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-ir 203, 31. August 1921. Redaktioneller Teil «Srl-nrl»« I. d. IM». vi-chd-lld-I. Noch einmal: Buchhandel und Presse. (Vgl. Bbl. Rr. ZM.) Die Not der Zeit hat das Bedürfnis nach einer starken Ver tretung der buchhändlerischen Interessen in der Öffentlichkeit fühlbarer denn je gemacht. Die alte Forderung nach Errichtung einer besonderen Pressestelle des Börsenvereins und nach tatkräf tiger Bearbeitung der Tagespresse durch sie wurde erneut erhoben. Diese Pressestelle ist da und arbeitet nach besten Kräften, mit welchem Erfolg freilich, konnte vor einiger Zeit (vgl. Nr. 168 des Börsenblatts vom 21. Juli --Rechtsprechung und Tagespresse) an einigen besonders sprechenden Beispielen gezeigt werden. Das stieß Wohl darauf, überhaupt einmal das Verhältnis von Buch handel und Presse eingehender zu beleuchten, wie es in dem Auf- satz von Georg Eltzschig »Buchhandel und Presse « in Nr. 190 des Börsenblattes vom 16. August in der Tat geschehen ist. In Nr. 200 des Börsenblatts vom 27. August hat vr. Franz Ullstein aus diese Ausführungen geantwortet und weitere Ausblicke er öffnet. Das gibt Gelegenheit, auf die Frage noch einmal zurück zukommen. Es läßt sich dazu noch sehr viel sagen. Sie ist auch so wichtig, daß sie einer sehr gründlichen Prüfung durchaus wür dig ist. Die wünschenswerte Verständigung wird erschwert, wenn man nicht von vornherein sehr scharf zwischen Verlag und Schrift stellerschaft gerade auch bei der Presse unterscheidet. Presse allein wird sonst ein zu nebelhaftes, unfaßbares Etwas. Man wird nicht bestreiten können, daß in den Schristleitungen — von den Mitarbeitern ganz abgesehen — vorwiegend der Standpunkt des Autors und des Bücherkäufers vertreten wird. Das ist natür lich und berechtigt nicht ohne weiteres zu Vorwürfen. Sich dieser Tatsache verschließen zu wollen, wäre töricht. Der Buchhandel kann sich gar nicht im unklaren darüber sein, welche Stellung nahme zu seinen Interessen er von dieser Seite zu erwarten hat. Er muß mit Gegensätzlichkeiten rechnen, die sich bis zur offenen Feindseligkeit, sogar zu bitterem Haß steigern können, je nach Temperament und besonderen Anlässen. Hinsichtlich des Zeitungs verlegers liegen die Dinge aber nicht ohne weiteres ebenso. Georg Eltzschig wollte gerade darauf Hinweisen, daß sich im Gegenteil zwischen Zeitungsverlcgern und Schriststellerschaft in vielen Punk ten genau dieselben Gegensätze auftun können wie zwischen Buch- Verlegern und Schriststellerschaft, und daß es mithin nur ein Zu fall und eine vorübergehende Zeiterscheinung sein dürfte, wenn heute die natürliche Bundesgenossenschast zwischen Zcitungs- und Buchverlag weniger deutlich empfunden zu werden scheint, daß es ferner vielleicht nur eines Weckrufs und Anstoßes bedürfe, um die Lage zu ändern. In diesem Sinne wäre der beklagte Mangel an freundlicher Verbindung zwischen Buchhandel und Presse teilweise tatsächlich in einem Gegensatz begründet, im übrigen aber leicht zu beheben. vr. Franz Ullstein hat offenbar sein herausgefühlt, welch dankbare Vermittlerrolle hier dem Zcitungsverlcger, namentlich soweit er zugleich selbst Buchverleger ist, blüht, und seine Aus führungen sind jedenfalls der erste erfreuliche Beweis dafür, daß der Zeitungsverlag sich der Aufgabe, an die er durch Georg Eltzschig erinnert wurde und auf die ihn die eigenen Interessen Hinweisen, gern zu widmen bereit ist. Mit Recht weist Herr vr. Ullstein darauf hin, daß man sich die Auseinandersetzung nicht zu leicht vorstellen darf und daß sie von seiten des Buchhandels Verständnis für das Wesen der Presse verlangt. Es darf aber auch ohne weiteres von vornherein vorausgesetzt werden, daß der Buchhandel nie der Meinungsbildung der Schriftleitungen vorzugreifen und ihrem Meinungsausdruck von sich aus eine bestimmte Form zu geben versuchen wird. Der Schriftleiter, der mit seinem Namen deckt und verantworten soll, was in seinem Blatt gedruckt erscheint, muß sich in der Tat das Recht voller Freiheit und Unabhängigkeit der Meinungsbildung wahren. Das weiß der Buchhandel bei seinen so engen Beziehungen zur Schriststellerschaft von selbst. Er ist auch nicht so weltfremd, denen, die sich in der Presse zu Worte zu bringen wissen, ohne weiteres jede Kenntnis der Dinge oder gar das Recht ihrer Erörterung absprcchen zu wollen. Was er aber verlangen kann und unter Hinweis auf die bisherigen Er fahrungen