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Hohensteiner Tageblatt : 23.06.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189206233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920623
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-06
- Tag 1892-06-23
-
Monat
1892-06
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 23.06.1892
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Pfarrvikar in Beucha, als DiakonuS zu Mittweida (Rochlitz); Johannes Adolf Blüher, Predigtamtskandidat, als Unter- pfaner zu Reichenau (Oberlausitz); Alfred Heinrich Theodor Kretzschmars Pfarrer in HeinrichSort, als Pfarrer in OctmannS- dorf (Zwickau). Am Sonntag tagte in Leipzig die Generalversammlung deS Nationallibcralen Vereins für da- Königreich Sachsen, welche sich in der Hauptsache mit Fragen der inneren Organi sation und Agitation beschäftigte. In der Erwartung, daß der Centralvorstand der Partei sich demnächst mit der Frage einer „neuen Fassung des Programms" beschäftigen werde, beschloß hierbei die Versammlung u. A, für jetzt von einer weiteren Behandlung der Frage abzusehen. Sie beauftragte aber den Vorstand, die bei ihm in dieser Hinsicht eingehenden Anreg ungen unter Beifügung seines Uriheils an den Agitations- Ausschuß gelangen zu lassen. In Sachen des „Antisemitis mus" empfiehlt die Versammlung die Stellungnahme gegen über einer die Leidenschaften aufregenden Bewegung, die eine schwere Gefahr für unser öffentliches Leben in sich schließe. Man verkenne nicht die Schwierigkeiten, die aus der Einverleib ung eines nach Religion und Herkunft von uns verschiedenen VolkSstammeS erwachsen sind; jede Ausnahme-Gesetzgebung gegenüber dem Judenthum als solchem sei jedoch für unzulässig zu erachten. An Se. Majestät den König wurde folgendes Telegramm abgcseodet: „Eurer Majestät bringen im freudig gehobenen Gefühl unverbrüchlicher Treue und Anhänglichkeit die nach ernster Berathung zum Mahle versammelten National liberalen Sachsens untcrthänigen Huldigungsgruß dar. Dr. Gensel, Dr. Biedermann. Niethammer." Noch am Abend traf hierauf folgende Antwort Sr. Majestät an den Vorsitzen den Dr. Gensel ein: „Bitte, der Versammlung meinen herz lichen Dank für die meinem Herzen wohlthuendc Kundgebung auSzusprechen. Albert." Die am Montag im „Münchner Hof" in Dresden ab- gehalteoe Hauptversammlung der freien Vereinigung sächsischer Ortskrankenkassen, welcher die Herren Oberregierungsrath Kretzschmar als Vertreter der königl. Staatsregierung, Regier- ungs-Rath Weger als Vertreter der Versicherungsanstalt für das Königreich Sachsen und Stadtrath Geyer als Vertreter deS StadtratheS zu Dresden beiwohnten, war von 166 Ver tretern von 92 sächsischen Ortskrankenkassen (mit ca. 216.000 Mitgliedern) besucht. Die Versammlung nahm zunächst einen Bericht über die Ausführung der Beschlüsse der vorjährigen Versammlung, sowie den Vortrag einer Statistik über die Ein nahmen und Ausgaben der der Vereinigung angehörenden Kassen entgegen, berieth alsdann über ein von 5 Ortskranken kassen ausgcarbeitcteS Normalstatut für Ortskrankenkassen, während sie weiter die Dresdner Kasse mit der Ausarbeitung eines einheitlichen QuittuugSbuches beauftragte. Hinsichtlich der Frage wegen Errichtung gemeinschaftlicher RconvaleS- ccntenstationen wurde eine aus den Ortskrankenkassen Dresden, Leipzig, Chemnitz. Zwickau und Plauen bestehende Commission gewählt, welche sich eingehender mit dieser Frage beschäftigen und der nächstjährigen Versammlung über die Art und Weise der Ausführbarkeit