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Hohensteiner Tageblatt : 17.02.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189202174
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920217
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-02
- Tag 1892-02-17
-
Monat
1892-02
-
Jahr
1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 17.02.1892
- Autor
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Die Dienstmagd Ida Antonie Graubaum aus Zeulenroda, eine rückfällige Diebin, welche der Klosse der Micthgcldpreller und Gelegenheitsdiebe anzugehören scheint, bekannte sich einer in Oberhermkdors verübten Miethgeldprellerei und zweier in Oberlungwitz verübter einfacher Diebstähle schuldig. Im letzteren Orte entwendete sie einem Etrumpswirkcr ein Taschen, mcsser und einer Näherin eine Barchents, ck.'. Der Betrug brachte ihr eine Gefängoißstrafe von 2 Tagen, die Diebstähle aber brachten ihr eine dergleichen Strafe von 4 Monaten ein. Am Sonntag fand die Weihe der neuen Lutyerkirche in Hohndors statt. Dem Programm, welches anläßlich dieser Festlichkeit ausgestellt wurde, sind verschiedene interessante Notizen über die Geschichte des Kirchenbaues bcigefügt. Aus demselben theilen wir Folgende« mit. Hohndorf war bis vor 15 Jahren ein kleines Dorf von kaum 1000 Seelen und, soweit die sicheren Nachweise zurückgehen, von jeher mit Lichtenstein kirchlich ver bunden. Mit dem Jahre 1561 beginnen die Kirchenbücher von Lichtenstein, und schon damals gehörte Hohndorf zur Parochie Lichtenstein. Als im Jahre 1872 auch in Hohndors der Kohlenbergbau seinen Anfang nahm, indem in diesem Jahre mit dem Läufen der Schächte begonnen ward, und vollends, als 1876 und 1877 auf den beiden Werken Kohlen aufgeschlossen wurden, begann für Hohndors eine Zeit schnellen Aufblühens. Während bei der Volkszählung im Jahre 1875 noch 940, 1880 1100 Seelen gezählt wurden, beträgt die Ein wohnerzahl jetzt rund 3500; von diesen sind rund 3250 Evan gelische. Im Lutherjahre 1883 faßte der Gcmeindcrath den Bau einer Kirche in'S Auge und begründete man unter dem Namen „Lutherstiftung" einen Kirchenbaufonds, der durch 1 Prozent der jährlichen Einnahme, vom 1. Januar 1887 an 2 Prozent jährlich vergrößert wurde. Am 29. März 1888 be antragte der Gcmeindcrath bei dem Kirchenoorstand zu Lichten stein zunächst, einen eigenen Gottesacker in Hohndorf anlcgen zu dürfen, nach Ablehnung dieses Antrages aber am 21. April 1888 die gänzliche Abtrennung Hohndorfs von Lichtenstein. Am 29. März 1889 wurde von dem hohen evangelisch-luthe rischen LandeSkonsistorium endgiltig die Genehmigung hierzu ertheilt. DaS PatronatSrecht über die neue Kirche zu Hohn dorf wurde Sr. Durchl. dem Fürsten von Schöaburg-Walden- burg und seinen Nachbcsitzern den Schönburgischcn Rezeßherr- schafteu zugesprochcn. Am 26. Mai 1889, vom. Rorate, wurden die ersten Kirchenoorstehcr vom Diakonus Riedel in Lichtenstein, welcher zum KirchenvorstandSvorsitzenden ernannt worden war, eingewicscn Der neue Kirchenvorstand beauf tragte sogleich den Architekt Ehr. Schramm in Dresden mit der Ausarbeitung des Entwurfes für die neue Kirche, welche ungefähr 750 Sitzplätze enthalten und in golhischem Style ohne freistehende Pfeiler erbaut werden sollte. Nachdem zur Aus führung des vorgelegten Entwurfs die Genehmigung der kirch lichen und baupolizeilichen Behörden unter dem 26. August 1889 ertheilt worden war, wurde der Bau in Angriff genom men. Am 11. September 1889 wurde der eilte Stein, am 24. Octobcr 