welche bisher zu den festesten Stützen unseres Staatswesens und zu den kräftigsten Steuerzahlern ge rechnet wurde», verstimmen und wirthschastlich schwächen, daß sie den selbstständigen Gewerbetreibenden einen Schutz aufzwingen, den diese weder verlangt noch gewollt haben; daß überhaupt das ganze Gesetz ein Ein griff i» die wirthschaftliche Freiheit ist, der durch den Arbeitcrschutz in keiner Weise gerechtfertigt erscheint. In der Ueberzeugung, daß die hochgeehrte Königl. Amtshauptmann schaft zu Glauchau in Rücksicht aus die mannigfachen Schädigungen der selbstständigen Handeltreibenden eine baldige und wenn möglich u m- gehende Aenderung der Bestimmungen über die Sonntagsruhe im Sinne einer im Gesetze nachgelassenen weitestgehenden Ausdehnung der Geschäftszeit herbeisüyren werde, wiederholen die ehrbietigst unterzeich neten Gewerbevereine die im Anfänge ausgesprochene Bitte und zeichnen mit vollkommener Hochachtung und Ergebenheit Der Gewerbeverein zu Glauchau. Julius Möhler, Vorsteher. Der Gewerbeverein zu Meerane. Realschuldirector Bauer, Vorsteher. Der Gewerbsverein zu Walden burg. E. Kästner, Vorsteher. Der Gewcrbevcrein zu Ernstthal. Emil Layritz, Vorsteher. Der Gewerbeverein zu Hohenstein Julius Mehnert, Vorsteher. Tagesgcschichtc Deutsches Reich. Die ausführlichere Version der Rede deS Kaisers, welche die „Franks. Ztg." mitthcilt, wird von den Berliner Blättern, namentlich von denjenigen, deren Mittheilungcn dadurch corri- girt werden, vielfach aus eine beabsichtigte Eorrcctur der eigent lichen Ansprache zurückgeführt, aber schwerlich mit Recht. Die Mittheilung der „Franks. Zig." lautet: „Der Kaiser hat zu nächst im Anschluß an die Kritik über die Parade in sehr leb haften, nicht mlßzuverstehenden Worten sein Erstaunen ausge- drück', daß in letzter Zeit in steigendem Maße militärische Interna in die TageSprcsse gelangten, darunter solche, die rein theoretischer Natur sind, wie über die Schicßvcrsuche mit Ge- wehren neuen Kalibers. Besondeis mißbilligte er die Preß- erzeugnisse, die nur rein militärischen Federn entsprungen sein könnten und welche die geplante HeereSvermchrung sehr vcr- schicdcnfach beurtheilten, insbesondere aber weitgehende organi satorische Einschränkungen aus Ersparnißrücksichten bei einer etwaigen Einführung der zweijährigen Dienstzeit als möglich eröltern. Derartige Erölterungen über eine Militärvorlage, der er noch gar nicht zugestimmt habe, gehörten ins Gebiet der Phantasie. Die zweijährige Dienstzeit erscheine weiten Kreisen als eine zeitgemäße Einrichtung; sie sei aber ohne Gewährung ganz besonderer Gegenleistungen nicht denkbar. Sollte etwa die Mehrheit deS Reichstages nicht patriotisch ge nug sein, mit einer Vorlage, die auf der zweijährigen Dienst zeit beruht, gleichzeitig die erwähnten nothwcndigen Ergänzungen derselben zu bewilligen, dann erkläre er, daß ihm immer noch eine kleine, gut disciplinirte Armee lieber sei als ein großer Haufe." Wir haben den Wortlaut milgctheilt, damit unsere Leser sich davon überzeugen können, daß diese neue Version im Grunde nur eine dctaillirtere und erweiterte Wiederholung unserer schon gebrachten Nachricht ist, in der bereits hcivor- gchobcn wurde, daß der Kaiser gar nicht die Absicht gehabt habe, sich principicll gegen die zweijährige Dienst- zeit auszusprechen. Mag man im übrigen über die Folger ungen der Rede denken, wie man will, dieser Punkt wäre zweifellos der bedeutsamste, was die „Kreuz-Zeitung" in- dircct bestätigt, indem sie sich in völliges Schweigen hüllt ledigl ch weil sie begreiflicher Weise nicht dos Bcdürfniß fühlt, öffentlich darauf aufmerksam zu machen, daß die „unpopulären