dieses Planes Bericht erstatten soll. Wegen Vereinfachung der Einhebungsgeschäfte für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung will man sich mit einer entsprechenden Petition an dar königl. Ministerium des Innern wenden, dergleichen auch wegen Erstreckung der Versicherungspflicht auf sämmtliche Hausgewerbetreibende. Weiter wurde noch ein An trag auf Ablassung einer Petition wegen gesetzlicher Einführ ung von Sammelheften für die Aufrechnungsbescheinigungeu über die Endzahlen der Quittuogskarten der Invalidität«- und Altersversicherung abzelehnt. Ueber verschiedene hinsichtlich der genannten Versicherung aufgeworfene Fragen ertheilte Herr RegieruugSrath Weger bereitwilligst umfassende Auskunft. Als Vorort für die Besorgung der Geschäfte der Vereinigung wurde für das nächste Jahr Leipzig, als nächster Versammlungsort Zwickau gewählt. Einen für deutsche Sportskccise bedeutenden Erfolg er zielte in England der deutsche Meisterfahrer Herr Willy Tisch bein auS Halle a. S., welcher sich zu dem englischen Meistcr- schaftsfahreu gemeldet hatte und am Sonnabend auf der Herne-Hill-Bahn in London startete und die Dceirad-Welt- Meisterschaft über eine englische Meile gewann. Der Sieger erhält außer der großen massiv goldenen Medaille den Titel Drcirad-Mcisterfahrer der Welt für 1892/93. Bewunderungs- Werth ist Tischbcin's Sieg auch insofern, als er zu diesem Rennen erstmalig sein Humber-Dreirad benutzte, welches ihm Tags zuvor erst von der Firma F. B. Müller in Dresden geliefert wurde. Zahlungseinstellungen. Leopold Erdmann Richard Fritzsche, Flaschenbicrhändler, Leipzig. Gustav Albrecht Poppe, Tuchhändler, Kirchberg. Friedrich Ernst Rühle, Guts besitzer, Großdobritz b. Geißlitz. Gottlob Eduard Pippig, Schlossermeister und Hausbesitzer, Leipzig (Schlußtermin 16. Juli ds. I. — Aufgehvben: Johann Heinrich Carl Friedrich Schucht, Kaufmann, Inh. einer Stahlwaarenhandlung, Leipzig. Paul Schöffler, SteinsägcwcrkSpachter, Rottwerndorf. Aurelie verw. Müller geb. Müller, WirthschaftSbesitzerin, Ober- neuschönberg. Wilhelm August Ferdinand Sasse, Kaufmann, alleiniger Inhaber der Firma: „Wilh. Sasse", Dippoldiswalde. Carl Hermann Esche, Hausbesitzer und Maurer, Nachlaß, Mittcl- srohna. Nm Montag Abend verunglückte durch Ueberfahren der Bahnhofsassistent Johann Groh in St. Egidicn. Der Schwer verletzte, welcher verhcirathet ist, wurde sofort nach dem Glauchauer Krankenhaus überführr, wo ihm am Dienstag früh durch Herrn vr. mell. Brückner der linke Oberschenkel und der rechte Unterschenkel amputirt wurde. Der Unglückliche hat die Amputation glücklich überstanden und ist sein Befinden nicht hoffnungslos. Am Sonntag Vormittag ertranken in den bei Lichtenstein- Callnbcrg liegenden Teichen zwei Knaben. Ausschreitungen in Wien. Wie schon kurz gemeldet, haben bei der Ankunft der Fürsten Bismarck in Wien und während der Fuhrt vom Bahn hof zum Palais Palffy derartige Ausschreitungen stattgcfunden, daß die Polizei sich gcnöthigt sah, in energischster Weise ein- zugreifen. «schritt für Schritt mußte sich Fürst Bismarck, unterstützt von seinem Sohne Herbert und zwei Wachtleuten, den Zugang vom Salonwagen zum Wartesaal erkämpfen. Hier erst konnte er die Begrüßung der ihn erwartenden Persönlich keiten entgegcnnchmen. Die Menge stürmte ihm in den Wartc- saal nach und cS erneuerte sich die ungestüme Begeisterung. Ohne Rücksicht auf seine Bequemlichkeit wurde der Fürst um ringt und viele griffen nach seinen Händen. In einen dichten Haufen eingekeilt, rief Dr. Schweninger: „Wo ist die Fürstin? Wir haben sie verloren!" Draußen standen Hunderte, einen dichten Kreis um einen offenen Fiaker bildend, der auf den Fürsten wartete; die Polizei mußte energisch vorgehen, um dem Fürsten und seinem Sohne das Einsteigen zu ermöglichen. Ein blasser Student, der das Trittbrett erstiegen hatte, erhielt von einem Wachtmanne einen Schlag über den Arm, den er dem Fürsten BiSmarck zum Willkommen entgegenstrcckte. Die Wagen konnten nicht vorwärts, die Pferde bäumten sich, be unruhigt durch die beläuvenden Rufe. Als sich die Wagen endlich in Bewegung setzten, drängten sich die Leute noch im mer zu beiden Seiten. Graf Herbert wurde von den Leuten gestoßen, die über ihn hinweg seinem Vater durch Händedrücke huldigen wollten. DaS wurde dem Grafen doch zu bunt und er erhob drohend seinen Schirm und wehrte die Lästigsten ab. So wurde die Bahn frei. Unter brausenden Hurrah- und Hochrufen rollte der Wagen über den weiten Platz, im zweiten Wagen folgte die Fürstin an der Seite des Grafen Wilhelm Bismarck. Die ganze Taborstraße entlang ertönten neben den Heilrufen für Bismarck immer wieder Hochrufe auf Schönerer und der Ruf: „Nieder mit den Juden!" Mit den schönsten nationalen Lie dern wechselten Hctzlieder und Hctzrufe ab. Studenten und mit ihnen mehrere junge Leute, die sich ihnen angeschlvssen, hatten sich in mehreren Gasthäusern im Prater versammelt und den Plan für die Demonstration entworfen, welche die Ankunft des Fürsten begleiten und ihr folgen sollte. Nachdem die Wagen der Gäste außer Sicht waren, sammelten sich die Demonstranten in verschiedenen Gasthäusern und zogen dann gruppenweise, Burschenlieder singend und Hochrufe auf Bis marck und Schönerer ausbrmgeud, gegen die Stadt. Es wurde die Parole ausgegeben: Auf zu Bismarck ms Palais Palffy in der Wallncrstraßc! Mehrere hundert Personen drangen bis zum Graben vor. Hier kam es zu den ernstesten Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und der Polizei; letztere erklärte, daß die Wallnerstraße, in welcher das Paiair Palffy liegt, abgesperrt sei. Laute Rafe, in die sich Hohn gelächter mischte, erfüllten die Luft. Die Wache wurde tzer- auSgefordert, blieb aber ruhig. Die Wache versuchte den Ein marsch in die Wallnerstraße zu verhindern. Ein tobendes Stimmengewirr und der Ruf: „Vorwärts!" Wir Deutsche fürchten Gott, aber nicht die Polizei!" ertönten. Die besonnenen Elemente versuchtenzuveschwichtigen,allein vergebens. DieMassen brachen in ein lautes Geschrei aus, einzelne Trupps schrien: Hoch Bismarck! Hoch Schönerer! Nieder mit den Juden! Deutschland über Aller! und wieder andere sangen die „Wacht am Rhein." Lie Wache schritt ein und suchte die Menge zum Auseinander- gehen zu bewegen. Man lachte den Wachleuten ins Gesicht, man parlirte in ironischer Weise mit ihnen, oder stieß sie zu rück. Die Wache rückte geschlossen vorwärts. Vor dem „Hotel Biller" standen etwa 50 Studenten dichtgedrängt beisammen und waren nicht zu bewegen, den Platz zu verlassen. Ein junger Mensch sträubte sich besonders, und als ein Wachmann ihn mit Gewalt wegdrängen wollte, rief er laut: Nieder mit dem Polizeistaat! Nun wurde er für verhaftet erklärt, allein in diesem Augenblicke floh er. Auch ein anderer Demonstrant, welcher Nieder mit den Ministern! und Nieder mit der Va- lutarcgulirung! schrie, sollte verhaftet werden, er wurde aber den Wachleuten entrissen. Ein junger Mensch schrie in die Menge: Zu Bismarck! Der Ruf pflanzte sich fort bis in die letzten Reihen und der Spektakel ging auf Neue