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Hohensteiner Tageblatt : 04.08.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189208045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920804
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920804
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-08
- Tag 1892-08-04
-
Monat
1892-08
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 04.08.1892
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Regensburger ArbeitcruntelstützungSvereiuS, gab einen sehr ausführlichen Plau wie die Gründung einer katholischen Arbeitervereins vorzunehmen sei." Wie die Missionare zuerst materielle Wohlthaten erweisen, „so müßte auch in Arbeiter vereinen damit der Grund gelegt werden." Sehr bemcrkens- werth ist, daß gleichzeitig mit der Generalversammlung der Katholiken in Mainz auch eine besondere Versammlung der Präsides der katholischen Gesellenvereine stattfinden wird. Auch der dritte allgemeine österreichische Katholikentag, der vom 7. bis 10. August iu Linz a. D. tagen wird, dürfte sich in ganz hervorragender Weise mit der socialen Frage beschäftigen. Von der Linzer Versammlung werden unter dem Vorsitz der Cardinal« fürstbischofs Dr. Gruscha die Präsides der katholischen Gesellen vereine Oesterreichs zu längeren Berathungen versammelt sein; das Vorgehen des Centrums gegen die Socialdemokratie voll zieht sich, wie man sicht, auf der ganzen Linie. In den Kreisen der deutschen Templercolonien wird da rüber geklagt, daß seit einiger Zeit die türkischen Behörden bei jedem Besitzwechscl die schriftliche Verpflichtung widern, daß der neue Eigenthümcr am seinem Platze keine Kirche, kein Kloster, keine Schule, kein Krankenhaus oder kein ähnlicher öffentliches Gebäude errichte. Ein solches Mißtrauen mag gegenüber den Franzosen und Jesuiten mit ihren geheimen Bestrebungen begründet sein — von den deutschen Templern hat die P'orte politische oder kirchliche Gefahren wahrlich nicht zu befürchten. Belgien. Bei dem Sessionsschluffe des Brabanter ProvinzialrathS rieten vorgestern die Liberalen, anstatt in das Hoch auf den König emzustimmcn: „Es lebe das allgemeine Stimmrecht!" Daß solche Kundgebungen zu Gunsten des allgemeinen Stimm- rechrs in den maßgebenden Kreisen kein ernstes Gehör finden, beweisen aufs neue die von beiden Kammern vorgenommenen Wahlen für die zur Vorderachunz der Vcrfassangsrevision niedergesetzten Ausschüsse. Di- klerikale Kammernchce schloß nicht nur den Hauptanhängcr des allgemeinen Stimmrechts, den Dcputirten Nothomb, von ihrer vertraulichen Vorberathung auS, sondern entsandte zwölf Gegner dieses Stimmrechts, unter ihnen den Heißfpron R^remühier Woeste in den Ausschuß. Die Kammerlinke wählte vier Anhänger, unter ihnen den Deputmen Janson und vier Gegner dieses Stimmrechts, unter den letzteren die Führer der Docirinär-Liberalen, die Dcputirten F'erc-Orban und Graux zu AuSschußmitglicdein. Die Rechte des Senats wählte elf Gegner und einen Anhänger, die Linke vier Gegner und vier Anhänger des allgemeine Stimmrechts in den Scnatsausschaß. Die Präsidenten des Senats und der Deputirtenkammer führen den Vorsitz in den Ausschüssen, welche getrennt tagen, aber theilS o'ficiös, therls durch die Minister sich gegenseitig