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Hohensteiner Tageblatt : 16.03.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189203160
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920316
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920316
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-03
- Tag 1892-03-16
-
Monat
1892-03
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 16.03.1892
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„Dervawa" eine Küstensahrt nach Finnland, und reist sodann auf dem Seeweg nach Kopenhagen. Belgien. Brüssel, 15. März Im ganzen Lande werden Samm lungen, WohlthätigkeitSfeste und Theatervorstellungen zu Gunsten der Hinterbliebenen der Opfer von Andcrlues veranstaltet. Frankreich. Paris, 12. März. Bisher waren den Anarchisten ihre Dynamitanschläge in Paris durchweg nur schlecht gelungen, unv wenn die von ihnen gelegten Patronen wirklich platzten, so richteten sie doch meist nur geringen Schaden an. DaS gestrige Verbrechen hatte dagegen einen weit ernstern AuSgang, und eS ist als ein besonderes Glück zu bezeichnen, daß ihm nicht auch Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Während die Anarchisten bisher die Patronen an den Eingängen der Häuser niederlegten, haben sie sie diesmal bis in die dritte Etage getragen und eine so starke Ladung oder mehrere Pa tronen genommen, daß nahezu daS ganze Haus vernichtet wor den wäre. Die Wirkung des Sprengmittels ging von oben nach unten und zerstörte daS ganze Treppenhaus, schlug die in die Wohnungen führenden Thüren er«, zerschmetterte alle Fenster und nh die Treppenteppiche in kleine Fetzen. Bon der Gewalt der Explosion kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkr, daß die nach dem Trcppcnhause gehenden Fenster der Portierloge mit solcher Heftigkeit in diese hrnein- geschleudcrt wurden, daß die Glatsplttter tnS in die Matratzen deS BetleS eindrangco. Nach oben war die Wirkung schwächer, aber immer noch bedeutend genug, um die Thüren emzuschlagen. Im fünften Glocke wohnte der Gerichtspräsident Benoist, der mehrfach in Verhandlungen gegen Anarchisten den Vorsitz ge führt und gegen den wohl der Anschlag eigentlich gerichtet war. Bei ihm hat aber die Explosion verhältnißmäßig den geringsten Schaden angerichtct. Er selbst war abwesend während der selben. Die nächste Folge des letzten TynamilschlagS wird sein, daß man sich zu einer Acnderung der G.setzgcbung ent schließen wird, um dem Treiben der Anarchisten schärfer zu- lcibe gehen zu können. Nach dem französischen Gesetz wird die Brandlegung an bewohnten Gebäuden mit dem Tode bestraft und ebenso ihre Zerstörung mit Hilfe einer Mine. Es scheint nun, daß die Zcrpörungen mittels des jetzt so beliebten Tyia- mils nicht als Zerstörung durch eine „Mine" betrachtet werden können und ebenfalls scheint es iraglich, ob man aus Grund eines Dynamitanschlags die Anklage wegen „Mordes" bezw. „Mordversuches" erheben kann. Sowohl rn parlamentarischen Kreisen als auch bei der Regierung wird nun die Frage er wogen, ob man nicht die Tynamitverbrechen einfach der Brand legung an bewohnten Häutern glcichstellcn und deren Veran stalter, gleichviel ob der Tod eine» Menschen elngctrctcn ist oder nicht, mit dem Tode bestrafen soll. Es ist sehr wahr scheinlich, daß aus diesen Erwägungen ein Gesctzesvorschlag hcrvorgchen wird, der allerdings sehr geeignet wäre, den Anarchisten ihr schauderhaftes Handwerk zu verleiden. Solange ihre Verbrechen nur mit Freiheitsstrafen bedroht sind, bleibt die Strafe eine zeitliche, abänderliche und die Anarchisten haben umsomehr Grund auf eine Abänderung zu rechnen, als hier bekanntlich von Zeit zu Zeit die Kammer von einem Amnestie- bacillus befallen wird, dessen Wirkung sie sich mit selbst mörderischer Wollust hingiebt. Die verurlheilten Anarchisten haben alle Aussicht, daß auch ihnen einmal, und zwar in nicht allzuferner Zeit, drese Veranlagung der Kammer zu gute kommen wird und selbst