los; man ries: Wir müssen durch! Haut die Wache nieder! Da die Wache aber von dem Eingänge der Gasse nicht wich, griff man zu einer List, indem man sich in kleinere Partien auflöste und durch,zubrechen versuchte. Aufs Neue wurden demon strative Rufe laut. Ein gewaltiger Lärm brach los. Hunderte warfen sich auf die Wache, die schließlich dem Nndrängen weichen mußte. Am Eingänge in die Strauchzasfe brach die Menge abermals in ein lautes Hohngclächter aus und man sang dröhnend: Frei ist der Bursch! Die am anderen Ende postirten Wachleute, die dem Einmärsche in die Wallnerstraße wehren wollten, erwiesen sich zu schwach. Das Getümmel verstärkte sich von Minute zu Minute. Die Rufe: Nieder mit der Polizei! wurden immer lauter; schon begannen Stöcke und Regenschirme als Kampfmittel in Action zu treten. Ein langer Mensch schlug einem Wachmann den Helm vom Kopie. Immer noch ermahnte die Polizei, in ruhiger Weise abzuziehen. „Nein!" hieß es, „wir gehen in die Wallnerstraße! Wir müssen zum Fürsten BiSmarck!" „Zurück!" schrie die Wache. Wieder antworteten die Sludenrea mit dem Rufe: „Hoch, Schönerer!" und etwa 300 versuchten bis zur Wallner- straße durchzudcingen. Später hörte man, daß mehrere De monstranten mit Stöcken auf die Wache losgegangen seien. Nun kam der kritische Augenblick. Der Polizeikommissär ließ blank ziehen. Ehe es sich die Umstehenden versahen, sausten die flachen Klingen auf die Schuldigen und Unschuldigen nieder. Auf 40 Schritt Entfernung hörte man die Hiebe. Die Wach leute schlugen auf Diejenigen, die sich nicht rasch genug zurück ziehen wollten oder konnten, wuchtig ein und noch fünfzig Schritte entfernt vom Eingänge der Strauchgafse stürzte ein Unbekannter unter den Schlägen mit der blanken Klinge zu sammen. Binnen einer Minute war dec Platz geräumt. Lär mend und fluchend, aber auch singend zogen die Demonstranten ab. Ernstlich verwundet sind der Berichterstatter des „Deut schen Volksvlattes" Hans Schwer; ec erhielt einen starken Hieb über den Arm; ferner der Münchner Maler Rois, der.am Kopfe verwundet ist. Auch die Berichterstatter anderer Wiener Blätter erhielten Hiebe, jedoch nur ganz leichier Art. Schlimmer erging es einem Studenten, der eine Rißwunde im Gesicht er hielt und auch am Kopfe verletzt wurde. Seine Freunde brachten ihn rasch in einen Wagen und fuhren mit ihm davon. Die Polizei verhaftete ferner in der Leopoldstadt sechs und ebenso viel Demonstranten in der inneren Stadt. Rach einer amt lichen Darstellung wurde der Polizeikommissär Samek von einem Demonstranten beschimpft und mit einem Stocke auf die Hand geschlagen. Im ganzen sollen drei Personen durch das LoS- gchen der Wache empfindlich gelitten haben; einer derselben soll sich die Rettungsgesellschaft angenommen haben. Es wird behauptet, daß die Polizei den Auftrag erhalten hatte, jeder politischen Demonstration während des Aufenthaltes des Fürsten BiSmarck entschieden entgegenzutreten. Der Fürst soll sich über die peinlichen Vorgänge bei seiner Einfahrt m Wien sehr miß billigend geäußert haben. Heute Mittag fuhr eine Abordnung von Antisemiten unter Führung Schönerers vor dem Paiair Palffy vor, um Bismarck zu beglückwünschen. Sie wurde je doch nicht vsrgclasfen und mußte sich auf die Abgabe von Karten beim Portier beschränken. Cagcsgeschichte Deutsches Reich. Berlin, 21. Juni. Seit kurzer Zeit tauchen wieder allerlei Nachrichten über Reform der Mililär-Strafproceß-Ordnung auf. Diese Nachrichten sind sammt und sonders mit großer Vorsicht aufzunehmen. Bald soll ein