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Hohensteiner Tageblatt : 10.05.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189205100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920510
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920510
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-05
- Tag 1892-05-10
-
Monat
1892-05
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 10.05.1892
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klüftetes und von den Mafiti durchstreiftes Hochplateau ge trennt und ist von dieser Seite schwer zu erreichen, so daß der Wasserweg vorzuzichcn ist. Aber die Missionare, besonders der bekannte McrcuLky, werden, wenn die dringlichsten ersten Arbeiten deS HäuscrbaueS und der StationSanlageu beendet sind, sicher nach Mitteln und Wegen suchen, um eine directe Verbindung mit der Küste herzustelleu. ES ist recht bemerkenS- Werth, daß MereuSky in seinem letzten Bericht die Hoffnung ausspricht, daß wir über des Sklavenhändlers Mcrere Stadl, der sich der Mission gegenüber sehr freundlich erwies, später einen Landweg nach Dar-eS-Salaam eröffnen könnten. Sollte dies der Fall sein oder eine Benutzung des Ulanga-Rufidji- WegeS sich ermöglichen lassen, so wird eS nicht mehr lange dauern, bit der Nyassa nicht nur in den Kreis ausgedehnter MissionS-, sondern auch der deutschen HandelSinteresscn gezogen wird. Man soll sich aber darüber nicht täuschen, daß, je mehr Handel und Mission hier anwachsen, eine desto größere Macht- evtfoltung nolhwendig wird, daß Eines mit Lem Änderen Hand in Hand gehen muß, sollen nicht wieder Rückschläge eintreten, die Vas mühsam Erreichte zerstören können. Man soll sich vor allen Dingen davor hüten, selbst dem freundlichen Afrikaner, der im Grunde den harmlosen Missionar, nur aukzunutzen sucht, zu vertrauen, denn nach den Berichten aller Reisenden sind diese Völker durch ihren langjährigen Verkehr mit Arabern und araberisirten Suaheli bei Weitem nicht mehr gutmüthige Leute, sondern fast ebenso verderbt wie die Küstenvölker, Glücklicher Weise hat sich das Völkchen der Makonde, unter dem die deutschen Missionare am Nordosttnde deS Nyissr ihr Heim aufgeschlagcn Haden, rein erhalten; wenn der Mission em Erfolg beschicden ist, so ist er sicher hier zu erreichen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Mit jedem Tage werden die Stimmen dringender, welche gegenüber der wachsenden Aufregung über die bereits erwähnte Ahlwardr'fchc Bioschürc Judenflinten und die an dieselbe anknüpfenden Vorgänge eine Klarstellung von Seite der amtlich hierzu berufenen Autori täten verlangen. Es ist in der That eine Erscheinung, welche zu den bedenklichsten Conscquenzen führen kann, wenn in einer öffentlichen Versammlung, wie eS zu Berlin am Donnerstag geschehen ist, unter stürmischen Beifall der Zuhörer von einem Redner, der als Reservcosficier dem Heere angchört, die Er klärung abgegeben wird, es sei eine Unmöglichkeit, dem ge meinen Soldaten oder O ficier zuzummhen, daß er mit einer solchen Waffe ins Feuer ziehe; deshalb habe er seinem Be- zirkscommando geschrieben, daß er mit Bezug auf die Ahl- wardt'schen Enthüllungen seine Zusage als Rescrveosficier zurücknchme, weil er es nicht verantworten könne, seine Sol daten mit solchen Gewehren inS Feuer zu führen. Solche Kundgebungen lassen eine prompte und erschöpfende Aufklärung des Sachverhalts als zwingendes Gebot erscheinen und wir zweifeln auch nicht, daß dem allgemeinen Wunsche chcmöglichst Rechnung getragen werden wird. Angesichts der