verständigen werden. Alle Provinzen und alle Parteirichtungen mit Ausnahme der Socialisten sind in ihnen vertreten, doch sind die meisten klerikalen AuSschußmitqUcder entschiedene Gegner der von dem Könige und von der Reaie- rung gewünschten umfangreichen Reformen. Nach der Ansicht der Regierung und der leitenden Kreise sind mindestens zwei Jahre erforderlich, um die Berfassung-revision, Vie neuen orga nischen Gesetze und die neuen Wählerlisten zum Abschlusse zu bringen, so vaß erst im Jahre 1894 Neuwahlen mit dem er weiterten Stimmrechte statlhaben sollen. DaS ist sehr vortheil hast für die herrschenden Klassen; ob aber nicht dem Volke bis dahin die Geduld reißen wird und dem Zaudern ein Ende mit Schrecken bereitet werden wird, ist erst noch abzuwarteo. Inzwischen hat sich der neue Plan der Arbeiterpartei, Arm in Arm mit den katholischen Arbeitern und Demokraten das all gemeine Stimmrecht zu erstrciten, schon wieder zerschlagen, DaS katholische Arbeiterhaus und die gesammte katholische Presse erweisen jedes Zusammengehen mit der socialistischen Arbeiterpartei entschieden von sich, da es wohl demokratisch, aber nicht socialistisch gesinnte Katholiken in Belgien gebe. Da der Köaig heute die Kockcrill'schen Werke in der Arbeiterstadt Scraing besucht, so fordern die socialistischen Blätter die Ar beiter auf, den Köaig mit den Rusen zu empfangen: „Er lebe dar allgemeine Stimmrecht! Es lebe die Amnestie." Hoffeuilich ist die Arbeiterpartei in der Stimmrcchtsfrage glück licher als iu dem Versuche, den Betrieb einer Zeche nur durch Arbeiter mit Arbeiter kapitalicn und unter Anwendung der socialistischen Grundsätze iu Betreff der Löhne und Arbeitszeit iu das Werk zu setzen. DaS Unternehmen ist vollständig gescheitert. Die Gesellschaft „La Uiüo aux NiueurD," welche die Zeche „Lelle et Lonne" auSbeutcn sollte, hat sich aufgelöst, und die Administratoren liegen sich rn den Haaren, so daß das Unternehmen mit einem Proteste seinen Abschluß findet. UeberdieS haben die Bergarbeiter, welche die Förderung begonnen hatten, keinen Lohn erhalten und die joxlalistischeu Berwaltungsräthe verklagt. DaS Unter nehmen ist somit schmählich zujammcugcbrochen. In Gram- mom sind alle Zündhölzchen. Fabriken geschlossen, da die Arbeiter und Aldeltcrmncn die bcdcutcndcu Lohnkürzungen nicht annchmeu wollten. Da die Arbeiter sehr erregt find, bewachen Gendarmerie und Truppen die Fabriken. England. London, 2. August. Obgleich zwischen Osborne und Helgo land viele Telegramme gewechselt wuiden, ist b-S jchr über , daS Programm für den Aufenthalt des Kaisers in Cowes nicht- bekannt. Der Kaiser selbst ließ gestern die Bemerkung salleu: „Ich habe kein Programm und wünsche absolut frei zu seru." Der Besuch soll eben streng privat bleiben, daher fiel gestern auch die Ehrenwache auf der Landungsbrücke weg, obgleich aui der Fahrt nach Schloß Osborne eine Abtheilung Schützen Spalier bildete. Die Königin hatte dem Kaiser an Bord des KaiserpdlerS einen Willkommbrief geschickt. Dem allgemeinen Urtheile nach sahen sowohl der Kaiser wie Prinz Heinrich sehr wohl aus. Sie sind wettergebräunt. Nach der AnkuMl vertauschte der Kaiser die britische Admiral^umform mit der deutschen Marine-Uniform und besichtigte daS Schul schiff Moltke, wobei