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9, 13. Januar 1914. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Tlschn. Buchbaudel. des Gesetzes von 1901 und vor Inkrafttreten der Novelle von 1910 ein blosser Vcrlagsvertrag geschlossen ist. Der wesentliche Unterschied des Verlagsvertrags gegenüber dem Urheberrechtsvertrage besteht bekanntlich darin, daß beim Verlagsvertrage der Urheber sein Urheberrecht nicht der Substanz nach aus den Vertragsgegner überträgt, sondern daß er ihm nur die Ausübung seiner ausschließlichen Vervielfälti gung?- und Verbreitungsbefugnis in beschränktem oder unbe schränktem Umfange überläßt und sich nur verpflichtet, seinerseits die ihm au sich noch immer zustehende Vcrvielfältigungs- und Verbreitungsbefugnis soweit nicht auszuüben, als er deren Ausübung dem Verleger überlassen hat. Das Verlagsgesctz von 1901 enthält in 8 2 (a. F.) eine dem 8 14 des Urheberrechtsgesetzes nachgebildete Bestimmung, wo nach auch beim bloßen Verlagsvertrag die dort genannten be sonderen Befugnisse nicht mit auf den Verleger übergehen sollen, schweigt aber über die Frage, wie es mit den mechanischen Be fugnissen steht. Danach könnte man wieder folgern, daß mangels einer ausdrücklichen entgegenstehenden Bestimmung auch beim Verlagsvertrag die mechanischen Befugnisse einfach als Bestand teil der allgemeinen Vervielfältigung?- und Verbreitungsbefug- nis der Ausübung durch den Verleger überlassen sein müßten. Diese Folgerung würde aber irrig sein. Denn da beim Ver lagsvertrag nur die Ausübung des Vcrvielfältigungs- und Verbreitungsrcchts überlassen wird, muß man in erster Linie davon ausgehen, daß die Ausübung dieses Rechts nur in dem Umfange dem Verleger freistehen soll, als der Urheber sie ihm nach dem beiderseitigen Vertragswillen überlassen wollte.DerVer- lragswille der Kontrahenten geht aber nun beim Verlagsvertrag sim Gegensatz zum Urhebcrrcchtsvertrag, bei dem der Erwerber das Urheberrecht seinem volle» Inhalt nach soll ausllben dürfen) zweifellos mangels abweichender Sondcrabmachungcn immer dahin, daß der Verleger das Werk in b u ch h ä n d l c r i s ch e m Sinne verwerte, also die Vervielfältigungs- und Verbreitungs befugnis in der Art und in dem Umfange ausnutze, wie dies im Buch- und Musikalienverlag üblicherweise geschieht. Das ganze Verlagsgesetz läßt erkennen, daß unter Verlagsvertrag ein solcher Vertrag zu verstehen ist, der die ve r l ag s m ä ß i g e Vervielfäl tigung und Verbreitung zum Gegenstände hat; der größte Teil seiner Bestimmungen hat nur in dieser Richtung Zweck und Sinn. Man vergleiche u. a. die Vorschrift, wonach 1000 »Abzüge« eine Auflage bilden <K 5), die Vorschriften über Zuschuß- und Frei exemplare <8 7), über die Form und Ausstattung der Abzüge <8 14), das Erscheinen in Abteilungen (8 15), über die Korrektur <8 M), den Ladenpreis (8 21), die Berechnung der Vergütung nach Zahl der Druckbogen <8 23) u. a. m., die sämtlich beweisen, daß der Gesetzgeber bei ihrer Abfassung nur an die buchhändle- rische Vervielfältigung gedacht haben kann. Schließen also zwei Kontrahenten einen Verlagsvertrag ab, so muß natürlich davon ausgegangen werden, daß sie darunter einen Verlagsvertrag im Sinne des Gesetzes verstanden haben, nicht aber einen solchen, der auch die Herstellung von Vorrichtungen zur Wiedergabe mit tels mechanischer Instrumente betrifft. Wenn demnach in einem Verlagsvertrage nichts über die Ausübung der mechanischen Be fugnisse gesagt ist, kann man mit Bestimmtheit sagen, daß dies deshalb unterblieben ist, weil nach dem Parteiwillen ausschließ lich die Ausübung des verlagsmäßigen Vervielfältigungsrechtes übertragen werden sollte und die Übertragung mechanischer Be fugnisse völlig außerhalb des Bereichs des Vertragsgegenstandes lag. Daraus folgt, daß bei einem unter dem Gesetz von 1901 geschlossenen Verlagsvertrag von einem Übergang der mechani schen Befugnisse auf den Verleger keine Rede sein kann, weder hinsichtlich der nach dem Urheberrechtsgesetz von 1901 bereits bestehenden, noch hinsichtlich der durch die Novelle neu geschaffe nen mechanischen Befugnisse. Und wenn die Novelle in ß 2 Zisf. 4 des Verlagsgesetzes eine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts erließ, so änderte sie nichts an dem bereits vorher be stehenden Rechtszustande, sondern stellte diesen nur authentisch fest. Daß alles vorstehend hinsichtlich der unter der Herrschaft des Verlagsgesetzes von 1901 geschlossenen Verlagsverträge Gesagte