militärischen Betrachtungen" in der Hauptsache erfolglos ge blieben sind. Nach dem Bericht der „Franks. Ztg." hat der Kaiser ausdrücklich darauf hingcwiesen, daß er die ausge- arbeilete Vorlage noch nicht gutgeheißen habe. Das war am 18. d. M. Jedenfalls hat er aber dafür gesorgt, daß, wenn die Vorlage in der nächsten Session nicht kommt, daS nicht als Beweis dafür auszusassen ist, daß die Regierung die zwei jährige Dienstzeit ablehnt. Die Sache soll also, wie eS scheint, in der Schwebe bleiben, und die Ausführung, daß eventuell eine kleine, gut disciplinirte Armee einem „großen Hausen" vorzuziehen sei, hat wohl nur den Zweck, den Befürwortern der zweijährigen Dienstzeit begreiflich zu machen, daß dieses Zugc- ständniß zu billigerem Preise, als der in der Caprivischen Vor lage bezeichnete, auch künftig nicht zu haben ist. Weitgehende organisatorische Einschränkungen bei einer etwaigen Einführung der zweizährigen Dienstzeit lehnt die Rede schon im voraus ab. AuS dem ganzen Zusammenhang der Rede geht übrigen« her vor, daß diejenigen auf falscher Fährte sind, die eine Militär vorlage ohne zweijährige Dienstzeit ankündigteo. Daß eine solche Vorlage, die also lediglich auf eine Erhöhung der Friedens- präsenzziffer hinausliefe, in diesem Reichstage aussichtslos sein würde, liegt auf der Hand. In der Hauptsache laufen also die getroffenen Entscheidungen auf eine Vertagung der ganzen Frage hinaus. Bemerkenswerth ist, daß die Rede deS Kaisers auch von der ausländischen Presse noch lebhaft besprochen wird. Die Ansichten der „Time-" sind Vielen bereits bekannt. Einem Artikel des Londoner „Standard" wird Folgendes ent nommen: „Der Kaiser wird nach Bcrathung mit seinen er fahrensten Generälen, nachdem er alle in Betracht kommenden Factoren gründlich erwogen hat, zu entscheiden haben, welche An- ordnungen dem Reiche die größte nationale Sicherheit und die größte nationale Macht verleihen können. Die Lösung der Frage wird, wenn die Zeit gekommen ist, mit tieferem Interesse verfolgt werden, nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Lande, welches durch Störungen deS europäischen Gleichgewichts berührt werden könnte. Eines ist klar, daß bei diesen sich überbietenden verschwenderischen Ausgaben der verschiedenen Länder für militärische Zwecke das reichste Land gewinnen muß. Das reichste ist Frankreich, und es steht außer Zweifel, daß Deutschland bei der Concurrenz mit seinem reichen Nachbar die Hände stark gebunden sind. Die Geldhülfkq icllen Frankreichs sind thatsächlich unerschöpflich und werden uuf die Armee mit freudiger Verschwendungssucht verwandt. „Abgesehen von Dltciplin und Kriegstüchtigkeit" ist die militärische Streitmacht Frankreichs gegenwärtig der Deutschlands überlegen. Rußland ist ein furchtbarer militärischer Gegner, obgleich es nicht reich ist in dem Sinne, wie Frankreich. Der Czar kann aber eine große Armee halten zu viel geringeren Kosten als Deutschland, und er gewährt sich sicher den Luxus. Die Verbündeten Deutsch lands sind nicht so reich als Frankreich, und weniger barbarisch als Rußland. Es ist zweifelhaft, ob einer von ihnen im Lauf der Z.it stärker wird. Sie scheinen beide den Höhepunkt ihrer Wehrkraft erreicht zu haben und fallen fortwährend der Ver suchung anheim, sie zu beschneiden. Mehrere Jahre hindurch haben Oesterreich und Italien kräftig das Ihrige zur Macht des Dreibundes beigetragen. Es ist kein angenehmer Gedanke für sie, sich sagen zu müssen, daß die Last noch größer werden muß, wenn daS Sicherheitsventil wirksam bleiben soll. Leider hat kein praktischer Politiker ein Mittel angegeben, diesen un befriedigenden Zustand