1889 der Grundstein in feierlicher Weise gelegt. Nachdem der Bau bis zur Sockelhöhe gelangt war, mußte er wegen des eintretcnden Winters eingestellt werden. Am 21. Juli 1890 konnte das Kirchhaus gerichtet werden. Am 14. September 1891 fand die Feier der Glockcnweihe statt, und jetzt endlich ist dec ganze Bau in aller seiner Schönheit vollendet, um seiner hohen Bestimmung übergeben zu werden. Im Octobcr 1891 designirte Ec. Durchl. Fürst Otto Friedrich von Schönburg-Waldenburg, als Kirchenpalron, aus Bitte des Kirchenvorstandcs, den Diakonus Riedel in Lichtenstein zum ersten Pfarrer von Hohndorf, wozu von dem hohen evangelisch- lutherischen LandeSkonsistorium die Bestätigung ertheilt wurde. Ali Zeichen der Freude an dem herrlich vollendeten Werke wurden der neuen Kirche zahlreiche Schenkungen und Stift ungen zuthcil, u. A. 6000 Mk. Geschenk des hohen evange lischen LandeSkonsistorium» zur Herstellung der 5 Fenster des hohen ChoreS rn Glasmalerei, 2000 Mk. Geschenk Sr. Durchl. des Fürsten von Schönburg-Waldenburg zur Beschaffung eines Gegenstandes nach eigenem Ermessen des Kirchenvorstandcs, 1000 Mk. Geschenk des Architekten Schramm zur reicheren Ausmalung des Altarraumes rc. Eine am vergangenen Sonnabend in Glauchan im Saale der Zentralhalle einberufcne öffentliche Volksversammlung, in welcher der relegirte Student und jetzige Redakteur des in Chemnitz erscheinenden „Beobachters", Herr Walter May, über „Volksbildung im Klasscnstaat und die BildungSbestrcb- ungen der Arbeiter" referiren wollte, wurde von dem über wachenden Beamten Herrn Stadtrath Hinckelmann, nachdem sich der Herr Referent nicht gcziemenoe Aeußerungcn über Religion und Kirche erlaubte, schon kurz nach dem Beginn wieder geschlossen. Aus Glauchau wird geschrieben: In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag hatten 4 hiesige und 1 Gesaucr Bewohner sich ausgemacht, um in einigen benachbarten Ort schaften Diebesvisiten abzustatten. In Callenberg aber wurde die Gesellschaft gestört und suchte daher eiligst das Weite. Doch nahmen 6 dortige Einwohner die Verfolgung, die in folge der deutlichen Spuren im Schnee bedeutend erleichtert wurde, auf. Im nahen Ebersbach, wo zwei der Gesellen schon rn ein Gehöft cingestiegen waren, während die andern drei Wache hielten, trafen die Verfolger noch rechtzeitig ein, um die vollständige Ausführung des Verbrechens zu verhindern. Leider gelang es nur, den einen der Diebe, den Schuhmacher P. von hier, in der Auestraße, fcstzunchmen, während die anderen entkamen. Unterstützt von den Aussagen desselben, gelang cs der Polizei und der Gendarmerie, auch die übrigen Betheiligten dingfest zu machen. Die vorgenommcnen Durch suchungen waren ergcbnißloS. Im Besitze des P. fand man bei seiner Festnahme einen Sack, sowie Tragbänder; das DicbcSgcsindel schien also jedenfalls einen ergiebigen Fang zu erwarten, der glücklicherweise jedoch vereitelt werden konnte. Ein eigenartiger Betrug ist kürzlich in Reichenbach und in anderen Städten dcS Vogtlandcs ausgcsüyrt worden. Es tauchte ein Herr auf, der sich als Clavierstimmcr und Rcpara- teur aus der Pianofortc-Fabrik von Feurich in Leipzig auSgab und sich als solcher in den Zeitungen und auch im dortigen Blatte dcn Herrschaften empfahl. Der Betreffende war in Folge dessen ein ziemlich vielbcgchrter Mann. Nur einige Wenige halten indcß da« Vergnügen, diesen berufenen Clavicr- stimmer bei sich zu sehen, die größere Mehrzahl blieb unberück sichtigt. Der Mann hatte den Platz bereits wieder