Untersuch ungen, welche von den Behörden in der Sache cingeleiter sind, müssen die Erklärungen, weiche die angegriffene Firma Loewe u. Co. zur Sache abzugeben vermag, sich nothwcdiger Weise auf die Abwehr beschränken und cs ist wohl im Hinblick hierauf, daß wir ersucht werden, das nachstehende uns im Original vorliegende Zmgniß zu veröffentlichen: „In Erwiderung oes gefälligen Schreibens vom 16. No- vember 1891 thcilt das Kommando wohlderselben ganz cr- gebenst mit, daß die von der Firma gelieferten 425,000 Ge wehre 88 in jeder Beziehung den an sie gestellten Anforder ungen entsprochen haben. Klopsch." Wir wollen hinzufügen, daß der unterzeichnete Herr Haupt mann Klopsch Präses der derzeitigen Abnahmecommission ge wesen und Subdirector der königlichen Gewchrfabrik zu Danzig ist. Mit Wiedergabe der in anderen Blättern den Behaupt ungen der Ahlwardt'schcn Broschüre und den aus denselben in antisemitischen Journalen gezogenen Folgerungen entgegcn- gestcllten Angaben glauben wir den officiellcn Kundgebungen nicht vorgreifen zu sollen. Die gcsammle Preßelörtcrung hat in unserem öffentlichen Leben bereits so vergiftend gewirkt und sür unsere Industrie, die gerade in der Erzeugung von Kriegs material mit Fleiß und Mühe den ersten Platz in der Welt erreicht hatte, so unübersehbaren Schaden angerichlet, daß schon die Rücksicht auf die in ihrer Zukunft so schwer bedrohte Arbeiterschaft auf diesem ProductionSgcbicte die äußerste Zurück haltung zur patriotischen Pflicht macht. Aus den Consrquenzcn dieses Zwischenfalles wird man aber am empfindlichsten gewahr werden, daß es eine sehr bedenkliche Lücke in unserem gc- sammtcn RechtSlcgen ocrräth, wenn einseitige Behauptungen Wochen lang ungestört in weitestem Umfange verbreitet werden können, während die Berichtigung und Widerlegung solcher Behauptungen nach einem umständlichen und schwierigen Bc- weisverfahrcn erst so viel spät nachzuhumpcln vermag. Enorme Schädigungen an öffentlichem und privatem Interesse sind dann überhaupt nicht mehr gut zu machen. „Beilin—Wien—Rom", Betrachtungen über den neuen Curs und die neue europäische Lage. Unter diesem Titel ist soeben (im Verlag von Duncker u. Humblvt in Leipzig) ein stattlicher Band erschienen, welcher manche treffende und geist volle, über die moderne Sensatiousschriftstellerei weit hinaus- rageude Bemerkung über den Gang der deutschen Politik, namentlich der auswärtigen, seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck enthält. DaS Buch ist im Ganzen eine Vertheidig- ungSschnst der nach dem Rücktritt Bismarcks ins Amt getretenen Regierung. Neben mancher treffenden Bemerkung findet sich auch, namentlich in der Beurtheitung der inneren Politik, viel Anfechtbares. Der ungenannte Verfasser scheint ganz besonders mit den Verhältnissen im Orient vertraut zu sein. Berlin, 8. Mai. Seine Majestät der Kaiser erschien gestern mit Gefolge im Berliner Theater, um Ladwig Barnay in einer seiner Glanzrollen, als Richard VI., zu sehen. Sc. Majestät verweilten vis zum Schluß der Vorstellung und zeich neten ^>en Künstler in seltener Weise aus. Stuttgart, 8. Mai. Die deutsche Partei Württembergs feierte unter Betheiligung vieler Vertreter aus allen Landes- theilen und der Abgeordneten Boettcher, Osann und Siegle das Jubelfest ihres fünfundzwanzigjährigcn Bestehens. Redac teur Lang gab in seiner Festrede einen geschichtlichen Rückblick. HuldigungStelcgramme wurden an den Kaiser und an den König von Württemberg, ein Begrüßungstelegramm an den Fürsten Bismarck abgcsandt. Nachmittags