er dem Commandanten Baron Erhardt den Kronen-Orden 3. Klasse verlieh. Bei der Landmig be gleiteten ihn General v. Wittich, Capitän Frhr. v. Söüden- Bibran und Capitänlieulenant v. Basse. Abends fand im indischen Saale des Schlosses ein Mahl statt, wozu die Königin den Grafen Hatzfeldt ungeladen hatte. Heute wird die kaiser liche Dacht Meteor an der Regatta theilnehmen. Cowes, 2. August Die Wettfahrt Hal eben begonnen. Sieben Igchten sind betheiligt. ES herrscht gänzliche Wind stille, daher hat der , „Meteor", an dessen Bord sich der Kaiser befindet, älS eines der"größeren Fahrzeuge, weniger Chancen zu. gewinnen, «IS bei gutem Winde. Bei dem Cours von 50 Meilen ist daher, wenn nicht mehr Wind sich cinstcllt, ein Re sultat erst spät Abends zu erwarten. Vermischtes. Potsdam, 31. Juli. Vor der Abreise der Kaisers nach England traf hier noch eine Sendung von Walfischrippen und Wirbelknochen ein, welche von dem größten der Thiere her rühren, die auf dem Walfange erlegt wurden, dem der Kaiser auf der NordlandSreise beiwohnte. Die Jagdtrophäen wurden in einem königlichen Marstallwageo nach dem Marmorpalais gebracht, um zuerst der Kaiserin vorgezeigt zu werden. Dano sollen sie später im Grottensaal der Neuen Palais oder in einer der Grotten des Parks von Sanssouci ausbewahrt werden. Mainz, 2. August. In Gegenwart der gesummten hie sigen Generalität wurde heute Nacht anläßlich der gegen wärtig hier statlfindeoden großen Pionierübungen ein erster Sturmangriff auf die Festung Mainz ausgesührt. Gleich nach Einbruch der Dunkelheit begannen 5 Pionierbataillone mit dem Aushcben von Parallelen und Mincogängen. Der Verthei- diger ließ vom Fort Rheinthor aus elektrische Scheinwerfer spielen und Leuchtkugeln steigen, die die ganze Angriffslinie in das hellste Licht setzten. Kurz nach 2 Uhr erfolgte eine furchtbare Detonation durch Entzünden der ersten Mine; eine Viertelstunde später sprang die zweite Mine in die Luft und der Weg war für die Stürmenden geebnet. DaS aobrechende Tageslicht setzte den weiteren Operationen ein Ziel. Halberstadt, 1. August. Hier ist der Utzte Lützower, Zacharias Werner, gestorben, dtssen hunderljährigcr Geburtstag am 12. Ociober voriges Jahr unter großartiger Theilnahme gefeiert wurde. Die Ausstellung des Kanonen-Königs Krupp zu Chicago wird einen Kostenau wrnd von 1500000 Dollars erheischen. Ja der Abcherlung wird das größte bisher iabricirte Geschütz, >m Gewicht von 122 Tonnen, sowie Kriegsmaterial im Gewicht von mehreren hundert Tonnen zu sehen sein. Mannheim, 2. August. Das badische Oberland wurde gestern von einem starken Erdbeben hermgesucht, das mehrere Minuten anhielt und die Häuser erbeben ließ. Oppeln, 1. August. Im Grenzort Sosnowice sollen sechs Cholerafälle 'estzestellt worven sein. Eine Verfügung der Re gierung untersagt den Reisenden, die aus Rußland kommen, die Einbringung von Reisegepäck. Sämmtliche Fabriken, Gruben und Hüttenwerke des russischen Grenzbeziikes errichten Cholerabaracken. Rouen, 2. August. Achtundzwanzig jugendliche Gefangene revoltinen im Gefängnisse und erstachen, den Obcrausjeher, zertrümmerten Alles und versuchten die Umfassungsmauern zu durchbrechen. Bei Eintiiffen einer Compagnie Infanterie ver- barrikadrrten sie sich in den Werkstätten und versuchten Feuer anzulegen, schließlich wurden sie überwältigt und in die Jjolir- zellco gesperrt. Paris, 1. August. Gestern wurden in Clichy zwei neue Cholerasälle fcstgestellt, von denen einer tödtlich verlies. Hier zählt man fünfzig Typhussälle. — Seit gestern sind sämmt liche Wälder in Tlemceu in Algerien in Brand gegangen. Tante Marie. Erzählung von Ivar Ring. Autorisirte Uebersetzung aus dem Dänischen von Ernst Brausewetter. 