geräumt, noch bevor er aller ihm zugcdacht gewesenen Aufträge sich ent ledigt hatte. Für die Uebcrgangcnen bedeutete das ein Glück. Denn wie sich nachmals hcrausgeftcllt hat, stand der betreffende Mann zur Feunch'schen Pianofortc-Fabrik in keinerlei Be ziehung und war außerdem in seiner Kunst ein derartiger Stümpfcr, daß diejenigen Jnstrumcnte, die seinen Händen an- vertraut waren, fast ausnahmslos kläglich verstimmt sind. Die betreffenden Pianofortebcsitzer beschwerten sich zwar nachträglich bei der Fcurich'scheu Hoipianofortefabrik, mußten aber bald die unangcwhmc Wahrnehmung machen, daß sie das Opfer einer Betrugs geworden sind. Vor dem vermeintlichen Pianosorte- flimmer, welcher sich in Reichenbach Jrnisch nannte, ist also fürderhin zu warnen. Ein 18jähriger Sattlerlehrling von Leipzig legte am ver gangenen Sonnabend in einem Bankgeschäfte der Klostergasse einen gefälschten Wechsel zum DiLcontiren vor, der jedoch als solcher sofort erkannt wurde, was die Festnahme des leicht sinnigen Menschen zur Folge hatte. Auf dem Polizeiamtc räumte er die begangene Fälschung unumwunden ein und er klärte, er habe sich gern auf biqueme Weise Geld verschaffen wollen. Ei» wegen EigcnthumSvergchcn wiederholt, darunter auch zweimal mit mehrjährigem Zuchthaus vorbestrafter 37jähriger Handarbeiter von Leipzig erschien am Sonnabend Vormittag m der Wohnung eines in der Mühlenstraßc in Plagwitz wohn haften Kohlenhändlers, bei dem er sich früher vorübergehend in Stellung befunden hatte, wobei er es so einzurichten wußte, daß er zu einer Zeit erschien, zu welcher sei» früherer Principal nicht zu Hause anwesend zu sein pflegte. Kaum hatte die ihatjächlich allein in der Wohnung anwesende Ehefrau dct letzteren die Saalthür geöffnet, als der Erschienene sich in die Wohnung eindrängte, die Frau zu Boden warf, am Halse würgte und auf sie niederknietc, hiervon auch erst auf ihre Hilferufe abließ, worauf cs der Frau gelang, vom Vorsaale nach der Stube zu flüchten, in die ihr der Eindringling nach- folgtc und hier 40 Mark von ihr verlangte. Durch einen Sprung durcks Fenster gelang eS der Frau, sich vor dem gefährlichen Menschen zu retten, der nun auch seinerseits flüchtete. Am Nachmittage desselben Tages verübte cr als dann im Rathsholze zwischen Großzschochcr und Connewitz einen zweiten Raubanfall, indem er einem ihm begegnenden Realschüler die Uhr und Kette aus der Westentasche zu ent reißen versuchte, was ihm jedoch in Folge der Festigkeit der Uhrkette nicht gelang. Nunmehr forderte cr von dem erschrockenen Schüler Uhr, Kette und Geld mit barschen Worten ab un) erreichte auch seinen Zweck, worauf er sich mit seiner Beute — der erhaltene Gcldoetrag belief sich auf 1 Mk. 30 Pi. — entfernte. Bereits vorgestern gelang cS der Polizei, den Räuber dingfest zu machen. Der durch die Straßen fegende Sturm war in der Nacht zum Sonnabend zu solcher Stärk: angcschwollen, daß er ein auf dem Markte in Grimma stehendes Haus nicderriß. Zu nächst hob er das Dach ab und warf es auiS Pflaster, wo cs in drei Theile zerbarst. Dann stemmte er sich gegen die Wände des Bauer, riß und drückte an ihnen, bis auch sie mit dumpfem Schall zur Seite fielen. Menschenleben sind bei dem Unfälle glücklicher Weise nicht zu beklagen. Aus der Lößnitz. Am Sonnabend Vormittag glitt in Kötzschenbroda der Kutscher vom Brauereibesitzer Große beim Jauchefahren aus und gerieth unter die Hufe seiner Pferde. Von einem der Pferde wurde er hierbei so getreten, daß ihm das Gesicht völlig zerschlagen