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Nr. 141. .die Seile ZS m" rr MMiüMÄMrstMerÄMeMAW'M'WWW^ Leipzig, Montag den 22, Juni 1914, 81. Jahrgang. Redaktion Leipziger Briefe. VII, <VI siehe Nr, 12g,> Leipzig im Zeichen der Bugra, — Vom deutschen Buchdruckertag, — Die Tagung des Zentralvereins der Deutschen Buch- und Zeitschriften händler, — Die Tagung des Reichsverbands der deutschen Presse. — Der erste Kongreß der deutschen Schriftstellerinnen, — Vom Allgemeinen Buchhandlungsgehilfentage, — Weitere Tagungen, — Feier des Johannisfestes auf der Bugra, Während sonst nach Beendigung der Kantatetage das Verschwinden der Fahnen vom Buchhändler- und Buchgewerbe- Hause sowie von den Geschäftspalästen des Buchhandels den Eintritt der stilleren Zeit ankllndigt, ist in diesem Jahre in Leipzig ein Kommen und Gehen wie nie zuvor, Anlaß folgt auf Anlaß für den Buchhandel, die Häuser zu beflaggen, und von Stille ist keine Rede. Das macht die Bugra, die wie jedes weibliche Wesen das Ziel ihres Daseins in der Geltend machung einer Art von Pantoffelherrschaft (sit, venia verbo) erblickt. Da die Dauer dieses Zustandes sich nicht auf Lebens zeit ausdehnt, so läßt sich der Leipziger das Regiment gern gefallen, zumal es, wie jede weibliche Herrschaft, auch seine Annehmlichkeiten hat. Ebenso wie es nötig ist, daß Publi kum und Buchhandel sich einander besser verstehen lernen, erscheint es auch angebracht, daß die Ausstellung und die mit ihr verbundenen Kongresse dazu benutzt werden, mit den ver wandten Berufszweigen Fühlung zu nehmen und einen tieferen Einblick in ihre Arbeit und ihre Sorgen zu gewinnen. Es wird dadurch möglich, aus den engen Schranken des Berufs herauszutreten und das Wesen der eigenen Arbeit und der eigenen Berufssorgen in dem Spiegel anderer mehr oder minder ähnlicher Verhältnisse klarer zu erkennen. Der notwendige gegenseitige Verkehr, das Eingreifen der Arbeit des einen Berufes in die des andern wird dadurch auf eine festere Basis gestellt und vollzieht sich in Formen, die anstelle des vielfach im Gcschästsleben herrschenden Mißtrauens, das im Grunde genommen immer ein Zeichen von Unsicherheit und Unkenntnis ist, das Vertrauen und die Sicherheit des Wissens und Verstehens setzen. Die engen, zwischen dem Buchdruckgewerbe und dem Buch handel bestehenden Beziehungen, die auch durch die Zugehörig keit von vielen Personen zu beiden Berufen dokumentiert werden, lassen das Interesse begreiflich erscheinen, das der Buchhandel der vom 13, bis 16, Juni in Leipzig abgehal- tcnen Tagung des Deutschen Buchdrucker-Vereins, dem Deut schen Buchdrucker-Tag, entgegengebracht hat. Der Kongreß dürste zu den größten und bedeutendsten gehören, die bisher im Rahmen der buchgewerblichenWeltausstellung in unseren Mauern stattgefunden haben. Eingeleitet wurde er durch einen Be- grützungsabend mit Unterhaltungsprogramm im Palmengarten, Die Hauptversammlung fand am Sonntag den 14, Juni unter Leitung des ersten Vorsitzenden, Herrn vr, Klinkhardt, im großen Kongreßsaale der Bugra statt. Aus der Ansprache des Herrn Vertreters der sächsischen Staatsregierung, Wirkl, Geh. Rat vr, Roscher, Exzellenz, ist eine den Kampf gegen Schund und Schmutz betreffende Stelle bemerkenswert, Exzellenz Roscher sagte, daß dieser