der Dinge zu ändern. Deutschland scheint sich gefaßt zu lügen, als ob es sich um einen „Schick- salsschluß" handelte, welcher sich ebenso wenig ändern läßt, wie das Glavitationsgcsetz. Man nimmt manchmal an, daß die Herrscher Gefallen fänden an einer großen Armee, und bis zu gewissem Grade mag es wahr sein. Aber es wäre unbe greiflich, wenn der deutsche Kaiser nicht mit einem kleineren Heere zufrieden sein sollte, wenn er es wagen dürste, die Stäike des gegenwärtigen zu reduciren. Trotzdem ist er gezwungen, an Mittel zur Vergrößerung desselben zu denken." Es ist in dieser Kundgebung manches enthalten, was dem genauen Kenner der in Rede stehenden Verhältnisse ein Lächeln abnöthigen wird. Dahin gehört der Glaube an die „unerschöpflichen Geldhülfsqucllen Frankreichs" und die Ucberlegenheit der französischen Armee „abgesehen von Dikciplin und KriegStüchtizkcit". Ja, worin ist denn diese Armee der deutschen überlegen? Die Beantwortung dieser Frage dürfte dem „Standard" etwas Kopfzerbrechen verursachen. Wir müssen uns schon damit trösten, daß nach dem Zeugniß deS conservativcn englischen Blattes die deutsche Armee der französischen an KriegSlüchtigkeit überlegen ist. Mehr verlangt man in Deutschland gar nicht, und so werden wir über den „Schicksalrschlutz" wohl auch ganz gut hinwegkommen. Der russische „Nowoje Wrcmja" betrachtet die Rede des Kaisers lediglich vom politischen Standpunkte und bezeichnet sie al« ein bedeutungsvolles Ereigniß, welches nicht allein in deut schen Armeckreisen, sondern von dem gesummten Europa freudig begrüßt werde, weil daraus hervorgehe, daß der deutsche Kaiser eine Vergrößerung der Armee nicht für unbedingt erforderlich halte. Aus jenem Ausspruch sei auch zu schließen, daß die Regierung nicht mit neuen Forderungen für das Heerwesen vor den Reichstag treten werde. Bei gleichzeitiger Hervor hebung der Nachricht, daß durch solche Entschließung Kaiser Wilhelms die Stellung des Grafen Caprivi erschüttert sein dürfte, macht sich dar russische Blatt dieselbe zu eigen. Es gebe bereits eine Menge Anzeichen dafür, und ganz besonders, so meine man in Berlin, werde ihm der Vorwurf gemacht, daß er die Schuld an der oppositionellen Stellung des Fürsten BiSmarck trage. Damit das Reich in solchem Falle nicht ohne Kanzler bleibe, hat die „Naw. Wr." zwei Candidaten. Aus Berlin wird ihr Graf Eulenburg, aus Wien dagegen Graf Hatzfeldt genannt und zugleich berichtet, der „Kaiser sei zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Kanzlerpostcn nicht wohl mit einem General, sondern mit einem Diplomaten besetzt werden müsse. Graf Caprivi sei zu einem bedeutenden militärischen Posten bestimmt." Das ist gar viel deS Neuen, was dar panslavistische Blatt zu berichten weiß. Der dem Grafen Ca privi gemachte Vorwurf in Bezug auf d,e oppositionelle Stell ung deS Füisten BiSmarck wird voraussichtlich in Berlin Be achtung finden. Uns erscheint Vie Quelle, aus der das russische Blatt geschöpft hat, etwas unlauter, weshalb wir von dieser Aeußerung nur referircnd Notiz nehmen. Dem amtlichen „Dnicwnik Warszawskij" wird au« Peters burg gemeldet: „Bei den Verhandlungen betreffs der russisch- deutschen Zollübercinkunst verlangt Rußland außer der Aus hebung der Differentialzölle auf Getreide auch die Ermäßigung des Zolles auf russisches Naphtha, die Aufhebung der Diffe rentialzölle auf russische Forstproductc und fernere Zollfrecheit von Flachs und Hanf." Die „Nordd. «llg. Ztg." schreibt zur Sonntagsruhe im Handclsgewerbc: „Wenn in kleinen Städten, deren umliegende ländliche Bevölkerung von Alters her gewohnt ist, am Sonn tag Nachmittag ihre Einkäufe in der Stadt zu