worden ist und an einem Wieder auskommen des Unglücklichen, der sofort in ein Krankenhaus nach Dresden geschafft wurde, gezweifelt wird. Ein ähnlicher chwercr Unfall betraf Ende voriger Woche den Schic ftrdccker- neister B., der in der Beschlagschmiede von seinem eigenen Pferde derart geschlagen wurde, daß er am Kopfe schwer ver letzt schwerkrank darnieder liegt. Aus Kötzschenbroda: Am Montag Vormittag wurde vom Gohliscr Fährmann eine anscheinend leblose Frau mit einem durch Stricke an ihrem Leibe befestigen Kinde aus der Elbe gezogen. Als der Fährmann, nachdem er im Gemeindeamt Kötzschenbroda Anzeige erstattet hatte, zur Fähre zurückkam, fand sich, daß die aufgefangene Frau wieder Lebenszeichen von sich gab und während der langen Abwesenheit des Fährmanns wieder zu sich gekommen war. Die Frau, deren Persönlichkeit noch nicht festgcstellt werden konnte und die anscheinend zu dcn böhmischen und polnischen Eisenbahnarbcitern gehört, wurde in dem Krankenhaus Bethesda in Niederlößnitz untergcbracht. Durch die Nachricht eines Raubanfallcs wurde die Stadt Pulsnitz und die nächste Umgebung am Dienstag in Aufregung ersetzt. Am Montag Abend zwischen 9 und 10 Uhr wurde der von einer Auction heimkchrende Handelsmann Körner aus Ohorn von dem 26jährigen Tagelöhner Geißler und dem 18- ^ährigen Bandwcbcr Steglich, beide aus Ohorn, angefallen, riedergcschlagcn und seiner aus 50 Mark bestehenden Baar- chaft und seiner Uhr beraubt. Der Angcfallene, au» seiner momentanen Betäubung erwachend, hörte er noch die Worte: Der ist todt, nun können wir ruhig gehen". Diese Worte lößten dem Bedauernswcrthen große Geistesgegenwart ein, er icrhielt sich ganz ruhig, bis sich die Mordgesellen entfernt hatten, alsdann schleppte er sich mit Mühe noch seiner unweit entfernten Wohnung und veranlaßte die Verfolgung der Misse- thäter. Dieselben wurden auch gegen Morgen ermittelt und verhaftet. Bei der später folgenden Beweisaufnahme entsprang Steglich auf dem Wege nach Ohorn, es gelang jedoch, ihn tags darauf wieder festzunehmen. Der Ueberfallene ist zwar im Gesicht und am Kopfe sehr verletzt, befindet sich aber außer Lebensgefahr. In den letzten Tugen sind in Zittau dem Vernehmen nach mehrere Personen verhaftet worden, in denen man die leravstaltcr des am 1. October in der Gegend von Reichen berg in Bühmcn beabsichtigten Dynamit-Attentats gefunden zu haben glaubt. Auf die Ergreifung der Schuldigen wurde einer Zeit eine Belohnung von 10,000 Gulden ausgesetzt. Nach weiteren Meldungen hat sich jetzt eine Untersuchungs- Commission aus Reichenberg nach Tannwald und Grünwald im Isergebirge begeben, um dort Verhaftungen vorzunehmen. Deutscher Reichstag. Berlin, 15. Februar. Der Reichstag, der heute besser als in den letzten Tagen besetzt war, begann mit der Berathung des Militäretats. Zu dem Titel „Gehalt des Kriegsministers" lag ein Antrag der Commission vor, der die verbündeten Regierungen ersucht, dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegcu zur Regelung und näheren Begrenzung derjenigen Fälle, in denen die Civilver- waltungen berechtigt sind, die dauernde Gestattung von mili- lärischcn Wachtposten zu polizeilichen Sicherheitszwccken zu ver langen; ferner auf eine thunlichste Einschränkung der Militär- posicn, insbesondere in verkehrsreichen Gegenden hinzuwirken; endlich eine den veränderten Verhältnissen entsprechende Revision der Bestimmungen über dcn Gebrauch der Schlcßwaffen seitens der Militärpostcn herbeizusühren. Abg. Richter erläuterte