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Freitag, den 21. Juli 1911. Nr. 29. Der Handelsgärtner Ahonementsorsls Handelszeitung für den deutschen Gartenbau ür das Ausland M . 8.— jährl. Ausgabe jeden Freitag. Bestellungen nimmt Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. jede Postanstalt entgegen. • BO Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille - Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm bräite Petit-Zeile. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Von der Arbeitnehmerversicherung in der neuen Reichsversicherungsordnung. I. Wieder ein Urteil über das Auserbieten von Forderungen. Das Virsprechen der Ehefrau. Einiges über Erdbeeren sowie empfehlenswerte und neuere Sorten. I. Die Kakteengattung Phyllocactus. Volkswirtschaft — Handel und Verkehr — Ausstellungen — Vereine und Versamm lungen — Personal en — Kultur — Fragekasten für Pflanzenschutz usw. Von der Arbeitnehmerversicherung in der neuen Reichsversicherungsordnung. 1. Die Krankenversicherung. Wir haben bereits aut einzelne Vorschriften der neuen Reichs versicherungsordnung hingewiesen, soweit sie namentlich für die Angehörigen der Gärtnerei besondere Bedeutung hatten, indessen sind die einzelnen Versicherungsgruppen, Kranken versicherung, Unfallversicherung und Invaliden- und Hinter- bliebenenversicheruug doch so wesentlich anders ausgestaltet worden, als es bisher der Fall war, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer aller Branchen des Gartenbaues ein Interesse daran haben, das ganze Versicherungsgesetz in seinen Haupt zügen kennen zu lernen. Wir beginnen dabei mit der Krankenversicherung. Hier ist gleich hinsichtlich des Umfanges der Versicherung eine Neuerung getroffen, denn die Versicherungspflicht ist nicht mehr von der Zugehörigkeit zu bestimmten Betrieben abhängig, vielmehr sind, wie schon jetzt bei der Invalidenversicherung alle Personen der Regel nach versicherungspflichtig, die ihre Arbeitskraft in untergeordneter abhängiger Stellung verwerten. Es sind versichert Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten, Betriebsbeamte, Werkmeister und andere An gestellte, „in ähnlich gehobener Stellung“, wenn diese Be schäftigung ihren Hauptberuf bildet, Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, Hausgewerbetreibende und einige andere Erwerbsgruppen, die uns hier nicht interessieren, soweit sie gegen Entgelt be schäftigt werden. Als Entgelt soll dabei nach § 160 der Reichsversicherungsordnung (R.V.O.) auch der Sachbezug (Wohnung und Kost) vorgesehen werden, während eine In validenversicherung auch jetzt nicht in Frage kommt, wenn nur freie Verpflegung gewährt wird. Bei Lehrlingen ist es zur Versicherungspflicht überhaupt nicht notwendig, daß sie ein Entgelt erhalten. Sie sind versichert, wenn sie weder Taschengeld noch Wohnung und Kost erhalten, sondern sogar noch ein Lehrgeld zahlen müssen. Die höheren Angestellten waren bisher nur versichert, wenn sie im Gehalt und Lohn nicht höher als 2000 M. gestellt waren. Diese Grenze ist herauf gerückt worden. Heute sind sie versichert, wenn ihr Jahresarbeitsverdienst 2500 M. nicht übersteigt. Von der Versicherung befreit sind Personen, die im Dienste des Reiches, eines Bundesstaates, einer Gemeinde, einer öffentlichen Lehranstalt, oder anderer öffentliche Verbände oder Körperschaften, landesherrlicher Hof-, Dominial-, Kommunal-, Forst- und ähnlicher Verwaltungen an gestellt sind, sofern für die Krankenhilfe bei denselben in anderer Weise gesorgt ist. Das ist namentlich für die Hof-, Domänen-, Anstaltsgärtner usw. von großer Wichtigkeit. Außerdem sind natürlich Reichs- undBundesstaats-Gemeinde- beamte, Lehrer und Erzieher an öffentlichen Anstalten, Per sonen des Soldatenstandes, Diakonissen usw. versicherungsfrei, was uns jedoch gleichfalls hier nicht weiter berührt.. (§ 172 der R.