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Die Lanüfrau. Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Rachitis; Pflichtuntersuchung aller Säuglinge und kostenlose Abgabe von Vigantolöl an Rachitis gefährdete Kin der, Aufklärung der Landfrauen über die Fragen der neuzeitlichen Säuglingspflege und Kinderwartung. — Ic 210 vom 6. 1. 194« —. Wie die im vergangenen Zahre in allen LBsch. durchgeführten ärztlichen Musterungen von über 15 000 Jungen und Mädeln im Alter von 18 bis 20 Jahren ergeben haben, ist der allgemeine Gesundheitszustand der Landjugend außerordentlich ungünstig. Fast durchweg zeigte sich das gehäufte Auftreten von erheblichen Fuß- und Zahnschäden, die in einzelnen LBsch. bei 80 vH. aller Jugendlichen an getroffen wurden. Außerdem wurden Verkrümmun gen des Rückgrats sowie Schädigungen der Musku latur und der Bänder festgestellt. Die in den Reihen des Bauerntums vielfach vor herrschende Meinung, daß es sich bei diesen Erkran kungen ausschließlich um die Folgen von zu früher und einseitiger Arbeitsbelastung handele, hat sich allerdings als nur bedingt zutreffend herausgestellt. Die wirklichen Ursachen liegen vielfach bereits in viel früherer Zeit. Sie beruhen häufig aufPflege - und Ern ährungsfehlern im Säug lings- und Kleinkindesalter, die dann zu einer allgemeinen rachitischen Erkran kung geführt haben. Darüber hinaus ist die Rachitis (englische Krank- keit) in starkem Maße als Ursache der auf dem Lande immer noch sehr hohen und über dem Durchschnitt des Reiches liegenden Säuglingssterblich keit anzusehen. Zur Beseitigung der durch diese Erkrankungen entstehenden außerordentlich schweren Schädigungen der deutschen Volksgesundheit, wie sie gerade bei den Musterungen der Wehrmacht immer wieder festgestellt wurden, hat der Reichsminister des Innern mit Runderlaß vom 9. 11. 1939, den ich nachstehend ab schriftlich zur Kenntnis gebe, zum durchgreifenden Kampf aller Stellen geaen die Rachitis aufgerufen. Wie aus den Grundsätzen zur „Durchführung der Rachitisprophylaxe" (Anlage zum RdErl. vom 9. 11. 1939) hervorgeht, werden mit sofortiaer Wirkung alle Säuglinge einer dreimaligen Pflichtuntersuchung unterzogen und bei Anzeichen beginnender Rachitis durch die kostenlose Abgabe von Vigantolöl vorbeu gend behandelt. Darüber hinaus ist aber durch diese Maßnahme erstmalig eine umfassende Möglichkeit gegeben, in den Reihen der Landfrauen aufklärend zu wirken und den Grundsätzen der neuzeitlichen Säuglingsvflege und Kinderwartung in jedem Bauernhaus Eingang zu verschaffen. Hierbei sind besonders die Bestimmungen des 8 6 der „Grundsätze" zu beachten, wonach den Müttern eine ins einzelne gehende Beratung über „alle Fra gen der Säuglingshygiene (Wohnungshyaiene, Er nährung des Säuglings, Ernährung der Stillenden, Durchführung des Selbststillens, Schaffung genügen der Freiluftmöglichkeiten usw." vom Amtsarzt erteilt werden soll. Um diesen Maßnahmen zu einem wirklich durch schlagenden Erfolg zu verhelfen, ist es nötig, sofort mit einer entsprechenden Aufklärung der Landbevöl kerung zu beginnen. Dabei ist besonders auf die durch die Rachitis entstehenden Dauerschäden bei Kindern und bei Erwachsenen hinzuweisen und die Notwendig keit einer den neuesten Erkenntnissen entsprechenden Ernährung und Wartung der Kinder herauszustellen. Die dazu notwendigen Anleitungen gehen den LBsch. künftig laufend zu. Unabhängig davon ist von den KAL. IG Füh lung mit den zuständigen Amtsärzten aufzunehmen und gemeinsam die Maßnahmen zu besprechen, die auch von feiten des RNSt. ergriffen werden können, um über die Rachitis-Vorbeugungsaktion zu einem dauernden Erfolg auf dem Gebiet der allgemeinen Eesundheitsführung zu kommen. über das Ergebnis dieser Besprechungen ist erst malig zum 20. 2. 1940 zu berichten. „Der bisherige Kampf gegen die Rachitis hat noch nicht den im Interests der Volksgesundheit notwendigen Erfolg gezeitigt. Ich halte infolge dessen die planmäßige Durchführung von Ver hütungsmaßnahmen, und zwar möglichst bei jedem Kinde, für unbedingt erforderlich. Im Einver nehmen mit dem StdF. (Hauptamt für Volks gesundheit, Hauptamt für Volkswohlfahrt und Deutsches Frauenwerk, Reichsmütterdienst) und dem RAM. habe ich daher Grundsätze zur Durch führung der Rachitisprophylaxe aufgestellt, nach denen die Gesundheitsämter zu verfahren haben. Die Durchführung der Bekämpfungsmaßnahmen liegt bei den staatlichen und kommunalen Gesund heitsämtern bzw. ihren Säuglingsfürsorgestellen. Für engstes Einvernehmen mit den örtlichen Hilfs stellen für Mutter und Kind und dem Reichs mütterdienst, die die Durchführung der Prophylaxe unterstützen werden, ist zu sorgen. Die Zusammen arbeit ist so planmäßig zu gestalten, daß jede Doppelarbeit vermieden wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Runderlaß vom 21. 4. 1937 (NMBliV. S. 683). Die durch die unentgeltliche Abgabe von Rachitisschutzmitteln ent stehenden Kosten werden für die sozialversicherte Bevölkerung durch die Landesversicherunasanstal- ten, für die Hilfsbedürftigen von der NSV. getra gen. Näheres ist aus den Grundsätzen zur Durch führung der Rachitisprophylaxe zu ersehen, die den Gesundheitsämtern gesondert zuaehen werden Die Gemeinden und Eemeindeverbände haben die Durchführung der Rachitisprophylaxe nach Kräften zu fördern." Grundsätze zur Durchführung der Rachitisprophylaxe. (Herausgegeben vom Reichsministerium des Innern) 1. Jeder Säugling ist mit dem dritten Lebens monat, soweit nicht gesundheitliche Gründe ent gegenstehen, einer Rachitisprophylaxe zu unter ziehen. Zu diesem Zweck haben die Gesundheitsämter an der Hand von Listen, die nach den standesamt lichen Meldungen zusammengestellt werden, die Mütter und Sorgeberechtigten der Kinder recht-