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9050 Nichtamtlicher Teil. 245, 20, Oktober 1904. dem Postbetrieb aufweist. Im folgenden wollen wir daher einen der größeren Kommissionsbetriebe Leipzigs des näheren besichtigen. Zuvor sei ein kurzer Rundgang durch denjenigen Teil von Leipzig gestattet, in dem sich die Haupttätigleit des Buchhandels und der ihm verwandten Gewerbe (graphische Anstalten und Buchbindereien) abwickelt. Die offenen Verkaufsläden (Sortimente) liegen meist im Herzen Leipzigs, nämlich in der Altstadt, während sich die den Schwerpunkt des Leipziger Buchhandels bildenden Ver lagsbuchhandlungen und Kommissionsgeschäfte sowie die buchgewerblichen Betriebsstätten fast ausschließlich im Osten Leipzigs befinden. Die Grenze bildet der inmitten der Stadt belegene Augustusplatz mit dem Hauptpostgebäude, das mit seiner stattlichen Hauptfront eine der monumentalen Zierden dieses prächtigen Platzes ist. Wenn wir dieses Ge bäude zum Ausgangspunkt unserer Wanderung nehmen, so erblicken wir gleich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft in der Poststraße das große Geschäftshaus der Firma B. G. Teubner, berühmt als Druckstätte und Verlag der lateinischen und griechischen Klassiker, einer der größten Verlagsfirmen der Welt auf dem Gebiete der klassischen Philologie und Archäologie. Ihre Maschinenhäuser, Setzer- und Drucker säle, ihre Lager und Kontore bedecken Hunderte von Quadrat metern. Wir wenden uns vom Augustusplatz ostwärts den Grimmaischen Steinweg entlang und erreichen nach zwei Minuten den Johannisplatz, einen Verkehrsknotenpunkt, der mit seinen strahlenförmig auslaufenden fünf Straßenzügen gewissermaßen den Schlüssel zum eigentlichen Buchhändler viertel darstellt. Nach welcher Richtung wir uns von hier auch ivenden, überall stoßen wir schon nach kurzer Zeit auf Stätten und Spuren des Buchhandels und des Buchgewerbes. Linker Hand die Querstraße führt uns nach wenigen hundert Schritten an einer Anzahl andrer Buchhandlungen und Buchdruckereien vorüber zu der Weltfirma F. A. Brockhaus, deren tief in das Häuserviertel hineinreichende ausgedehnte Geschäftsgebäude eine kleine Stadt für sich bilden. Die neuen Gebäude, die diese Firma für die Unterbringung ihrer Drucksäle errichtet hat, sind an sich eine Sehens würdigkeit, da sie wohl sämtliche Einrichtungen in sich ver einigen, die ein humaner Sinn zum Wohle der Arbeiter er denken konnte. Rechter Hand vom Johannisplatz die Nürnberger Straße hinunter gelangen wir in ihrer Mitte an einen fünfstöckigen Gebäudekoloß. Es ist ein schmuckloser, nüchterner Bau, aber die Inschrift »Breitkopf L Haertel« sagt uns, daß wir hier abermals ein Welthaus vor uns haben, dessen Verlagsartikel, insbesondere aus dem Gebiete des Musikalienhandels, der Firma selbst und der Musikstadt Leipzig auf dem ganzen Erdenrund zur Ehre gereichen.") In den östlichen benachbarten und gleichlaufenden Straßen begegnen wir einer Fülle von weiteren Buchhand lungsfirmen, und namentlich in der Tal- und Königsstraße bemerken wir schon an den vor den Häusern angefahrenen charakteristischen Handwagen der Buchhändler-Markthelfer mit den aufgesetzten würfelförmigen Körben von Rohr geflecht, in denen Bücherpäckchen und Zeitschriften angehäuft sind, daß wir uns im Bereich des Buchhandels befinden. Hierauf deuten auch die uns begegnenden Rollwagen der Spediteure, die in der Richtung von den Bahnhöfen mit Ladungen von Druckpapier, nach den Bahnhöfen mit schweren Bücherballen beladen an uns vorüberziehen. ") Wir erlauben uns, an dieser Stelle die umfangreichen Ge bäude der buchhändlerischen und buchtechnischen