längere Freiheitsstrafen sehen sich unter diesem Gesichtspunkt nicht sehr schrecklich und ab schreckend an. Ist aber einmal der Kopf herunter, so kann ihn keine Amnestie der Welt wieder an seinen alten Platz ver setzen, und diese Erwägung dürfte meiner Erachtens viele Anarchisten denn doch abhaltcn, sich einer nicht wieder autzu- gleichcndcn Strafe auSzusctzen. Um allerdings die Anarchisten zu köpfen, muß man sie zuerst Haden, und die Aussichten auf ihre Entdeckung scheinen wenigstens in Bezug auf das letzte Atten tat sehr gering. Bisher hat die Polizei gar keinen Anhalt und die von ihr vorgenommenen Haussuchungen haben so gut wie nichts ergeben. Rochefort behauptet natürlich,. daß Con- stans die Attentate verübt habe, um der erschreckten Bourgeoisie den Beweis zu führen, daß ohne ihn die Sicherheit der Bürger und ihr Leben und Eigenthum des Schutzes entbehren. Er sagt auch voraus, daß Constans aus demselben Grunde am 1. Mai einen besonderen Schlag führen wolle. Doch lohnt eS wohl kaum der Mühe, sich mit diesen Verrücktheiten näher zu beschäftigen. Paris, 12 März. Der neue englische Botschafter Lord Dufferm ist Freitag Abend mit seiner Familie hier eingetroffen. Er vegiebt sich in nächster Zeit nach London, um der Königin seine Aufwartung zu machen und seine Kinder zu besuchen. Ende nächster Woche kehrt er hierher zurück und überreicht dann sein Beglaubigungsschreiben. Paris, 1b. März. Die Untersuchungen, welche die Be hörden über die letzten Dynamitattentate angestellt haben, sind trotz Aufgebots aller Kräfte, bis jctzr ohne Ergcbniß ge blieben. Paris, 15. März. Die Regierung dementirt wiederholt, daß Rochefort freies Geleit erhalten habe, um als Vcrtheidiger von Beauharoais nach hier kommen zu können. Paris, 15. März. Offiziös wird erklärt, daß Freyciuet über die angeblichen Armeeunterschlagungen in der Kammer eingehend Bericht erstatten werde. Man glaubt nicht, daß daS Gerücht völlig unwahr sei, denn gestern wurden thatsächlich zwei Oificicrc der hiesigen Garnison verhaftet und außerdem eine gerichtliche Untersuchung wegen Unterschlagungen von be deutendem Umfange eingcleitet. England. London, 15. März. Aus Frankreich flüchtiq gewordene Anarchisten, darunter Martinez, sind hier eingctroffen. London, 15. März. Die Wächter des Aildiz-KiroSk ver hafteten zwei Bewaffnete, die sich muthmaßlich zur Ausführung eines Mordanschlags auf den Sultan eingeschlichen hatten Rutzlanv. Alle Nachrichten betreffs baldiger Aushebung der Ausfuhr verbote dürften sich als unrichtig erweisen, da nicht einmal eine beschränkte HafcrauSsuhr aus den Ostseeprovinzen gestattet wurde, und durchaus keine Aussicht vorhanden ist, daß der Nolhstand bald enden wird. Die thcilweise Grlaubniß der MaiSauSsnhr auS Kutais ist ganz nebensächlicher Natur. Auch die neuerdings aufgetauchte Angabe wird in einer St. Peters burger Meldung der „Köln. Ztg." für irrig erklärt, Rußland wolle, bei weiterem starken Steigeu deS RubclcurseS, ent- sprechend schnell die Getreideausfuhrverbote aufzuhcbcn. Wie schlimm eS um die russische BahntranSportsähigkeit steht, er hellt auS dem Umstande, daß 10 Tage lang die Getreide- TranSporte im Nothbezirke auf den entsprechenden Bahnen eingestellt werden mußten, um endlich die ouigehäuiten alltäg lichen Frachten beiördcrn zu können. Der Beschluß hierüber wurde im Verkehrsministerium im Einvcrständniß mit dem in St. Petersburg weilenden Oberst v. Wendrich gefaßt, der jetzt nur noch auf 14 Tage nach Orel geht. Damit dürfte daun WeudrichS Aufgabe beendet sein. Griechenland. Eine dem „H. C." aus Achen zugehende Mittheilung be tont, daß die Ankündigung, eS werde anläßlich der gleichzeitigen Anwesenheit eines französischen und eines russischen Geschwa ders im PiräuS zu bedeutsamen politischen Kundgebungen kommen, sich durchaus nicht bestätigt habe. GriechischerseitS sei den Gästen zu Ehren nicht- geschehen, waS nicht durch die internationale Höflichkeit geboten wäre; bisher wurden ledig