besorgen, genau ebenso mit der Durchführung der Sonnlagsbestimmungen ver fahren wird wie in großen, so wird der socialpolittsche Zwcck des Gesetzes leicht in sein Gegcntheil verkehrt. Deon die Land- lcute werden entweder in Folge dessen ihre Einkäufe lieber beim Hausirer bewirke», oder, wie eS in den Grenzgebieten neuerdings zur Ausnahme kommt, sich dahin wenden, wo «ine andere Handhabung der SonotagSbestimmuagen stattfiodet und eine größere Rücksicht auf die vielleicht nicht immer besten, nichts destoweniger aber einmal eingelebten Gewohnheiten der Bevölkerung genommen wird. Hier eine größere Freiheit der verschiedenen Nachgeordneten Behörden Platz greifen zu lassen und nicht daran festzuhalteu, daß in einem Regierungsbezirke durchweg nach einem bestimmten Schema verfahren werde, liegt im allgemeinen Interesse. Deon die größere Sonotagtruhe, wie sie vom Gesetzgeber herbeizuführen bezweckt ist, wird um so leichter zur Anerkennung aller Volkskreise gelangen, je weniger rigoros man bei der Durchführung der Bestimmungen im Einzelnen verfährt. Demnächst aber ist noch ein gar nicht wenig wichtiger Punkt der, daß Alles vermieden werde, waL auch nur entfernt einen denunciatorischen oder vexatorischen Charakter haben könnte. DaS Eindringen von Beamten in Geschäftsräume oder Bureaux am Sonntag wird, wenn kein greifbarer Anlaß vorliegt, das Auge des Gesetzes zu beleidigen, nur das Gegcntheil von dem bezwecken, waS der Gesetzgeber wollte, indem er einen bedeutsamen Schritt auf dem Wege that, der Nation ihren Sonntag zu erhalten. Ja die Verfüg ung de« Einzelnen über seinen Sonntag eingreifen zu wollen, so lange eine eclatante Verletzung der Sonntagsbestimmungen nicht zu Tage tritt, würde nur böses Blut machen und die Erreichung dessen, was als Ziel gelten darf, statt erleichtern, nur erschweren." Berlin, 24 August. Die Nachrichten über die Cholera in Hamburg verursachten an der heutigen Börse auf allen Ge bieten Coursrückgä'.ige. Es war das Gerücht verbreitet, daß die Hamburger Börse geschlossen sei. Am Telegraphenamt in der Berliner Börse war indessen ein Aushang angebracht, daß die Gerüchte von der Schließung unbestätigt seien. Im Laufe der Börse wurde das Gerücht von der Schließung der Ham burger Börse durch das Tclcgraphenamt als falsch bezeichnet. Telegramme von der hiesigen Börse nach auswärts, in denen die angebliche Schließung der Hamburger Börse weiter gemeldet werden sollte, wurden vom Telegraphenamt nicht zugelassen. Schweiz. Der vierte Weltfriedenscoogreß in Bern wurde im Na- tionalrathssaale durch BundcSrath Ruchoonet eröffnet. Im Namen »der Stadt und des Bundesrathes hieß er die Gäste willkommen. Wenn auch der Empfang an äußerem Glanze hinter demjenigen zurückitche, welchen die Städte der drei ersten Congresse hätte bieten können, so sei der Gruß, den die Schweiz und speciell Bern darbringe, doch nicht weniger herzlich. Die Bevölkerung sympathisire mit den Bestrebungen der FriedcnS- liga und sei überzeugt von der Energie und Ausdauer, mit welcher der Kongreß sich seiner Aufgabe entledigen werde. Der Redner sprach von der Entstehung der Schweiz und der Gründungsfeier des letzten Jahres. Er wies mit Genugthuung darauf hin, daß es gerade unser kleines Land war, dem die internationalen Bureaux anvertraut wurden. Zu den Bestreb ungen der FricdenSliga übergehend und die schwere Stellung der Friedensfreunde, welche als Utopisten verschrieen würden,. betonend, erwähnte der Redner, daß durch die Erledigung der Alabamastreitigkeit im Princip die Institution deS Schieds gerichtes längst anerkannt sei. Von den Programmpunktea hob Ruchonnct gerade die Frage der Einsetzung