diesen Antrag auS SparsamkcitSrücksichten und in Anbetracht, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Wachtposten ver altet seien Generalmajor v. Goßler machte statistische Angaben über die Menge der von der Civilvcrwaltung erforderten Kosten. Was die Ehrenposten und die im Interesse der militärischen Disciplin ausgestellten Posten anlange, sei Sache der Com- mandogcwalt. Abg. Singer brachte die Absperrungsmaßregeln bei der Anw:senhcit fremder Fürstlichkeiten zur Sprache und bat im Inten sie der bürgerlichen Rechte, diesen Absperrungen endlich ein Ende zu machen. Gegen das Schießen der Wacht posten sprach er sich mit großer Schärfe auS; cr hielt cS für einen ganz unhaltbaren Zustand, wenn man Posten ermächtige wegen meist nichtiger Anlässe das Todesurtheil über einen Menschen nicht nur zu verhängen, sondern auch sogleich zu vollstrecken. Abg. Richter meinte, eine Abhülfc gegen die durch die Absperrungen hervorgerufenen Verkehrsstörungen sei durchaus nothwendig und eine Verständigung zwischen der Militärverwaltung und den bürgerlichen Behörden über die Verringerung der Posten sehr wohl möglich. Abg. v. Fiege erklärte im Namen der Conscroative», daß sie der Resolution nur unter der Bedingung zustimmen würden, wenn man die Ehrenposten aus dem Spiele lasse. Nach weiteren Ausführ ungen der Abgq. Singer und Mcyer (Berlin) über diese Reso lution nahm Abg. Richter das Wort, um die von ihm ein- gebrachte Resolution zu begründen. Gegen seine Auseinander setzung machte G.neralmajor v. Goßler geltend, daß ein ver spätetes Eintreten der Einjährig-Freiwilligen „aus Antrag" unter den Begriff eines allerdings nicht strafbaren Verschuldens falle. Die Resolution der Commission wurde fast einstimmig und die Resolution Richter mit großer Mehrheit angenommen. Beim Capitcl Militäijustizverwaltung" kam die von der Commission beschlossene Resolution über die Reform der Mililärstrafproeeßoidnung und der von den Abgg. Buhl und Richter beantragte, die Wünsche der öffentlichen Meinung viel entschiedener zum Ausdruck bringende Antrag zur Verhaodluug. Eingeleitet wurde die Besprechung über die Soldatcnmißhand- langen durch eine vortreffliche Rede des erst kürzlich in das Haus eingetretencn nalwnalliberalen Abg. Casselmann, der unter Beziehung au? seine engere Heimath, Baiern, schlagend nachwies, daß die O ffentlichkeit des Verfahrens die DiSciplin nicht schädigen werde. Der sächsische Oberst v. Schlieben be tonte, daß der Erlaß des Prinzen Georg die Ocffentlichkeit nicht zu scheuen brauche; die sächsische Militärverwaltung be dauere nur, daß dis Veiöffcntlichung durch einen unerhörten Vertrauensbruch ermöglicht fei. Hierauf ergriff der Reichs kanzler Graf Caprivi das Wort, um rn längerer Rede aus- zuiühren, daß die beklagenswertheu Soldatenmißhandlungen auch durch die .Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens nicht aus der Welt geschafft würden. Die Gereiztheit des Kanzlers gegen die liberalen Parteien kam auch heme wieder zum Aus druck, indem er unter lebhafter Unruhe der linken Seite Partcipolitik vorwarf und bemerkte, daß der Antrag Buhl- Richter eine in hohem Grade schroff: Form angenommen habe, durch welche der Behandlung der Materie nicht gedient werde und daß, wenn man in dieser Weise weitergehe, man anderen Leuten in die Hände arbeite. Trotz seiner Anhäng lichkeit an das alte Verfuhren erkannte er die Reformbedürftig en der Militär-Strafproccßocdnung an; aber eine Verständig ung in dieser Tagung hielt er für ausgeschlossen. In mehr als zweistündiger Rede schilderte Abg. Bebet eine große Zahl von Soldatenmißhandlungen und entwickelte die socialdemo- iratischcn Ideen über die Ausbildung der Wehrkraft. Reichr- anzler Graf Caprivi protcstirte in sehr erregtem Tone über die Beschimpfung preußischer Truppentyeile und Officiere und teilte die Abnahme der Selbstmorde in der Armee fest. Morgen wird die Berathung fortgesetzt. 