lich der französische Admiral und sein Stab durch König Georg empfangen. Die Officierc der beiden EScadrcS fraternisirten allerdings bei einem russischerseits veranstalteten Picknick, nach dem sich alle Theilnchmer gemeinschaftlich photographiren ließen. Der Commandant des russischen Geschwader- gab zu Ehren des französischen Admirals Dorlodot des EssartS und deS griechischen Marmeministers ein Diner, an welchem auch Vie Gesandten Frankreichs und Rußlands in Athen theilnahmen. Der russische Admiral brachte hierbei einen Toast aut die Marine der drei Staaten aus, welcher von dem französischen Admiral und dem griechischen Minister erwidert wurde. Der iranzösi'che Admiral seinerseits gab ein Diner, zu dem der Commandant der russischen EScadre und der griechische Contre- Admiral Siamatelas geladen waren. Vermischte». Ein Sittenbild aus der Reichshauptstadt. Man schreibt der „Franks. Ztg" aus Berlin vom 11. d.: MrS. Abbot und kein Ende! Wer gedacht hätte, daß der schamlose Schwindel mit dem magnetischen Phänomen dieses Jahrhunderts" nach den Eiklärungen und Proben ernster Männer der Wissenschaft ein Ende nehmen werde, der sieht sich bitter enttäuscht. Der Unmuth jenes Physiologen darüber, daß eine hysterisch erregte Laicnzescllschast gegen jeden wissenschaftlichen Versuch, die Kräfte und die Gewandtheit der Mrs. Abbot zu erläutern, sich auflehnte,, al- handelte cs sich um ein Jnquisitorium, ist voll auf berechtigt. Mil eiserner Stirn beharren die Veranstalter des Abbot-Lärms auf ihrem Humbug, und neuerdings sind sie darauf bedacht, in Berlin wieder den Abs-Rummel zu in- sceniren, wie er im Vorjahre in Berlin spukte. Längst sind die Geheimnisse des Ringkampfs enthüllt; man weiß, daß die gewerbsmäßigen Athtcten häufig Verträge mit einander ab- schließen, und daß danach die Entscheidung im Ringkampf fällt. In Berlin sollte es der chauvinistischen Kraftmeierei schmeicheln, daß der deutschnationale Athlet Abs den Amerikaner Cannon regelmäßig mederwarf. Diesmal ist Abs nicht als deutsch- nationaler Held in die Arena gerufen. Ec soll nur die „mag netische" Kraft deS MrS. Abbot erweisen. Natürlich handelt et sich wieder um ein abgekartetes Spiel. Ein hiesiger Turner, ein Herr Reinhold Schulz, hat nämlich am letzten Sonntag die Frau Abbot mehrfach gehoben (bei dem Experiment mit dem Emporhcbcn an den Ellenbogen bei vertical gestreckten MuSkeln). Herr Schulz verstand es nämlich, die athletischen Tricks der Frau Abbot zu paralysiren. Ein ungeheuerlicher Reclamenapparat wurde darauf in Bewegung gesetzt, Mrs. Abbot beschwört heute auf allen Anschlagsäulen den Turner, ihre gekränkte Ehre wiederherzustellen, sie verfüge eben über eine geheimnißvolle Kraft, Zeuge dessen der gewaltige AbS, der ihr nichts anhaben könne. Gestern producirte sich im Wintergarten Herr Abs zum ersten Male mit Mrs. Abbot. Zehn Mark wurden für einen Sitz auf den Estraden des Ricsen saales verlangt, trotzdem wurden die Preise durch die Agiotage noch weit überboten. Auf deu Treppenaufgängen zu den Est raden standen die Leute dicht eingekeilt, der Wintergarten war überfüllt und Hunderte mußten umkehren. Selbstverständlich besiegte Herr Abs die kleine „magnetische" MrS. Abbot nicht. Die Gemeinde der Spiritisten brach in Entzücken aus, die Dummköpfe johlten und den Skeptikern, die den Mumpitz er kannten, schleuderte der famose „Dramaturg", Herr Dr. Car- lotta-Ehrcnberg, Injurien ins Gesicht. So wird's gemacht, nur den Muth der Frechheit nicht sinken lassen. Herr Schulz er klärt heute in einem pathetischen Rundschreiben an die Blätter, er werde die Herausforderung der Frau Abbot nicht annehmen. Eines deutschen Turners sei eS unwerth, sich in faulen Zauber zu mengen. Warum gerade eines deutschen Turners? Jeder anständige Mensch wird sich von dem neuerlichen AbS-Abbot- Rummel mit Ekel abkchreu und wie die wüsten AbS-Raufe- reien in den deutschen Provinzialstädten kein Aufsehen mehr erregten, so wird hoffentlich auch