internationaler Schiedsgerichte hervor. Mit dem Appell, den Glauben an den endlichen Sieg der Sache nie sinken zu lassen, eingedenk, daß, was heute nicht erreicht werden könne, morgen erreicht werde, fchloß der Redner sein Eröffnuuzswort. Die schlichte, aller Phrase baare Rede wurde mit großem Beifall ausgenommen. An die durch Krankheit an der Theilnahme verhinderten Fre- deric Pasiy von Paris, Bonghi von Rom und Hogson Pratt von London wurden Sympathietclegramme gesandt. Es folgten nun die Reden der vertretenen Länder und Gesellschaften. Als erster sprach für Deutschland Dr. Richter von Pforzheim, welcher versicherte, daß die Bestrebungen der Liga auch in Deutschland allmählich Aufnahme gefunden. Vor allem sei e« die Bolkspartei, welche mit den Tendenzen der FricdenSliga sympathisire. Als Erfolg der Bestrebungen bezeichnete Richler die schiedsrichterliche Llausel in den Handelsverträgen. Für England überbrachte Felix Moschels von London den Gcuß. Baronin von Suttner trat als Vertreterin Oesterreich-Ungarns aufi über die Fortschritte der Bewegung in ihrer Heimaty re- fcrirend. Ferner sprachen die Vertreter von Belgien (Advocat La Fontaine), Dänemark (Fr. Baxer), Amerika (Frau Lock wood), Frankreich (Montluc), Rumänien (Eliescu) rc. — Der Kongreß erklärte bei der Bcrathung der Satzungen Bern zum bleibenden Sitz des Internationalen Friedcnsverbandburcaus und genehmigte den Antrag der Schweizer Scction aus Erlaß eines Aufrufes an die Regierungen der civilisirteu Völker um G Währung der Mittel für den Unterhalt des Bureaus. Bern, 24. August. Weltfriedenscongceß. Die Deutschen haben sich unter dem Vorsitz von Mox Wirth (Frankfurt a. M) zu einer besonderen Gruppe organistrt und die Publication eines Aufrufs zur Bildung von Friedcntvereinen in Deutsch land beschlossen. Die DiScussion über die Schiedsgerichte wurde fortgesetzt. Die Ansichten der Antragsteller gingen weit aus einander. Die Engländer verlangten die Ueberweisung an eine Commission, die Antragsteller an den nächsten Congrcß, die Franzosen die sofortige Entscheidung, wenigstens über die Frage der Durchführung der Schiedsgerichtssplüche. Frankreich. Paris, 23. August. Der Berichterstatter des „Figaro" setzte seine Erquete in Bulgarien fort. Nach Stambulow hat er jetzt den Fürsten von Bulgarien selbst und die Minister Naichowitsch und Grccow interviewt. Den Fürsten hat er eigentlich nicht interviewt, sondern dieser hat ihm eine Audienz bewilligt. Ec hat sich mit dem Fürsten im Garten seines Palais zwei Stunden unterhalten und dieser hat ihm gestattet, wenigstens den „Sinn", d. h. ein Rösumö seiner Aeußcrungen dem großen Publikum mitzutheilen. Der Fürst hat sich vor Allem sehr lebhaft gegen die Anschuldigung vertheidigl, daß er der Verantwortlichkeit iür die letzten Hinrichtungen durch seine Abwesenheit von Sofia auSgcwichcn sei. Er wußte nicht, daß dar Urtheil in seiner Abwesenheit gefällt würde. Er hatte die Regentschaft Stambulow anvertraut, eS war also kein Grund vorhanden, die Hinrichtung biS zu seiner Rückkehr auf zuschieben. Der Fürst sagt', daß man ihm s. Z, bei der Hin richtung Panitza's denselben Vorwurf gemacht habe, obgleich dar Todesurthcil von ihm unterzeichnet war. Er hätte auch das Uctheil des Kriegsgerichts im letzten Monat ratrficirt und billige es ohne Vorbehalt. Was seine Beziehungen zu Stam- bulvw anbetrifft, versicherte der Fürst, daß zwischen ihnen absolutes Einverständniß fast bezüglich aller Fragen bestehe; , „die, welche ihn angreifen (und hier hatte er besonder» die französische Presse im Auge) verletzen mich, weil sie in
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