auch für Verlagsverträge zu gelten hat, die schon vor Inkraft treten dieses Gesetzes geschlossen waren, bedarf keiner weiteren Ausführung. Denn es besteht keine Veranlassung, solche Verträge hinsichtlich ihres von den Parteien gewollten Inhalts anders auszulegen, zumal ja doch das Verlagsgesetz von 1901 überhaupt seiner ganzen Tendenz nach darauf ausging, möglichst nut dem schon vorher gewohnheitsrechtlich bestehenden Zustande seine gesetzliche Anerkennung zu verleihen. II. Die kinematographischen Befugnisse a) beim U r h c b e r r c ch t s v e r t r a g. Eine ausschließliche Befugnis des Urhebers für die Be nutzung seines Schriftwerks zur kinematographischen Wieder gabe seines Inhalts, wie sie in 8 12 Zisf. 5 der Novelle zur An erkennung gelangt ist, wird im Gesetz von 1901 als Bestandteil des Urheberrechts nirgends erwähnt. Im Gegensatz zu den me chanischen Befugnissen ist es auch nicht möglich, aus den sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes eine direkte Anerkennung der kinc- matographifchen Befugnisse herzuleiten. Man könnte ja Wohl die Frage aufwerfen, ob die ktnematographische Darstellung eines literarischen Bühnenwerks nicht einen Eingriff in das ausschließ liche Aufführungsrecht des Urhebers enthalte. Dies ist jedoch zu verneinen. Denn was bei der kinematographischen Wiedergabe von dem Drama reproduziert wird, ist doch nur eine Folge von pantomimisch dargestellten Situationen, während die den Kern der literarischen Produktion bildende dramatische Wechselrede völlig in Wegfall kommt. Das Wesen der bühnenmäßigen Auf führung mutz aber doch gerade im Zusammenwirken von drama tischer Wechselrede und Handlung erblickt werden, und eine bloße pantomimische Wiedergabe der Handlung allein entfernt sich von der bühnenmäßigen Darstellung noch weiter als die ohne büh nenmäßiges Spiel erfolgende bloße Rezitation des Dialogs, die ja anerkanntermaßen selbst bei verteiltenRollen dem Aufführungs recht nicht zuwiderläuft. Deshalb müßte es als eine nicht zu rechtfertigende Willkür angesehen werden, wenn man annehmen wollte, daß im Gesetz von 1901 unter »Ausführung« auch die kinematographische Wiedergabe des Inhalts zu verstehen sei. Soweit cs sich um nichtdramatische Schriftwerke handelt, an denen ein Aufführungsrecht überhaupt nicht besteht, könnte man die Frage aufwerfen, ob die kinematographische Benutzung etwa un ter den Begriff der Dramatisierung falle, die nach 8 12 Zisf. 3 dem Urheber ausschließlich Vorbehalten ist. Aber auch dies wäre nicht zutreffend, denn wie wir im Vorstehenden feststellten, daß eine kinematographische Wiedergabe nicht als Aufführung im Sinne des Urheberrechtsschutzes gelten könne, so können wir aus ganz denselben Gesichtspunkten heraus die Verfilmung einer Erzählung nicht als Dramatisierung anerkennen, weil dem Endprodukt das dem Drama wesentliche Element, das Zusammen wirken von dramatischer Wechselrede und Handlung, völlig fehlt. Endlich müßte sowohl bei dramatischen, wie bei nichtdrama tischen Werken in Erwägung gezogen werden, ob die Verfilmung nicht alz Bearbeitung im Sinne des 8 12 Abs. 1 dem Urheber Vor behalten sein mußte. Da aber bei der Verfilmung Wohl stets ein solches Maß eigenartiger Gestaltungskraft aufgewendet werden muß, daß das Filmwerk gegenüber dem Original als eigentüm liche Geistesschöpfung im Sinne des 8 13 Abs. 1 erscheint, könnte auch aus diesem Gesichtspunkte eine ausschließliche kinematogra- phischc Befugnis des Urhebers nicht hergeleitet werden. Wir müssen also davon ausgehen, daß dem Gesetz von 1901 der Begriff der kinematographischen Befugnisse vollkommen fremd ist und demnach unter seiner Herrschaft die kinematographische Be nutzung eines Schrifwerks jedem freistand. Im Hinblick hierauf ist die Beantwortung der Frage außer ordentlich schwierig, ob beim Vorliegen eines unter der Herr schaft des Gesetzes von l90l geschlossenen Urheberrechtsvertrags die erst durch die Novelle geschaffenen kinematographischen Befug nisse dem Erwerber zustehen oder dem Urheber verblieben sind. Eine Prüfung des mutmaßlichen Vertragswillens der Parteien wird in der Regel aussichtlos sein, denn hinsichtlich solcher autor rechtlicher Befugnisse, die begrifflich noch gar nicht existierten und deren künftige Existenz nicht vorausgeschen werden koimtc, konnten die Vertragsparteien irgend einen konkreten Willen überhaupt nicht haben. Selbst in dem Falle, daß im Urheber rechtsvertrag ausdrücklich die im damaligen 8 >4 bezeichneten Be- 63