war Festessen in der Lieverhalle. Metz, 7. Mai. Der Gemeinderath bewilligte für die bei dem Besuch des Kaisers anläßlich der Herbstmanöver statt findenden festlichen Veranstaltungen 44,000 Mark. Breslau, 9. Mai. Der Reichstagsabgeordnete Kunert ist wegen Aufreizung, Beamtenbeleldigung und PreßvergchcnS in Anklagezustand versetzt worden. Oesterreich-Ungarn. Wien, 9. Mai. Der Kutscherstreik ist beigelcgt infolge deS taktvollen Verhaltens der Behörden und der ablehnenden Haltung des fahrenden Publikums. Die Führer selbst haben den Streik für erloschen erklärt. Wien, 9. Mai. Die olficiöse „MontaqSrevue" bespricht den Sturz des Cabinets Rudini und schreibt, für die euro päische Situation habe die Veränderung in Italien keinerlei Conftqucnzcn. König Humbert werde im Dreibund verbleiben und jedes neue Ministerium müsse die alte Politik fortsetzcn. Budapest, 9. Mai. Der Urheber des Dyaamitattentats in Verscecz ist verhaftet worden. ES handelte sich nicht um ein anarchistisches Attentat, sondern nur um einen Rachcact gegen den mißliebigen Kreisnotar Spapp. Fiume, 8. Mai. Graf Herbert Bismarck erhielt heute folgende Depesche: „Besten Dank für die freundliche Anzeige und aufrichtigsten Glückwunsch zur Verlobung mit Gräfin Marguerite HoyoS sendet Wilhelm, Imparntor Kox." Italic«. Rom, 8. Mai. Crispi wurde heute Mittag vom Könige empfangen. Auch konservative Blätter wie die „Fanfulla" sehen in der Berufung Crispis zum Ministerpräsidenten die einzige folgerichtige Lösung. Grimaldi rieth dem Könige eben falls zur Berufung Crispis. Litzlercr will, wie verlautet, die Bildung des Ministeriums nur übernehmen, wenn die Krone nöthigenfalls in die Kammerauflöiung willigt. Rom, 8. Mai. Die zur Opposition gehörenden Abge- ordneten hielten gestern Abend eine Beralhung über die Lage ab und beschlossen die Bekämpfung jedes Ministeriums, welches den Militärhaushalt aufrecht hält. Die Abgg. Cavallotti, Jm- briani und Barzilai erklärten, sie würden nach der Bildung des neuen Ministeriums sofort eine Anfrage über den Austritt Italiens aus dem Dreibund stellen. Mehrere Blätter melden, die Reise deS Königspaares nach Berlin sei zweifelhaft ge worden. Belgien. Brüssel, 6. Mai. Der gestrige Taz hat abermals eine Anzahl Verhaftungen gebracht, unter den vor allem die deS Schankwirthes Schleibach, eines Deutschen, bei dem die Anarchisten sich zu versammeln pflegten. Jeden Sonntag früh fanden sie sich ein. Die Wirthschaft liegt in der Rue du Mont- dc-P^la, bei dem Battc-Staden, wo um die Stunde ein leb hafter Verkehr stattfindet, sodaß die einzeln eintrcffenden Anarchisten wenig bemerkt wurden. Bei Schleibach versammelten sie sich im Hinterbau, in einem Zimmer, dessen Läden fest ge schlossen waren. Es war ein förmlicher Club unter dem Namen ^ir et Dibertä. Die Anarchisten redeten ganz leise und unter wiesen sich gegenseitig im Gebrauch von Dynamit und andern Sprengstoffen. Sic wollten auch ein Blatt gründen, 1-6 Ori du kroletaira, mit den Losungen: dO I)i6u ni maitra und 0 anareftia, yua ton rftgna arriva! Allein eS fehlte ihnen an Geld. Schleibach erhielt kurz vor seiner Verhaftung den Besuch eines Lütticher Berichterstatters. Jener that, als sei er mit dem Verkehr der wallonischen Arbeiter in seiner Wirth schaft unzufrieden, da diese ihm die deutsche Kundschaft ver trieben. Er war im vorigen Jahre verhaftet worden, weil er bei der Maikundgebung aufrührische Reden gegen das Eigcu- thum gehalten hatte, dann war ein Ausweisungsbefehl gegen ihn erlassen, auf Verwendung des gemäßigtliberalcn