3. Fortsetzung und Schluß. „Marie, du liebes Kind, der Herr schickt dich," sagte sie ständig weinend und hob das Kind auf ihren Schoß. Die Mutter, welche die Kleine geschickt hatte, als sie Frau Hirsch so traurig sah, hatte sich hinter einem Busch versteckt. Marie sah sich ängstlich um, und erst als sie wieder die Mutter erblickte, klopfte sie Frau Hirsch auf die erglühenden Wangen und sagte selbst fast weinend: „Nicht weinen, nicht weinen!" Frau Holböl trat hervor, aber ehe sie noch ein Wort gesagt hatte, erhob sich Frau Hirsch, ständig die kleine Marie in ihren Armen haltend, und sagte: „Es ist ein liebes Kind, was sie da haben, Frau Holböl, Sie müssen Sie mir hier und da einmal überlassen, ich bin so allein!" Sic sprachen nicht viel, aber jede von ihnen hielt die kleine Marie an der Hand, sie bildete daS Baud zwischen ihnen. Holböls Grab war weiter oben auf dem Kirchhof, eS hatte keinen kostbaren Denkstein, aber seine Frau pflegte es mit eigenen Händen. Hier war es nur der Tod, welcher die Eheleute geschieden hatte, keine bittere Enttäuschung lag zwischen ihnen, die Mutter würde daS Kind lehren, daS Gedächtniß seines Vaters zu lieben. Als sie den Kirchhof verließen, war daS kleine Mädchen müde — sie streckte der Mutter die Aermchen entgegen und sagte: '„Mama, tragen!" Die Mutter schüttelte den Kopf und faßte sie ein wenig fester am Arm, Marie machte sich frei und strecket die Hand gegen Frau Hlisch aus und wiederholte: „Tragen!" Ohne sich zu bedenken, nahm sie die Kleine auf den Arm, und da im selben Augenblick eine Droschke vorbeifuhr, winkte sie dem Kutscher und sie stiegen ein. Sie setzte die kleine Marie auf ihren Schooß, aber hier fand das kleine Kind keine Ruhe, und einen Augenblick später kroch es zur Mutter hin und drückte sie fest an sich. Frau Hirsch rückte ein wenig zur Seite, es schmerzte sic, daß das Kind sie verließ, gerade jetzt, da sie gut gegen sie gewesen, und sie legten den Rest der Weges stumm zurück. Als Frau Hirsch ihre Wohnung betrat, empfand sie die Ein samkeit noch drückender, und sie wurde förmlich froh, als es klingelte und ihr Mädchen vom Hospital heimkehrte. ? Gegen Abend, als sie in das Eßzimmer hincinkam und den Theetisch gemüthlich gedeckt fand, überschlich Sie ein ge- müthliches Wohlbehagen, und sie sprach sreundlich mit dem Mädchen und ließ eS erzählen, was dasselbe während ihrer Krankheit durchgemacht hatte. An diesem Abend lag Frau Hirsch lange wach und viele Gedanken kehrten bei ihr ein, aber die nagende Bitterkeit, welche in der langen Trauerzcit ihre schlimmste Plage gewesen, war verschwunden, und als sie, wie gewöhnlich, ihre Hände faltete und ihr „Vater unser" betete, da stockte sie nicht bei den Worten: „wie auch wir vergeben unsern Schuldigem" — sondern machte erst, nachdem die Worte ausgesprochen waren, eine