Volltext Seite (XML)
Seite 76„Der Gartenfreund".Nr. 5 weil sie nie einseitig ist und alle Teile des Körpers wechselweise gleich beansprucht. Wenn du dann iw. Herbst die Früchte deiner mühevollen Arbeit erntest, siehst du ja die materiellen Werte deines Gartens zum Greifen vor dir, die auch dem Loche in Mutters Haushaltungsbrieftasche zugute kommen und wenn Mutter dir dankbar die Wangen streichelt, spielen die Werte schon mehr ins Ideale hinüber. Dein selbstgebautes Gemüse ißt du aber auch und es schmeckt dir selbstverständlich viel besser als gekauftes, das du wahrschein lich nie so reichlich einkaufen würdest. Was aber der reichliche Gemüsegenuß für deine Gesundheit und die deiner Lieben bedeutet, braucht kaum gesagt zu werden. Pflegst du- auch noch Obstbäume in deinem Garten und hast du die rotbackigen Aepfel und saftigen Birnen für den Winter kunstgerecht einge lagert, dann halte dich in Gottesnamen für einen Glücklichen unter der Sonne. Obst ist die halbe Gesundheit und diese das beste Gut auf Erden. Daß außerdem auch mancher Gartenfreund in einem in einer Gartenausstellung erzielten Preis seine Befriedigung findet, sei nur er wähnt, ich tue es nicht. Und nun wollen wir uns auch die ideale Seite des Gewinnes etwas betrachten. Man darf wohl sagen, daß mit Liebe getane, still betrachtende Gartenarbeit den Menschen ver edelt, ihn bildet und ihn empfänglich macht für das Schöne und die Freude am Eigenen. Mit sorglicher Hand ziehst du das zarte Pflänzchen aus dem winzigen Keim und ganz allmählich erfaßt dich ein kleiner Strahl der Erkenntnis vom großen Geheimnis des Lebens, von der Kraft, die es schafft und Pflanze und Tier und auch den Menschen siehst du mit anderen Augen an, wirst mit leidig und hilfsbereit gegen jedes Lebewesen, weil du nicht anders kannst, denn du empfandest selbst, daß es etwas Heiliges um das Leben ist. Die Rose, sie ist dir zunächst nur eine Rose, aber einmal verstehst du und stehst in Ehrfurcht vor dem Meisterwerk aus Schöpferhand und mit jeder neuerblühten Knospe, die du im taufrischen Morgen findest, erfassest du besser das wundervolle Bau werk in seiner herrlichen Formenschönheit, und demütig erkennst du den Wert der Werke von Menschenhand, die voll Stümperhaftig- keit sind. Der Mensch aber, der um die Er kenntnis ringt, ist edel. Und dein Garten bildet dich! Was wuß test du früher vom Kalk und vom Stickstoff? Dein Garten hat dir das Buch in die Hand gedrückt, mit dem Lernen kam der Hunger nach dem Wissen, heute kennst du die Mineralien, weißt wie die Bakterien im Boden wirken und das Wetter sich wendet. Die Amsel sang im Frühjahr auf deinem Birnbaum, der Maulwurf wühlte in deinem Beete, da wolltest du wissen, was sie deinem Garten nützen oder schaden und heute weiß du von allen, die deinen Garten bevölkern, wie sie leben, von der dicken Kröte unterm Stein am Brunnen und dem gaukelnden Falter über den Blüten und stehst auf Gruß- futz mit ihnen. Was hast du nicht von den Pflanzen gelernt! Und wenn du heute alle Heilkräutlein kennst, dein Garten hat dich gelehrt sie zu nützen mit seiner schlichten Krauseminze. Sieh, lieber Gärtner, das sind freilich keine Werte, die man in Goldkronen oder Reichsmark umwechseln kann, aber sie sind dein ureigenster Besitz, den niemand dir nehmen kann. Blumen, Sträucher und Bäume dazu, sie machen in ihrer Farbenpracht und Anord nung dein Auge empfänglich für das Schöne, wecken dein künstlerisches Empfinden, das naturhaft wahr ist und dir hohe Befriedigung gibt. Und wenn schon dir dein Garten so viel Anregung gibt zum Schauen und Er gründen und zur Besinnlichkeit, zur Freude aber auch an der Arbeit, wieviel mehr kann er erst der empfindsamen Seele deines Kindes geben, wenn du ihm ein Spiel winkelchen im Garten gönnst! Aus seiner Enge heraus lehrt dein Garten dich schauen, daß du die Heimat erfassest und Wurzel in ihr schlagest wie die Blumen in deinem Garten und ist es auch nur ein winziges Gärtlein, das du dein Eigen nennst, du kannst ein Königreich daraus machen, in dem du Herrscher bist, wenn dir Zufrieden heit gegeben und du die unendliche Weis heit und Mannigfaltigkeit der Allmutter Natur zu erfassen suchst. Willst du mehr von einem Garten? 20. Preis. Marie Bittmann-Wien. Als ich noch ein Kind war, da stand ich ost vor den Gittern der vornehmen Gärten und suchte etwas von den Herrlichkeiten dieser Dillen, doch mehr von den Anlagen zu erspähen. Nicht besitzen, nein, nur an schauen, bewundern, wollte ich all diese Blumen, Rosenbäumchen und Sträucher, riechen und betasten wollte ich all diese Herrlichkeiten, oder gar nur einmal, nur ein einzigesmal wollte ich einen so lachenden, verlockenden Apfel, eine Birne oder Marille direkt vom Baum pflücken und essen dürfen.