Mrs. Abbot in der Provinz den tollen Spektakel nicht erregen, der in Berlin so leicht erregt werden kann. 4 * * Auf eine» großartigen Schwindel hatte eS der ehemalige Student Richard Fischer abgesehen, der im Januar in einem Hotel in Berlin unter dem Namen Dr. Strehlau Wohnung nahm. Der junge Mann machte die Bekanntschaft eine- Güter- maklerS, dem er erzählte, er beabsichtige sich demnächst mit einer sehr reichen Dame zu verheirathen und sei nicht abge neigt, in der Umgebung Berlins eines größeren Grundbesitz käuflich zu erwerben. Gelegentlich theilte er dem Makler auch gehcimnißvoll mit, daß ihm vom König von Sachsen der Titel eines Grafen Schwarzeneck verliehen worden sei. Als ihn der Makler einige Zeil später darauf aufmerksam machte, daß in der Nähe von Berlin ein g'ößercr Gütercompl-x, das Ritter gut H., zu verkaufen sei, trat der angebliche Dr. Strehlau alias Graf Schwarzencck sofort wegen Ankaufs deS Gutes in Unterhandlungen. Ler junge Mann und der Makler besich tigten daS Gut, und e- kam zwischen Strehlau und dem Be vollmächtigten des Rittergutsbesitzers ein Vertrag zu Stande, Inhalts dessen sich jener verpflichtete, das Gut für 1,200,000 Mark zu kaufen. Als Graf Schwarzencck führte sich Fischer sodann bei einer Berliner Bank ein. Er erklärte dem Dirrctor, daß er daS Rittergut H. gekauft habe, aber noch 100,000 Mk. zur Anzahlung brauche. Er sei erbötig, für diese und etwaige weitere Beträge der Bank hypothekarische Sicherheiten zu bieten; die Hypotheken könnten auf daS wenig belastete Gat hinter dea Pfandbriefen eingetragen werden. Dem Dircclor der Bank erschien der Mann elwaS fragwürdig, eS fiel ihm besonder- auf, daß der sächsische Graf Schwarzencck nicht sächsischen Dia lekt sprach. Aui eine Anirage eiklärte der Schindler, er ent stamme eigentlich einer österreichischen AdelSsamilie, dem Ge schlechte der Grafen der Eichelburg von Grciffenstcin und führe dcn Ramen Schwarzencck nur nebenbei. Diese Antwort war ledoch nicht geeignet, den Argwohn deS BankdirectorS zu zer streuen, und da- Geschäft zerschlug sich. Fischer versuchte eS nun bei dem Subdirector einer Versicherungsgesellschaft, dem er unter Beibringung von Documenten erzählte, daß er da- Rittergut H. kauien wolle. Er brauche ein Darlchn von 100,000 Mk.; falls er es bekomme, wolle er sich bei der Ge- scllfchait mit 300,000 Mk. versichern — nachdem er seine reiche Braut, als die er ein Fräulein von S. bezeichnete, hcim- geführt habe. Auch der Suddircctor brach die Verhandlungen ab, nachdem der junge Mann ihm auf die Frage noch seinem eigenen Vermögen ganz unwahrscheinlich klingende Angaben gemacht hatte. Jetzt trat Fischer noch mit einem Fabrikanten io Verbindung und diesen har er durch ähnliche Vorspiegel ungen schließlich, wenn auch nicht um 100,OM Mk. so doch um 3M Mk. geprellt. Am Sonnabend wurde der Hochstapler verhaftet; bei seiner Festnahme bestand sein Vermögen aus — vier Pfennigen und einem Pfandschein. Der Gemeindevorsteher von Qualen hat sich, wie ein Privat-Telegramm aus TravkMünde meldet, vor einigen Tagen non dort nach Berlin begeben und hier erschossen. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß er der ihm unterstellt gewesene» Gemeindckasse erhebliche Beträge entnommen und in seinem Nutzen verwendet Hai; auch die Sparkasse der Gemeinde Travr- münde ist von ihm geschädigt worden. Die unterschlagenen Beträge beziffern sich auf ungefähr 35,000 Mk. * 4 * London, 12. März. Der Ausstand, der größte, der jemal- unter den Bergleuten stattqefunden, hat begonnen. In all n Bergwerken von Südost-Durham haben die Bergleute ihr Werkzeug ans Tageslicht befördert; ein Theil der Pferde und PonicS wurden gestern schon herauigebracht, die übrigen folgen heute. Die Arbeiter selbst werden nicht von der Kohleuoo h berührt werden, denn die BergwerkSbcsitzcr haben ihnen groß- müthig erlaubt, soviel Kohlen, wie sie wollten, einzulcgcn. Aber eine Wassernoth bedroht sie, da sie dieses von den Gruben beziehen. Gestern waren Männer, Frauen, Kinder während eines blendenden Schneesturms damit beschäftigt, Wasser heim- zutragcn. 