-V.-0.) Auf Antrag des Arbeitgebers können Lehrlinge aller Art von der Versicherungspflicht befreit werden, solange sie im Betrieb ihrer Eltern beschäftigt sind. Auch wird, mit Einverständnis des unterstützungspflichtigen Armenverbandes, für versichern ngsfrei erklärt, wer auf die Dauer nur zu einem geringen Teile arbeitsfähig ist. Lie freiwillige Versiche rung ist, wenn das jährliche Gesamteinkommen 2500 M. nicht übersteigt, wie bisher zugelassen, auch die selbständigen Gewerbetreibenden undBetriebsunternehmer,somit alle Gärtnerei besitzer, können sich versichern, wenn sie regelmäßig nicht mehr als 2 Versicherungspflichtige beschäftigen. Was die Leistungen der Krankenkassen anlangt, so gewähren sie Krankenhilfe, Wochen- und Sterbegeld. Neu ist die Bemessung der Barleistungen der Kassen. Sie werden nach einem Grundlohn bemessen. Als solchen setzt die Satzung der Kasse das durchschnittliche Tagesentgelt derjenigen Versicherten, für welche die Kasse errichtet ist, und zwar bis 5 M. für den Arbeitstag, fest. Dasselbe kann auch je nach der verschiedenen Lohnhöhe des Versicherten stufenweise bis zu 6 M. festgesetzt werden. Auch kann die Satzung als Grund lohn den wirklichen Arbeitsverdienst des einzelnen Ver sicherten bis 6 M. für den Arbeitstag bestimmen. In den Landkrankenkassen, zu denen die in der Landwirtschaft beschäftigten Personen, Dienstboten, Wander- und Hausge werbetreibenden gehören, kann der Ortslohn als Grundlohn be stimmt werden. Wo keine Ortskrankenkassen errichtet sind, gehören auch alle diejenigen Personen zur Landkrankenkasse, die sonst der Ortskrankenkasse angehören würden. Indessen ist bei Ange stellten in gehobener Stellung, Betriebsbeamten, Obergärtnern, Inspektoren der Grundlohn auch dann wie bei Ortskranken kassen festzusetzen. Das ist im allgemeinen für die Berechnng der Barleistungen vorauszuschicken (§ 180,181, 235 der R.-V.-O.) Was nun dieKrankenhilferanlangt,so besteht sie aus Kran ke npflege undKrankengeld. Die Krankenpflege wird von Be ginn der Krankheit an gewährt. Sie umfaßt, wie bisher, von Beginn der Krankheit an ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei, sowie Brillen, Bruchbändern und anderen kleineren Heilmitteln. Das Krankengeld wird vom vierten Tage des Beginns der Krankheit ab in Höhe des halben Grundlohnes gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Tritt die Arbeitsunfähigkeit erst später oder nach 4 Tagen ein, so wird das Krankengeld vom Tage dieses Eintritts ab bezahlt. Die gesamte Krankenhilfe endigt, wie bisher, mit Abschluß der 26. Krankenwoche. Wurde das Krankengeld nicht vom 4. Tage ab, sondern erst später gewährt, so laufen die 26 Wochen vom letztgedachten Zeitpunkt ab. Fällt in den Kranken geldbezug eine Zeit, in der nur Krankenpflege gewährt wird, so wird diese Zeit auf die Dauer des Krankengeldbezuges bis zu 13 Wochen nicht angerechnet. An Stelle der Krankenpflege und des Krankengeldes kann Krankenhauspflege wie bisher treten. Hat der Kranke eigenen Haushalt oder ist er Mitglied des Haushaltes seiner