'j'Etsans Stets-. Berlin. 14. F.bruar. Unter den culturcllcn Unternehm ungen in Ostafrika verdient die beabsichtigte Gründung einer Ballgesellschaft eine besondere Aufmerksamkeit, weil sich an der ostafrikanischen Küste das dringende Bedürfniß geltend macht, möglichst schnell für die Europäer gesunde und zweckentsprechende Wohnungen zu errichten. Bisher sind dort wie m Zanzibar ausschließlich die aus Corallenkalkbruchstein erbaute» Häuser m Verwendung; daneben kommen nur noch die direct von Europa elngeführteri Häuser vor. Coralleofcls steht fast ausnahmslos an der ganzen Küste, von der Mündung des Umba bis zur Mündung des Rovuma an; in Folge seiner Härle ist die Gewinnung zu Bauzwecken aber schwierig und kostspielig. Das Bauen mit ihm ist so langwierig und umständlich, daß cS sich nachdem die aus dcn alten Ruinen gewonnenen Steine ziem lich aufgcbraucht sind, als praktisch und billiger bewährt hat, Häuser von Europa nach Ostafrika einzusührcn. Solche Häuser werden aber durch die Fracht, die Aufstcllungskostcn u. s. w. o theuer, daß nur die Regierung und die mit reichlichen Mn- eln versehenen großen Gesellschaften sich die Anschaffung er- auben können. Die übrigen an der Küste ansässigen Europäer müssen mit Dem vorlieb nehmen, was die Küste an schon vorhandenen Wohnungen bietet; oft genug werden alte Ruinen unter Anwendung von Wellblech und europäischem Bauholz zu nothdürftig bewohnbaren Räumen umgcschaffen. Viele in der ostafrikanischen Erde ruhenden Europäer verdanken ihr frühes Lebenscnde, neben einer verkehrlen Lebensweise, einer schlechten, unzureichenden Behausung. Dasjenige Baumaterial, welches das einfachste, billigste und beste ist, der Backstein, fehlt zur Zeit noch gänzlich in Ostafrika, obwohl geeignete Ziegeleroe an der Küste in reichem Bestände vorhanden ist. Die Anlage einer Ziegelei ist daher vorläufig von dem königlichen Bau- rath Friedrich Hoffmann, ins Äuge genommen, im Falle sich genügendes Interesse dafür zeigen sollte. Als technischer Lener ist Herr Janke, ein ftühcrer Ojficier der Wißmann'schen Schutz truppe in Aussicht genommen, der durch mchrmonaltiche Arbeit und besondere Unterweisungen auf der Kronziegelei Bellin die wlhigen Bürgschaften für eine sachgemäße Ausführung des Internehmens bietet, dessen Kapital auf vorläufig 50,000 Mk. cstgesetzt ist, welche durch Authcile von 500 Mk. zujammen- gcbracht werden sollen. Wir wollen nicht weiter auf Emzet- eiten eingchcn, sondern nur noch bemerken, daß auch die )cutsch-Ostafrikanische Gesellschaft sich an dem Unternehmen bctheiligev will, das auch der Ingenieur Mittelstadt, dem die Vorarbeiten für die Eisenbahn Tanga-Korogwe obliegen, durch aus günstig beurthettt. Die Hauptschwierrgkeil liegt wohl an dem Mangel an einem tüchtigen Arbeiterstamm, doch haben die Erfahrungen in Lewa gezeigt, daß die Verhältnisse nicht zu ungünstig sind. Berlin, 15. Februar. Ueber das vorgestrige parlamen tarische Diner bei dem Minister v. Boetticher, an dem auch der Kaiser Theil genommen hat, bringen die Zeitungen nur
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