70,000 Bergleute in Isrkshire stellen heute Abend die Arbeit ein, viele thaten dies schon gestern. In Durham werden nicht nur 100,000 Bergleute von dem Ausstande be rührt; auch die Kohlendampfer Lord Durhams werden beigelegt und die Leute entlassen. Lord Londonderiyt Bergleute waren unter dcn ersten, welche die Arbeit einstclllen. Durch diese- Verfahren liegt der Verkehr und Handel in der Hafenstadt Seaham mit 10,OM Einwohnern fast ganz darnieder. Viele Töpfereien in den Midlands werden geschlossen und die Thon arbeiter zu Songton entlassen. In dem Alkalibeznke vou Widncs sind viele Hochöfen gelöscht worden; 6000 Lkbeiter weiden dort brodloS, falls der Ausstand andaucrt. Vie Aus- ständischen beabsichtigen, ihre Sache durch zahlreiche Versamm lungen in allen Theilen des Landes zu fördern. Zwei Ge fahren bedrohen während der Arbcitsruhe die Gruben: manche werden sich mit Wasser füllen, da die Pumpen still stehen; in andern könnte fick das Stickgas ansammeln. Ein Theil der Bergleute in Staffordshire schließt sich dem Ausstand nickt an, wenn ihnen so weit cntgegenzekommen wird, daß keine Ucker- schichten stattfinden und so die Abnahme der vorhandenen Kohlenvorräthe nicht gehemmt wird. In North Wales stellen heute 10,OM Mann die Arbeit ein. In Flintshire wider setzen sich 2M0 Bergleute, darunter die von Hawacden, dem Sitz Gladstones, dem Befehle der Föderation und fahren in der Arbeit fort, trotzdem sic mit dcm Bannstrahle des Aus schlusses bedroht sind. Die Preise aui der Londoner Coal Exchange stiegen gestern nicht. Man erklärt sich diese merk würdige Thatsachc damit, daß London, selbst wenn das winter liche Wetter fortdaucrn sollte, genug Kohlen für 10 bis 14 Tage hat. In letzter Woche wurden Geschäfte au' der Exchange abgcthan, die sich in ruhigen Zeiten au» drei Wochen ausge dehnt haben würden. Dabei glaubt man, die Bergleute von Midland würden nur drei bis vier Tage feiern; diese ge horchen nur dem Befehle der Föderation, wenn sie sich anfangs dem Ausstand anschlossen, ohne einen eigent lichen Streit mit dcn Grubenbesitzern zu haben. Die Durhamer dagegen schon seit einer geraumer Zeit Zwistigkeiten mit den Eigenthümern gehabt und be nutzen die Stunde, sie zum AuStrage zu bringen. Infolge des Ausstandes hat eine Shropshirer Drahtsabrik einen großen Auftrag nach Deutschland vergeben. Es ist möglich, daß die Kohlenträgcr-Union belgische oder andere fremde Kohlen mit dem „Boycott" belegt. Die Shipping Federation ist aber am den Fall vorbereitet; sie hat 65,000 freie Arbeiter bereit. * 4 * London, 14 März. Die Zahl der auSständischcn Berg arbeiter beträgt in den Bezirken Manchester 60,000, Nord- waleS 10,OM, Nottingham 20,000, Bristol 4M0, Decbychire 25,OM, Durham 90,000. Zu diesen kommt eine große Anzahl Au-ständischer in andere« Gegenden, sodaß die Gejammtzahl 300,000 überschreiten dürfte. Der Ausstand wird nach der Meinung vou Betheiligten mindestens eine Woche, in einigen Bezirken 14 Tage dauern. * 4 4 Brüssel, 13. März. Gestern Abend entzündete sich aber mals da- Grubengas in Anderlues. Die Flammen schlugen au- dcm Boden und die Umgebung der Grube war eine Zeit lang weithin erst mit schwarzem, dann mit weißem Rauch bedeckt. Heute Nachmittag hat das Begräbniß der 38 Opfer, die noch gefördert werden konnten, stattgesunden; sieben der selben waren noch lebend über Tage wieder erschienen. Es sind von allen Seiten Neugierige eingctroffcn, wohl 20,OM, die still und gerührt in die offenen Häuser ein treten, wo die Leichen der Verunglückten aufgebahrt liegen. AuS dcm Lllft- schacht steigt noch stets Rauch auf und die Befürchtung einer abermaligen Entzündung ist noch nicht geschwunden. Line Weile kam dec Rauch auS dem Föcderschacht; so lange mutz, es in dem Gange in der Teufe von 420 m gebrannt haben.
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