Abge ordneten HanssenS jedoch rückgängig gemacht worden. Daß die Verschwörung einen internationalen Anstrich hatte, geht noch aus einem anderen Umstande hervor. Infolge des An griffes von Moincau und Genossen gegen einen Bürgerwehr mann wurde nicht nur bei diesen, sondern auch bei einem ge wissen Fonteyn, der mit ihnen in Verbindung stand, Haus suchung gehalten. ES fanden sich zahlreiche anarchistische Zeitungen und Flugblätter, meist ausländische, vor, insbesondere 1300 Stück von einem Aufruf in deutscher Sprache an alle Arbeiter, in einer äußerst heftigen Fassung; Fonteyn war be- auftragt, denselben in Lüttich unter den deutschen Arbeitern und in Deutschland selbst zu verlheilen. Es waren noch ganze Ballen unausgepackt mit Drucksachen auS London und N:w Uork vorhanden sowie Manuskripte für das Blatt Ori üu Lrolötnira. Es wird nun auch behauptet, daß der Club, dessen Anführer wohl der ehemalige Lieutenant Moineau war, regel rechte Beziehungen zu den französischen Anarchisten hatte, wo rauf ja schon die Anwesenheit des flüchtigen Malfait schließen ließ, wenn auch unbestimmt. Malfait und sein in Frankreich mitverurtheilter Genosse, der Belgier Morhay, waren nach ihrer Avkunf von dem jungen Matthyssen auf der Werft und Kcsscl- fabrik seines Vaters in Arbeit genommen worden, aber bloß acht Tage geblieben. Dieser junge Matthyssen scheint auch einer der Leiter der Bewegung gewesen zu jein. Der Vater, ein angesehener Mann auS Jemeppe, wußte kein Wort von den Wühlereien des Sohnes. In demselben Augenblick, wo Aims Matthyssen verhaftet wurde, erhielt seine Mutter die Sterbesakramente. Die Anarchisten werfen im Verhör vor den drei Untersuchungsrichtern noch immer einer die Schuld auf den andern, allein es ist schon genügend aufgeklärt, daß Moineau die ersten Patronen gelegt hat: bei Appellrath Renson, bei Staatsanwalt Beltjcns, während der jugendliche, über und über schwindsüchtige Büchsenmacher Nofsent an der Wohnung des Oberpolizeicommissars Mignon thätig gewesen sein soll und das erste Verbrechen nm den 1. Mai, das bei Frau Nyst, hauptsächlich durch Nosient und den Anstreicher Lacroix begangen wurde. Unter den schwerer Belasteten ist ein gewisser Wolffs zu erwähnen; vorläufig wird nur angegeben, daß er im vorigen Jahre mit Moineau Sprengstoff in Flemalle gestohlen hat. Beaujean, der wohlgesetzte Änstreichermeister, der seine Gesellen Lacroix und Lefebvre in die Geheimnisse des Anarchismus ein- gcweihr hat, theilte dem Untersuchungsrichter mit, daß die Explosion an der Martinskirche durch zwei Dynamitpatronen und 21/2 kg Faviersches Sprengpulver verursacht wurde; bei Minette" kamen 1Vs^8 von diesem Pulver und 3 Dynamit- Patronen zur Verwendung. Das Favierpulver ist weniger heftig in seinen Wirkungen als das Dynamit und läßt einen scharfen Geruch zurück. Dieses Pulver ist durch die beiden gc- nannten in Flömalle gestohlen worden. Obschon die von der Staatsanwaltschaft bis jetzt aufgesammelten Mengen Spreng stoff aller Art ziemlich beträchtlich sind, hat man nachgercchnet, daß noch bei weitem nicht alles aufgebraucht oder beschlag nahmt sein kann. Am meisten fand sich bei dem alten Trunken bold Stoomont, Beaujeans Onkel, vor. Stoumont war wie Matthyssen einer, der übermäßig häufig zur Kirche ging. Es sind, wie gemeldet, am gestrigen Tage noch einige Vcr- Haftungen vorgenomme« worden, allein die Hydra muß noch Köpfe haben, wie die kleine Explosion der letzten Nacht be weist. Dieselbe erfolgte unter einen starken Knall um 11 Uhr am Schlosse des Bürgermeisters von Allem, Herrn Patques, zu Hombroux, drei Stunden von Lüttich; der Knall war in der Stadt vernehmbar. Der Schaden beschränkt sich auf einige zerbrochene Fensterscheiben. Die Uebelthat ist theilweise miß lungen, da an dem Orte eine zweite Dynamitpatrone mit 4 w ausgebrannter Zündschnur vorg Zünden worden ist. Zur selben Stunde wurde bei Herstal Dynamit in der Maas entzündet. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei haben daher noch vollauf zu thun, wenn sie die Sicherheit wieder voll und ganz Herstellen wollen. Der bei Herrn Minette anqerichtete Schaden wird auf 10000 fr geschätzt. Die betroffenen Hausbesitzer wollen eine Vereinigung bilden, um gegen die Stadt oder gegen den Staat — bei der unvollkommenen Gesitzzcbung ist eS nicht leicht zu bestimmen, wer haftbar ist, und ob überhaupt sür Sprengschaden eine öffentlich-rechtliche Haftbarkeit besteht — auf Schadenersatz zu klagen. Meiner Ansicht nach sind Staat und Stadtverwaltung gleich schuldig, letztere weil sie keine ausreichende Polizeimannschaft hält, um die Stadt des Nachts wirksam bewachen zu lassen, erster, indem er den Angaben der Polizei nicht rechtzeitig Folge gab. Die Verhafteten benehmen sich zum Theil recht trotzig. Einige haben wörtlich erklärt: „Indem wir die Häuser der Richter dynamitirten, welche die Anarchisten von Ombret verurtheilt haben, wollten wir unsere Genossen rächen, so wie Ravachol es in Paris versucht hat. Da wir aber noch Dynamit übrig hatten und nun niemand besonders auf dem Strich haben, kamen wir auf den Gedanken, einige schöne Häuser zu sprengen. Wir wählten diejenigen aus, die mit den schönsten Vorhängen versehen waren. An die MartinSkirchc haben wir uns gemacht, weil schöne Kirchen unS ebenso sehr zuwider sind als schöne Häuser. Daß es gerade auf die Häuser am Boulevard de tu Sauven 6 e fi.1, kommt daher, daß unser Heimweg darüber führte. Und was uns noch blieb, haben wir an der Kirche untergebrachl." Diese Aeußerungen werden besonders Beaujean zuqeschrieben. Es ist nicht unbe merkt geblieben, daß dieser, Moineau und Matthyssen, also die eigentlichen Anführer, in wohlgeordneten Verhältnissen lebten, Moincau als Geschäftsangestellter und Reisender. Bei der SchwurgerichtSverhaudlung, die wohl nicht vor Anfang Juli stattfiliden kann, wird der Denkproceß. der in diesen Leuten vorging, wohl klar werden. Eins ist schon klar, daß Beaujean auS der socialistischcn Arbeiterpartei hervorgcgangen ist; bis vor kurzem war er sogar Mitverwalter der Genossen schaft La Populaire. So bewährt sich denn der Ausspruch eines hiesigen Advocatcn, der aus dem internationalen so- cialistischen Studenlentag in Brüssel zu Weihnachten v. I. eine Rolle gespielt hat: Socialisten, Anarchisten, das sind nur Vornamen, Revolutionär heißt die Familie. Es ist nun doch der Verirrst eines Menschenlebens zu beklagen. Ei» kleme- Mädchen ist infolge des Schreckens, den der Knall an der MartinSkirchc ihm einjag!e, gestern gestorben. Der Staats anwalt wird die Thatjache bei der Stellung seiner Strafanträge nicht außer acht lasse». Brüssel, 9. Mai. Die Wahlen sür die ArbeiterschiedS- männer ergaben 1270 Stimmen sür die Socialisten und 350 sür die Katholiken. Brüssel, 9. Mai. In Antwerpen wurden wieder zwei Anarchisten verhaltet. Mons, 9. Mai. Die Bergleute des Mitteldeck:ns und der Ccnlreu beschlossen, am 14 Juni eine Masfeumanisestatiou sür daS allgemeine Wahlrecht zu verunstalten. Arautrctch. Paris, 7. Mai. In dem heutigen Ministerrath legte der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Gesetzentwurf