hoher bairischer Militär Jurist in Berlin anwesend sein, bald wird gemeldet, der Kaiser habe persönlich die Bearbeitung eines neuen Entwurfs geleitet, bald endlich, es werde eine Reichs-Commission im nächsten Herbst zur Feststellung eines neuen Entwurfs zusammentreten. Alles dies wird uns von kundiger Seite als irrthümlich be zeichnet. Der letzte von einer Jmmediatcommission festgestellte Entwurf, der sich im Crbinet deS Kaisers befindet, soll im Großen und Ganzen die Zustimmung deS Monarchen gefunden haben. Wahrscheinlich wird dieser Entwurf noch einer Durch sicht und einigen Verbesserungen unterzogen werden und mit diesen an den BundeSrath gelangen. Die Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr, für Eisenbahnen, Post- und Telegraphie und für Justizwesen traten heute zu einer Sitzung zusammen, um den Gesetzentwurf über die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung zu be- rathen. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, wurde beschlossen, dem BundeSrath die unveränderte Annahme der Vorlage zu empfehlen. Aus Berlin, 18. Juni, wird der osficiöscn Wiener „Polit. Corresp." geschrieben: „Die Nachricht, daß der deutsche Ge sandte in L.ssabon einen formellen Protest eingelegt hat gegen die Bestimmungen des jüngsten Decket- der portugiesischen Regierung, betreffend die äußere Schuld, so weit dadurch die den deutschen Gläubigern zugesicherten Rechte verletzt werden, hat in allen Kreisen die lebhafteste Zustimmung und Aner kennung gefunden. Das Verfahren der portugiesischen Regierung erscheint um so beispielloser, als die Vertreter der deutschen Gläubiger durchgängig von dem größten Entgegenkommen be seelt waren und ihre ursprünglichen Forderungen erheblich er mäßigt hatten. Die portugiesische Regierung hat diese Haltung zunächst dadurch anerkannt, daß die Forderungen der in Paris vertretenen Interessenten in Lissabon im Laufe der Verhand lung Billigung gefunden hatten oder wenigstens zu finden schienen. Dann aber schöpfte man augenscheinlich in Portugal aus der entgegenkommenden Haltung der Interessenten den Muth und die Zuversicht, noch wesentlich günstigere Beding ungen und größere Cvncessionen erreichen zu können. Man schritt zur Octroyirung deS bekannten DecretS, durch welches die Rechte dec auswärtigen Gläubiger unter die Füße getreten wurden. Angesichts des Ganges, den die Dinge genommen haben, liegt die Vermulhung sehr nahe, daß die gegenwärtige Regierung von vornherein das Ziel verfolgte, die Dinge nicht zu einem Ergebniß kommen zu lassen. Deshalb sind wohl auch die Verhandlungen nach Paris verlegt worden und nicht nach Lissabon, um so durch ein umständliches Hin- und Her- fragcn Zeit zu gewinnen. Es ist wohl anzunehmen, daß auch die Delegirten der übrigen in Paris vertretenen Gläubiger aus Englund, Frankreich, Holland, Belgien die Verwendung und den Schutz ihrer Regierungen gegenüber dem gewaltthätigen Vorgehen Portugals anrufen werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich die übrigen Regierungen ganz oder theil- weise zu einem ähnlichen Vorgehen wie die deutsche veranlaßt finden wecdcn. Wie dem aber auch sei, die deutsche Regierung konnte bei der starken Bctheiligung des deutschea Kapitals sich der Verpflichtung nicht entziehen, einen energischen Protest ein zulegen. Die Aufnahme, welch: dieses Vorgehen in der ge jammten deutschen Presse gesunden hat, zeigt, daß die Regier ung sich in vollster Uebcreinstimmung mit der öffentlichen Meinung befindet, und man darf gespannt darauf sein, welchen