kleine Pause, als überdachte sie, was sie ausgesprochen hatte, und wieder holte dann aus vollem Herzen: „Ja, vcrgicb uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigen." Frau Holböl fühlte, hier gab eS eine Mission für sie; in ihrer Nähe befand sich ein Mensch, der unter schweren Ent täuschungen gelitten, der aber nach Liebe schmachtete — eines Kindes Liebe, die Arme sollte sich nicht vergebens sehnen. Noch am selben Abend, als Frau Holböl vom Kirchhof heimgckchrt war, sagte sie, während sie das kleine Mädchen auszog: „Die liebe Dame, welche Mariechen aus den Arm nimmt und sie im Wagen mit Hottopferdchcn fahren läßt, mußt du sehr lieb haben, sie hat kein Töchterchen. Du mußt sie streicheln und ihr deine kleinen Künste zeigen." Am nächsten Morgen klingelte eS wieder an Mariens Thür. Frau Hirsch wartete nicht auf das Mädchen, sondern öffnete selbst; draußen vor der Thür stand die kleine Marie mit ihrem Spielzeug in der Hand, und die Mutter eilte die Treppe hinauf. „Ich will dir mein Bae-Lamm zeigen, denn du hast kein Mariechen." Frau Hirsch unterdrückte das stürmische Gefühl von Liebe, mit dem die Kleine zu überschütten sie sich gedrängt sühlte; sie fürchtete, sie zu erschrecken und faßte Marie ruhig bei der Hand, um sie in die Stube hineinzuführeo, und es gelang ihr, das Kind zu amüsircn und seine Gedanken von der Mutter abzu- lcnken. Sie ließ Spielzeug und Kuchen holen, und als ihr kleiner Gast heim wollte, suchte sie sie nicht zmückzuhalten. Tag für Tag wiederholte die Kleine ihren Besuch. Frau Hirsch bemühte sich, ihre Liebe zu gewinnen, sie überhäufte sic mit allem, von dem sie nur denken konnte, daß eS ein Kind zu erfreuen vermöchte, aber wenn sie eine Weile dagewesen war, halfen alle Herrlichkeiten nichts, Marie wollte zu ihrer Mutter hinauf. Frau Hirschs Freude und Glück lag in des kleinen Mäd chens Hand; sie konnte es nicht mehr entbehren, sah aber ein, daß sie, wenn sie das Kind haben wollte, auch die Mutter zu sich nehmen mußte. Eines Tages ging sie zu Frau Holböl hinauf und schlug ihr vor, die Führung ihres Haushaltes zu übernehmen. Sie sollte die kleine Marie mitnehmen und — das Kind sollte rhucn beiden gehöre. « Frau Halböl ging aus dieser Arrangement nicht gerade mit frohem Herzen ein, sie fühlte, daß die Zukunft ihrem stillen Leben viele Kämpfe bringen würde; aber sie selbst vermochte ihrem Kinde nichts andres als Lieve zu geben, und starb sie, so stand ihr Liebling allein in der Welt — und zu gleicher Zeit konnte sie vielleicht eine Seele davor erretten, sich in Bitterkeit und Bangen zu verlieren. Schweren Herzens verließ sie ihr armes Heim. Frau Hirsch hatte dicht neben ihrem eigenen Schlafzimmer eine Stube für sie eingerichtet; nichts war gespart, olles war gemüthlich und nett, aber vergebens sah die Mutter sich nach dem Kiuder- bettchen um — dasselbe stand neben Frau Hirschs Bett. An diesem Abend weinte die kleine Marie sich in Schlaf, und die Mutter lag die ganze Nacht wach und lauschte; — wie unglücklich und arm kam sie sich ohne ihr Kind vor. Am nächsten Tage wurde beschlossen, daß die kleine Marie Frau Hirsch „Mutter" und Frau Holböl „Mama" nennen sollte. Wie schwer eS dem Kinde fiel, das zu lernen. Jeden Tag hatte Frau Hirsch eine neue Ueberraschung