fordert, das ist wirkliche Unparteilichkeit und den guten Willen, sachliche Erläuterungen und statistisches Material, die er zur Verfügung stellt, entgegenzunehmcn, unbefangen zu prüfen und dann auch zu berücksichtigen. Gerade weil die Schriftlsitun- gen unbewußt von Haus aus immer Partei sein werden, haben sie doppelte Verantwortung, nicht immer nur eine Seite, sondern eben auch die andere zu hören und dann gegebenenfalls auch zu Worte kommen zu lassen. Daß dies möglich ist, beweisen die er freulichen Ausnahmen, die nicht verschwiegen werden sollen. Es sei auch zugegeben, daß aus der Nichtbeachtung von Einsendungen aus Kreisen des Buchhandels und feiner Organisationen bei den Schristleitungen nicht immer ohne weiteres schon auf bösen Wil len geschlossen werden darf. Die Arbeitsüberlastung zwingt nur zu oft, unpersönliche Zuschriften unbesehen in den Papierkorb wandern zu lassen. Hier aber kann und muß eben die persönliche Mittlerrolle des Verlegers eingreifen, und es wird doch niemand bestreiten, daß der Einfluß des Verlegers immer noch groß genug sein wird, um bei der Schristleitung Beachtung (nicht ohne wei teres Anerkennung) der Äußerungen des Buchhandels durchsetzen zu können. vr. Franz Ullstein glaubt nun, durch Aufhebung der Geheim haltung des Börsenblatts mit einem Schlage eine Besserung her- beiführen zu können. Hier müssen Zweifel auftauchen. Das Börsenblatt dient der Klärung der Meinungen innerhalb des Buchhandels und dem Austrag der inneren Meinungsverschieden heiten. Es wird darin eine sehr offene Sprache geführt, auch über Dinge, die gewiß nicht vor eine breitere Öffentlichkeit ge hören. Wenn andere Fachblätter sich weniger verschließen, so ist das doch nur möglich, weil sie nicht in diesem Maße Sprachrohr und Spiegel aller internen Angelegenheiten sind. Der Anzeigen teil des Börsenblatts ist in besonderem Matz rein für Buchhänler bestimmt. In seiner bisherigen, bewährten Form ist also das Börsenblatt wirklich nur internes Fachblatt. Verspräche die Auf hebung seines intimen Charakters tatsächlich irgendwelchen Er folg? Es kommt auf die Einstellung der Presse an. Ist sie vor wiegend buchhandelseindlich, wie man jetzt noch annehmen mutz, so wird sie aus dem Börsenblatt nicht Belehrung zum Besseren schöpfen, sondern sich nur Stoff zu weiteren Angriffen auf den Buchhandel holen. Sie tut das jetzt schon zum Teil, was beweist, daß die Geheimhaltung des Börsenblattes keineswegs so absolut ist, und daß eben sein Inhalt für wie gegen den Buchhandel ver wandt werde» kann. Es allen zugänglich zu machen, verspräche daher erst Erfolg, wenn die Einstellung der Presse dem Buchhandel gegenüber vorurteilsfreier und wohlwollender geworden ist. Das ist die Hauptsache, ist aber nur im Wege der persönlichen Beein flussung und Aufklärung der Schristleitungen möglich. Wieviel sich dadurch rasch bessern läßt, hat in einzelnen Fällen der Erfolg bereits erwiesen. Wenn erst nicht mehr nur buchhandclsfeindliche Stimmen in der Presse laut werden, wenn vielmehr von vornherein leicht als ungerechtfertigt zu erkennende Angriffe unterbleiben, wenn alles, was vor dem Forum der breiten Öffentlichkeit von Natur weder erörtert noch entschieden werden kann, aus den Spal ten der Tagespresse ausgeschlossen bleibt, ist schon das meiste ge holfen. Dann kann die eigentliche Aufklärungsarbeit, die Er ziehung der Masse durch die Presse einsetzen. Ganz von selbst werden dabei Buchhandel und Presse als nahe verwandte Ge schwister Hand in Hand gehen, wofern sie sich nur erst selber verstehen gelernt und gefunden haben. Diese Brücke aber zu schla gen, ist eben niemand mehr berufen als der Zeitungsverlag, der ja vielfach selbst Buchverlag zugleich ist. Ist diese Verständigung erzielt, dann wird auch die Presse eher imstande sein, eine Kritik zu üben, die der Buchhandel als sachlich-wohlwollend anerkennen muß und der Rechnung zu tragen er deshalb im eigensten Inter esse nicht wird unterlassen dürfen. Dann also erst wird auch die Presse wirklich fruchtbringend die Interessen der Bücherkäufer wahrnehmen können. Württembergischer Buchhändlerverein. Jahresbericht des Vorstandes über das 42. Vereinsjahr 1920/21, erstattet vom 1. Vorsitzenden vr. W. Kohlhammer, Stuttgart, in der Hauptversammlung am 20. Juni 1S2I. Die Sorgen um die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes sind im verflossenen Geschäftsjahr nicht geringer, im Gegenteil lZ07