Eindruck der Schritt der deutschen Regierung, wie die viel fachen Proteste der Vertreter der Gläubiger in Lissabon machen werden. Nur darüber sollte sich die portugiesische Regierung keiner Täuschung hingeben, daß man es bei einem papierenen Protest nicht wohl bewenden lassen kann und wird. Mögen die kleineren Staaten bei wiederholten Anlässen Ansprüche auf die Nachsicht und Rücksichtnahme der größeren erhoben haben, so kann doch die geringe Ausdehnung deS Staatsgebietes keinen Schutzbrief für rechtswidriges Vorgehen gewähren, um so weniger, wenn bereits ein rücksichtsvolles Entgegenkommen in solchem Umfange wie bei dein gegenwärtigen Anlaß bekundet worden ist. Auch mit dem anderen größeren Staate dec pyrenäischen Halbinsel, mit Spanien, macht Deutschland bei den gegenwärtig schwebenden Handelsvertrags-Verhandlungen keine besonders erfreulichen Ersahrungen. Die deutsche Re gierung hat durch die jüngste Einvernehmung von Industriellen aufs Neue bekundet, mit welcher Energie sie bemüht ist, die deutschen industriellen Interessen geltend zu machen. Indessen wird besten Falls kaum mehr erreicht werden, als eine Ver längerung des Provisoriums bis zum 1. December. Und auch hierbei ist es höchst zweifelhaft, ob eine Einbeziehung der spanischen Colonien in Amerika, Cuba und Poltorico, erreicht werden wird, da die spanische Regierung in dem Reciproci- tätsoertrag mit den Vereinigten L-iaatcn ein Hmderuitz da gegen findet. Die Bekanntmachung deS Hausministecs über die Ver lobung der Prinzessin Margarethe lautet: „Am 20, d. M. hat zu Homburg v. d. 'H. die Verlobung Ihrer königlichen Hoheit der Prinzessin Margarethe Beatrice Feodora von Preußen, Schwester Sr. Majestät des Kaisers und Königs, mit Sr. Hoheit dem Prinzen Friedrich Karl Ludwig Konstantin von Hessen, Sohn Sr. königlichen Hoheit des verewigten Landgrawn Friedrich von Hessen und Ihrer königlichen Hoheit dec Landgräfin Anna von Hessen, Prinzessin von Preußen, mit Bewilligung Sr. Maj. des Kaisers und Königs, sowie unter Zustimmung Ihrer Map der Kaiserin und Königin Friedrich stattgcfunden. Auf allerhöchsten Befehl wird dies frohe Eceiqniß hierdurch bekannt gemacht. Berlin, den 21. Juni 1892. Der Minister des königl. HauseS: v. Wedell." — Die Braut ist am 22. April 1872, der Biäutigam, der als Lieutenant ä la suito deS 1. Garde-Drazoncr-NezimentS steht, am 1. Mai 1868 geboren. Berlin, 21. Juni. Mit der Ausschmückung der Straßen welche vom Anhalter Bahnhof aus vom Kaiser und vom König von Italien aus der Fahrt zum Schlosse berührt wer den, ist heute Morgen schon an vielen Stellen von den Be sitzern der Häuser begonnen worden, noch ehe die Aufforder ung an die Bürger seitens deS Magistrats ergangen ist. Letztere wird jedoch noch folgen. Vom Hotel Bellevue, auf da« der Blick des Königs zuerst fallen wird, wenn er an die Biegung der Königgrätzcrstraße kommt, leuchtet schon jetzt der große Willkommengcutz: „kvviva Koma, Oapitalv ck'ltalia!" Fahnen in den italienischen Farben grün-weitz-roth sieht man schon vielfach angebracht. Die Stadt läßt, nach der „Nat.- Ztg.", am Eingänge der Linden ein Zell und Podium für junge Damen ausstellen, die dem Könige einen Strauß über reichen sollen. Hoffentlich wird die Sprecherin diesmal mehr zu sagen wissen als „Aon oapwco", falls sie Gelegenheit zum Sprechen bekommt. Der Schlotzbrunnen soll einen reichen Pflanzenschmuck aus den Beständen des HumboldthamS er halten. Potsdam, 21. Juni. Heute Vormittag fand anläßlich
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