sür das kleine Mädchen, aber das Kind kam ihr keinen Schritt näher und blieb still und verschlossen; erst wenn ihre Mama hincinkam, stürmte sie ihr entgegen und jubelte vor Freude. „Es gehört Zeit dazu," dachte Frau Hirsch und umgab die kleine Marie mit Liebe und überhäufte sic mit Gaben; aber alles half nichts — das Herz des Kinder hing nur an seiner Mutter. DaS Zusammenleben, welches Frau Hirsch hätte Freude bereiten sollen, erfüllte sie nur mit Eifersucht und Unruhe; sie begann beinahe die sanfte Mutter zu hassen, die alles rhat, was in ihrer Macht stand, um ihr das Kmd zu nähern. Mit geheimen Schrecken ertappte Frau Hirsch sich mehr mals bei dem Gedanken: ' „Wenn sie todt wäre — dann hätte Marie nur mich — daun würde sie mich lieben." Eine Nacht lag das Kind und wimmerte im Schlaf. Gleich daraus erwachte es und rief: „Mama, Mama!" Frau Hirsch bog sich über die Kleine aber sie begann laut zu weinen, als fürchtete sie sich vor ihr, da kam die Mutter herein, beruhigte das Kind und liebkoste eS. „Marie ist krank, Frau Hirsch", sagte sie entschuldigend. Jo, das Kind war krank. Das Mädchen mußte einen Arzt holen. ' Es war ein Scharlachfieber. Die Kleine wollte Frau Hirsch nicht sehen, sie duldete nur die Mutter um sich: Plötzlich kehrte in Frau Hirschs Seele die ganze Bitter keit zurück — sie wollte nicht um Liebe betteln. Sie ließ daS Mädchen das Kinderbett sogleich in Frau Holböls Zimmer schaffen, und blieb einen ganzen Tag der Kranken fern; aber die Krankheit nahm zu und die Angst jagte die Bitterkeit in die Flucht. „Läßt Gott uns sie behalten, will ich Mutter und Kind niemals mehr trennen; ich kann doch nicht ihre richtige Mutter werden, ich kann niemals «ehr als Nummer zwei werden, und will sie mich nur ein klein wenig lieb haben, so will ich zu frieden sein — ja wenn wir sie nur behalten dürfen." t Wenn das Kind schlieft saß sie am Bert und lauschte auf seine Athemzüge, aber sobald es umuhig wurde, flüchtete sie hinter den Bettschirm, um ihren Liebling nicht durch ihre An wesenheit zu erschrecken. Eines Tages erwachte Marie plötzlich uud richtete ihre Augen aüf Frau Hirsch. Um ihre bleichen Lippen zeigte sich ein ganz kleines Lächeln, und sie flüsterte: „Mutter." „Nein, du liebes Kind, nicht Mutter, aber Tante Marie", sagte sie und kniete am Bett nieder. DaS kleine Mädchen erholte sich schnell, es hatte ja zwei Mütter, um es zu pflegen und zu lieben. Frau Hirsch versuchte niemals mehr Liebe zu erzwingen, sie begnügte sich mit dem, was ihr gegeben wurde — und sie hatte niemals Grund sich zu beklagen; sie wurde von der Mutter und dem Kinde geliebt, und überall, wo sie hinkam, gewann sie Herzen — sie suchte sie nicht i» Gesellschastssälen, sondern unter den Armen und Kcankcn — wo sie unter dem Namen „Tante Maric" bekannt wär. Sic wußte, Liebe ist das Höchste, was das Leben biete»: kann — selbst der Himmel hat keine größere Gabe für unS. Vie Herren Vorstände von Vereinen hier und tn der Umgegend bitten wir um gefällige Berichte über ihre Vereinsversammlungen, sowie ihrer Festlichkeiten, und Freunde und Gönner unseres vielverbreiteten und gern gelesenen Blattes um Ulittheilung lokaler kommu naler etc Vorkommnisse. Vie Ledaction.
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