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Nr. 11. Freitag, den 17. März 1911. XIII. Jahrgang. Der Handelsgärtner Ahonnementspreis. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau für das Ausland M. 8.— jährl. e e Ausgabe jeden Freitag. Bestellungen nimmt Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. jede Postanstalt entgegen. 30 Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille - Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm Beachtenswerte Artikel in vorliegender Wummer: Wie verhält sich der Handelsgärtner, wenn sich bei einer Zwangsenteignung Teile seines Grundstückes mit einer Baubeschränkung belastet werden? Wird der Schaden ersetzt, den Hasen und wilde Kaninchen anrichten ? Die Hagelversicherung gärtnerischer Kulturen. Der Frucht- und Gemüsehandel in Hamburg. Die Farngattung Scolopendrium mit besonderer Berücksichtigung von S. vulgare und seiner Formen IV. Moderner Gewächshausbau. Volkswirtschaft — Unterrichtswesen — Lohnbewegung — Rechtspflege — Handel und Verkehr — Kultur — Fragekasten für Rechtssachen usw. Wie verhält sich der Handelsgärtner, wenn sich bei einer Zwangsenteignung Teile seines Grundstückes mit einer Bau beschränkung belastet werden? Wichtige Fragen bringt für den Handelsgärtner immer ; das Recht der Zwangsenteignung — Expropriation — mit i sich, da er, wie kaum ein andrer durch die Enteignung von Teilen seines Gärtnereigrundstückes geschädigt wird. Oft werden Teile der Grenzen auseinander gerissen und es ent- i stehen zwei völlig getrennte Grundstücke, deren gemeinsame Bewirtschaftung natürlich erhebliche Belästigungen nach sich i zieht. Häufig wird von der Gärtnerei soviel abgetrennt, daß i der verbleibende Teil nicht mehr ausreicht, um eine Gärtnerei s wirksam und lukrativ betreiben zu können. Und als das ' Ganze enteignet wird, da geht oft ein guter, durch jahrelanger Arbeit erworbener, solider Kundenstamm verloren, weil der Handelsgärtner seinen neuen Betrieb in einer ganz anderen ■ Gegend, weit entfernt von dem bisherigen Wirkungskreise, ausrichten muß. Da kommt es häufig zu Streitigkeiten bei der ? Entschädigungsfrage und es ist deshalb ratsam, sich Ent scheidungen, welche in Zwangsenteignungs-Angelegenheiten von ; Obergerichten gefällt wurden, zu sammeln, um immer darauf Bezug nehmen zu können, wenn man selbst einmal in die Lage kommt, seine Rechte gegen den Enteigner geltend machen zu j müssen. — Wir möchten deshalb an dieser Stelle auf ein ? Urteil des Reichsgerichts vom 27. .Januar 1910 hinweisen, das ■ die Rechte eines Grundbesitzers bei Inanspruchnahme eines Teiles seines Besitztumes behandelt. In dem fraglichen Falle sollte eine Eisenbahnstrecke I errichtet werden, ein hinreichender Grund zur Enteignung, die dann auch über eine Anzahl Grundstückbesitzer verhängt : wurde. Darunter befand sich ein Handelsgärtner, der für I einen großen Teil seines Gärtnereikomplexes die volle Ent schädigung erhielt. Nun bleiben aber Parzellen übrig, die zwar vorläufig zu dem Eisenbahnbau noch nicht gebraucht werden, wohl aber nach Lage der Sache später einmal dazu gezogen werden könnten. Man hatte deshalb diese Parzellen dem Handelsgärtner zwar belassen, sie aber mit einet' Baube schränkung zu Gunsten der Eisenbahn versehen. Für diese Belassung, die gesetzlich dem Enteigner gewährleistet ist, hatte er nur eine geringfügige Entschädigung zu erhalten, mit der er nicht einverstanden war. Was sollte er mit den Par zellen anfangen? Zum Gärtnereibetriebe allein waren sie nicht geeignet und als Bauplätze durfte er sie nicht ver werten. Der wirtschaftliche Nachteil lag also klar auf der Hand. Er verlangte deshalb, daß ihm der Eisenbahnfiskus auch den Teil seines Areals ab kaufen solle, für den ihm nur eine Entschädigung wegen der Belassung eingeräumt worden sei. Er wies darauf hin, daß er mit diesem Stück Land nichts anfangen könne, denn er könne es nur zur Feldnutzung für einen geringen Pachtzins verpachten, so daß also der Schaden klar erwiesen sei. Der Fiskus müsse daher auch diese Parzellen übernehmen und ihm die volle Entschädi- g u n g, wie für die andern Parzellen gewähren. Die Sache kam zum Rechtsstreit. Die erste Instanz hatte aus formalen Gründen wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Kiel teile diese Anschauung' jedoch nicht. Nach § 12 des preußischen Enteignungsgesetzes ist die Entschädigung für Beschränkungen ganz nach denselben Grundsätzen zu bestimmen, wie die Entziehung des Grund eigentums. Im § 9 des erwähnten Gesetzes aber heißt es, daß dann, wenn auch nur ein Teil des Grundstückes in An spruch genommnn wird, der Eigentümer verlangen kann, daß der Unternehmer das Ganze wegen Entschädigung über nimmt. Diese Vorschrift ist zu Gunsten des Enteigneten ge troffen, der in sehr vielen Fällen eben nicht wissen wird, was er mit dem restlichen Grundstück anfangen soll, weil die Nutzungsmöglichkeiten desselben, wie dies gerade bei Gärtnerei grundstücken der Fall ist, verringert sind. Der § 9 beruft sich zwar, wenn man nach dem Wortlaut gehen will, nur darauf, I daß ein Teil des Grundstückes entzogen wird und das Restgrund stück durch die Entziehung unbrauchbar geworden ist. Das Oberlandesgericht meint aber, daß der Paragraph sinngemäß auch auf die Fälle ausgedehnt werden müßte, wo ein Grundstück nur belastet und dadurch entweder ganz oder zum Teil unbrauch bar geworden ist. Der Gedanke des Gesetzes sei der: Dem : Eigentümer darf n i c h t z u g e m u t e t w e r d e n , einen Rest seines Eigentums zurückzubehalten, mit dem er nichts Rechtes anfangen kann. Das ist aber auch der Fall, wenn auf dem übrigbleibenden Teil eine Beschränkung des Eigentums gelegt wird. Wird das Eigentumsrecht des Enteigneten durch die in An spruch genommene Baubeschränkung soweit zu nichte gemacht, daß er in der zweckmäßigen Ausnutzung vollständig gehindert ist, so muß er ebenfalls die Entziehung des belasteten Teiles des Grundstückes fordern können. Dieser Ansicht ist auch das Reichsgericht gewesen. Es hat sich dahin schlüssig gemacht, daß eine Beschränkung, die auf ein Grundstück gelegt wird, und seine Benutzbarkeit beeinträchtigt, dem Eigentümer das Recht auf Abnahme des Grundstücks selbst gewährt. Voraussetzung der Geltendmachung des Übernehmeranspruchs im Rechtswege sei allerdings, daß der Grundbesitzer in dem vom Enteignungs kommissar anberaumten Termin seine Anträge auf vollständige Übernahme eines teilweise in Anspruch genommenen Grund stücks anbringe. Die Handelsgärtner müssen also darauf achten, daß sie rechtzeitig ihren Anspruch erheben.