Kampf von allen Vater eller Teil. landsfreunden immer mehr als dringendes Bedürfnis em pfunden werde. Von der beseelten Feder habe man nicht selten gehört, daß sie sich dagegen gesträubt habe, Unwürdiges wiederzugeben. Dagegen sei das Papier geduldig. Solche Geduld in verhängnisvollem Sinne wünsche er den deutschen Druckern nicht. Im Kampfe gegen Schmutz und Schund komme es viel auf ideal gesinnte Drucker an. Der Menschheit Würde fei heute mindestens ebenso in die Hände der Buchdrucker wie in die der Künstler gegeben. Im Mittelpunkt der Verhand lungen stand der Vortrag des Herrn Geheimen Kommerzienrat Büxenstein über die Entwicklung des Deutschen Buchdrucker vereins und seine Bestrebungen auf dem Gebiete des Lohn- und Preistarifwesens, Aus dem Vortrag ging hervor, daß der Verein 65°/o kleiner, 26»/„ mittlerer, 5°/„ großer und 4°/^ ganz großer Betriebe vereinigt, deren Arbeiterschaft sich im Jahre durchschnittlich um 4°/, vermehrt. Von den in den genannten Betrieben beschäftigten 178 000 Personen sind nur 23 000 ungelernte Arbeiter, An Arbeitslöhnen werden jährlich etwa 142 Millionen Mark gezahlt, während die Beamten- gehälter 26 Millionen betragen. Der Redner ging dann näher auf die Geschichte der Tarifgemeinschaft ein und be tonte, daß sie nur auf neutralem und nicht auf parteipolitischem Boden gedeihen könne. Gegen die Machenschaften der sozialdemokratischen Organisationen sei ein fester Zusammen schluß vonnöten, ' Während die Gehilfenschaft zielbewußt und mit Nachdruck ihre Interessen verfolgt habe, sei es der Prinzipalität nicht von jeher gelungen, die ihrigen zu wahren. Da habe der Buchdruckerverein zu rechter Zeit eingegriffen. Eine Ringbildung sei im Buchdruckgewerbe unmög lich, Wenn aber die Gehilfen eine auskömmliche Entlohnung erreicht hätten, so müsse das Ziel einer ausreichenden Bezah- lung der Buchdrucker-Arbeiten je und je nachdrücklich verfolgt werden. Im Verlauf der folgenden Verhandlungen wurden zwei Anträge angenommen, von denen der eine den Anschluß des Vereins an einen größeren Arbeitgeberverband mit gleicher Tendenz und der andere die Ergreifung wirksamerer Maßnahmen zur Durchführung des deutschen Buch druck-Preistarifs betraf. Prinzipielle Zustimmung fand der Antrag des Vorstandes, den Verein künftig »Deutscher Buch- druckereibesitzer-Verein« zu nennen. Aus die mehr interne Fragen behandelnden, mit der Tagung verbundenen Versamm lungen der 32, Genossenschaftsbersammlung der Deutschen Buchdrucker-Berufsgenossenschaft und die Hauptversammlung der Feuerversicherungs-Genossenschaft Deutscher Buchdrucker am Montag folgte ein Festmahl im Zoologischen Garten, das einen anregenden und schönen Verlauf nahm. Eine den Buchhandel noch näher berührende Tagung war die des Zentralvereins Deutscher Buch- und Zeit- schriftenhändler, die in den gleichen Tagen in Leipzig staltfand. Gegen 300 Mitglieder des Vereins fanden sich am Sonnabend, den 13, Juni, im Gutenbergkeller zum Begrüßungs abend in zwanglosem Beisammensein ein. An die Sitzungen des Geschäftsführenden Ausschusses und die Delegierten-Sitzung schloß sich am Sonntag abend ein Festbankett im Hauptrestaurant der Bugra, Im Mittelpunkte der Montag und Dienstag abgehal tenen Hauptversammlung standen meist interne, den Beruf der 993