Firmen Gicsecke L Devrient (Nürnberger Straße), Scheiter L Giesecke (Brüder- straße), Julius Klinlhardt (Liebigstraße) als auch in der äußeren Erscheinung sehr hervortretend, einzuschalten. Red. Die Talstraße hinauf an der schmucken Heimstätte der »Gartenlaube« vorüber zur Hospitalstraße gelangend und diese ostwärts weiter verfolgend, erblicken wir rechter Hand dicht neben dem Postamt 10 das mächtige Gebäudeviereck der Firma F. Volckmar; diese unterhält eines der großen Leipziger Barsortimente und ist zugleich eine der be deutendsten Kommissionsbuchhandlungen mit 768 Kommit tenten. In demselben Gebäude befinden sich die Bureaus und die Redaktion des bekannten -Woerl's Reisebücher- Verlags«. Weiter hinaus am Ende der Hospitalstraße sehen wir links die »Gutenbergstraße« abbiegen und nähern uns nun dem Hauptteil des Buchhändlerviertels, wo eine ganze An zahl von Straßen die Namen berühmter Männer tragen, die sich um das Buchgewerbe oder den Buchhandel verdient ge macht haben, so außer der Gutenberg- die Teubner-, Breit kopf-, Crusius-, Göschen- und Perthesstraße. Von der Ecke der nächsten Seitenstraße (Teubnerstraße) grüßt uns die In schrift »Daheim« traut und freundlich entgegen; das Haus ist das Besitztum der Bielefelder Firma Velhagen L Klasing, die hier ihre Daheimexpedition und ihre Geographische An stalt untergebracht hat. Der Teubnerstraße folgend, bemerken wir auf der linken Seite die Filiale des Deutschen Verlags hauses Bong L Co. in Berlin, bei dem u. a. die uns wohl- bekannten illustrierten Familienzeitschriften »Zur guten Stunde- und -Für Alle Welt« erscheinen; wir stoßen ferner auf Druckereibetriebe jeder Art, galvanoplastische Anstalten, Buchbindereien mit und ohne Dampfbetrieb usw. Am augenfälligsten aber treten uns die Stätten des Buchhandels und des Buchgewerbes entgegen, wenn wir uns nun nach Durchschreitung des Tunnels vom Eilenburger Bahnhof auf der Breitkopfstraße bis zum Täubchenweg begeben. Hier haben wir eine ganze Reihe jener modernen Riesenbetriebs stätten vor uns, die man mit dem Namen »Buchhändler- paläste- bezeichnen hört; rechts die große Spamersche Ver lagsbuchhandlung, Buchdruckerei und Buchbinderei, links das Geschäftshaus der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesellschaft (vormals Gustav Fritzsche); in einigen dieser Paläste ist eine ganze Anzahl größerer Betriebe vereinigt, beispielsweise nebeneinander in demselben Gebäude 1 Zeitungsverlag, 2 Verlagsbuchhandlungen, 1 Buchdruckerei, 1 Buch- und Kunstdruckerei, 1 Messinglinienfabrik und Gravieranstalt, 1 Briefumschlägefabrik, 1 graphische Kunstanstalt und 1 Buchbinderei. Dabei haben diese Gebäude keinen fabrikmäßigen Anstrich, sie weisen im Gegenteil ansprechende architektonische Formen auf und tragen mit dem hellgelben Grundton ihrer Back stein- und Ziegelmauern zur Belebung des Straßenbildes bei. Auch von dem Geräusch des Betriebs ist auf den Straßen kaum etwas wahrnehmbar; erst wenn wir durch eine der großen Durchfahrten den Hof eines solchen Häuser riesen betreten, gewahren wir an dem aus den Kesselräumen dringenden Fauchen und Stampfen der Dampf- und Dynamomaschinen und an dem Surren der Motoren, daß im Innern tausende von fleißigen Händen sich regen, die jede an ihrem Teil dazu beitragen, daß Millionen von Menschen mit den geistigen Erzeugnissen der Jetztzeit ver sorgt werden und nicht nur an ihrem Inhalt, sondern auch an ihrer gediegenen Ausstattung sich erfreuen können. In dem einen ganzen Straßenblock einnehmenden Ge bäude Täubchenweg 19/21 (Firma K. F. Koehler) haben wir das zweite der großen Leipziger Barsortimente und zugleich