vor, der die Artikel 4 und 8 des Gesetzes vom 8. Mä.z 1875 betreffend die Verfertigung und den Verkauf von Dynamit abänderr. — Die Colonialverwaltung hat vom Gouverneur der Rioiöces du Sud ein Telegramm erhalten, wonach die militärischen Be hörden die Vertheidigung der französichen Niederlassungen in Dahome mit den neu angekommenen Verstärkungen als voll ständig gesichert betrachten. König Bchanzm bleibe in derDe- ensive. Der Gesundheitszustand sei vorzüglich. Eine den Blättern zugestellte halbamtliche Mttlheituag bestätigt, daß vor läufig von einem Zuge gegen Abome, die Hauptstadt Dahomes, Abstand genommen sei. Oberst Dodds habe Befehl, sich am die Vertheidigung zu beschränken. Ein Telegramm aus Kvronu von heute meldet, König Behanzin habe an den Gouverneur und die Kaufleute von Porto Novo einen Bries gerichtet, m dem er behauptet, der Vertrag vom Ociober 1890 sichere ihm den Besitz des Ueme zu. Ec werde das französische Kanonen boot angreifen, weil es gekommen sei, um seine Truppen zu belästigen. Wenn cr seindliche Absichten hätte, so würde er Porto Novo bereits angegriffen haben. Wenn die Franzoserr ihn aber angreifen wollten, so möchten sie kommen, er sei be reit, sie mit 10 OM, 20 OM, ja, 40000 Soldaten aus allen Punkten zurückzutreiben. Die Behörden von Abome-Kalavy haben den über den Dehamsee gehenden Verkehr mit Kotonu untersagt. Behanzin hat befohlen, baß jeder Bewohner einen Soldaten oder das Geld für einen solchen zu stellen habe. — Die Nachricht, daß die Voruntersuchung gegen die verhafteten Anarchisten beendet sei, ist unrichtig. Sie wird sich vielmehr auch auf die gestern in St. Etienne mit Beschlag belegten Schriftstücke erstrecken, die auf das Verfahren der Anarchisten neues Licht werfen sollen. Auch ist noch nicht bestimmt, ob nur ein zusammenfasfcnder Proceß in Paris staltfindet oder ob zu gleicher Zeit auch in der Provinz Anarchisten abgeurthcilt werden. Seit Donnerstag sind iu Paris und dem Vororten etwa 60 Anarchisten, gegen die keine Belastungsgründe Vor lagen, aus der Hast entlassen worden. Die Redacteure der arnachistischen Blätter Pace Peinacd und Röoolre wurden in Haft behalten. Heute Morgen wurde aus den Straßen ein anarchistisches Blatt unter dem Titel „Ravachol" ausgebotco; ast alle Austräger wurden festgenommcn. In Troyes, wo am 1. Mai der CircuS angezüvdet wurde, steht da- Piäsectur- gebäude in Flammen. Da em heftiger Wind geht, befürchtet man, daß das ganze Gebäude zerstört wird. Man vcrmmyet Brandstiftung. — Beim Wiederzusammentrilt der Kammern wird Minister Loubet den angekündigten Gesetzentwurf über die Vermehrung der Polizistenstcllcn und Ausbesserung ihres Gehalts vorlegen. — Nachrichten aus Tanger melden, daß in Luat der Kampf zwischen den Parteigängern Frankreichs und Marokkos fortdauere. Die Oasen Timmimum und Tamentit sollen von den Franzoscnfreunden besitzt sein. ES geht das Gerücht, in Figig sei ein sranzosenfreundlichcr Algerier er mordet worden. Paris, 9. Mai. Wie der „Eclair" meldet, hat sich Brazza am 15. December von Odessa aus nach dem Saoga- fluß eingeschifft und marschirt nunmehr mit 5 Osficieren und 200 Soldaten aus den Tschadsee zu. * M Paris, 9. Mai. Das Bcgräbniß deS bei der Katastrophe im Restaurant Very umgekommcncn Hamonds ist ohne Zwischenfall verlaufen. Rußland. Petersburg, 8. Mai. Alle Nachrichten von einem angeb lichen Unterbleiben der Czarcnreise nach Kopenhagen wegen des Zustandes deS Großfürsten Georg sind unrichtig. Die
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