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714 Der Deutsche Erwerbsgartenbau Nr. 50. 11. 12. 1925. in Wasser zu legen. Ich habe mit diesem Verfahren die besten Erfolge zu verzeichnen gehabt. Besonders dankbar sind hier für Bäume, die einen längeren Transport oder eine längere Ein- schlagszeit (auch in der Baumschule) hinter sich hatten, nament lich wenn sie, wie in diesem Jahre, erst spät ihr Laub ver- loren. Daß schließlich alle Maßnahmen getroffen werden sollen, um möglichst viel von der unersetzlich kostbaren Winter feuchtigkeit mit dem Boden aufzufangen durch Oeffnen des Bodens, statt ihn in der äußeren Schönheit wegen glattgehackt liegen zu lassen, so daß viel Wasser abfließt, ist ja wohl eine Selbverständlichkeit. Sie soll aber genannt sein, weil es gerade die Winterfeuchtigkeit ist, welche den für die Wurzeltätigkeit unbedingt notwendigen Sauerstoff, den im Sommer die Wurzeln der Unterkultur und — das Unkraut zum großen Teil fort fangen, in die Tiefen dringt, wo die Baumwurzeln arbeiten. Was hier von den Obstbäumen gesagt ist, gilt selbstver ständlich auch von unseren Ziergehölzen und besonders die Nadelhölzer sind für eine starke Herbstwässerung sehr dankbar, wenn sie auf trockenen Böden stehen. [2200 Organstimulation. Von Dr. W. Gleisberg in Breslau. Alle Vorgänge der Reizbeeinflussung, die man jetzt unter dem Namen „Zellstimulation“ zusammenfaßt, wurzeln in der All gemeineigenschaft jeder lebenden Zelle auf Umstimmungen der Umwelt oder Veränderungen in der Stoffaufnahme, sofern diese ein bestimmtes Ausmaß nicht unter- oder überschreiten, mit erhöhter Lebensintensität zu antworten. Die Reaktions fähigkeit ändert sich aber nicht nur mit den Gewebearten, deren Zellen schon an und für sich eine verschieden große Lebensintensität haben, sondern auch mit der Entwicklungs stufe einer Zellart, ihrem Alter. Es ist offenbar ein Unterschied, ob ein jugendliches Gewebe Reizbedingungen ausgesetzt wird oder ein altes. Der Gedanke, daß jugendliche Zellen maximale Reaktionsfähigkeit besitzen, ist naheliegend, da ihre allgemeine Lebensintensität, die sich in Wachstums- und Teilungsfähig keit und anderem äußert, am größten ist. Im normalen Leben jedes Organismus, sei es ein Tier oder eine Pflanze, haben beim allmählichen Aufbau des Körpers oder einzelner Organe einen die Entwicklung beherrschenden Einfluß ebenfalls Reiz vorgänge, aber innere Reizvorgänge, bedingt durch Reizstoffe, die der Körper selbst bildet und deren Wirkung in uns häufig noch rätselhafterweise von den Orten der Entstehung zu den Organbildungsherden ausstrahlt. Auf diesem Gebiet liegt z. B. die Bedeutung der Schilddrüse und ihres Sekretes. Versagen oder Ausfallen der Schilddrüse führt zu verhängnisvollen Ent wicklungshemmungen. Und so liegt es auch mit den Wirkungen der Geschlechtsdrüsensekrete, die im tierischen Organismus eine die Entwicklung und ihre Intensität regulierende Be deutung haben, und die gewisse Organe erst zur Entwicklung anregen, während ihr Fehlen zu Hemmungen führt. Gerade die Erforschung der Sekrete der Geschlechtsdrüsen und ihres Einflusses auf den Organismus hat gezeigt, daß der Unter schied älterer Gewebe und Zellen bezüglich ihrer Reaktions fähigkeit auf Reizbeeinflussung gegenüber jungen überwiegend graduell ist, daß gealterte Zellen bis zu einem gewissen Grad ebenfalls zu erhöhter Lebensintensität angeregt werden können. Für die praktische Auswertung der Zellstimulationsvor gänge eröffnet sich aus dieser normalen Reaktionsfähigkeit der Zelle eine weite Perspektive. Freilich enthält das weite und vielverzweigte Gebiet fast nur ungelöste, nur wenige ganz oder zum Teil gelöste Probleme. Daher ist es vorläufig nur möglich, tastend und mit dem Vorbehalt, nur einen Baustein zu der weiteren Arbeit geben zu wollen, an die Fragen heran zugehen. Die Samenstimulation nützt die Reaktionsfähigkeit eines frühen Jugendstadiums der Pflanze aus. Die Samenzellen sind mit größeren Lebenspotenzen ausgestattet zu denken. Ihre Entwicklungsmöglichkeiten sind zahlreich und ihre Beeinfluß barkeit ist groß. Die Frühtreibstimulation nützt die höhere Reaktionsfähigkeit eines Pflanzenorganes aus, einer Knospe, in der die mannigfachsten Entwicklungspotenzen schlummern. So, wie die Samenzellen und Knospenzellen mit ihrer ihrem jugendlichen Zustand entsprechenden hohen Wachstums- und allgemeinen Lebensintensität auch eine starke Reaktionsfähig keit besitzen, so vermögen die aus den Samen- und Knospen zellen durch Teilung entstehenden Gewebe- und Organzellen ebenfalls auf Reize zu reagieren, nur graduell verschieden von den jugendlichen Ursprungszellen mit ihren hohen Potenzen. Diese Üeberlegung muß bei der Versuchsarbeit leitend sein, die sich die praktische Auswertung der Forschungen auf dem Gebiete der Zellstimulation zum Ziel setzt. Es darf nicht an der Samen- und Knospen- (Frühtreib-) Stimulation halt gemacht werden, so sehr beide nach der praktischen Anwendung Wider stände entgegensetzen, sondern der Arbeitsplan muß auch entwickelte Organe und ganze Pflanzen berücksichtigen, da anzunehmen ist, daß erst das Verhalten der Zellen in ver schiedenen Altersstufen den Gesamtkomplex der Reizerschei nungen zu klären vermag. Dieser Gedankengang war leitend bei Versuchen mit To matensamen und -keimlingen.1) Die Samen waren 4 Stunden i) Gleisberg, Reifebeginn, Ertrag und Samenstimulation bei Tomaten, Zellstimulationsforschungen, Bd. 1, Heft 1, 1924. mit einer Lösung von Magnesium- und Mangansulfat behandelt worden, während die Keimpflänzchen in dieselbe Lösung nur 5 Minuten getaucht wurden. Bei den Keimpflänzchen mußte die Lösung vor allem die Wurzel beeinflussen, da die Keim blätter größtenteils noch von der Samenschale umhüllt waren. Das Ernteergebnis als Ausdruck der Wachstumsintensität ergab bei den verschieden vorbehandelten Pflanzen einen von den unbehandelten über die im Keimling behandelten zu den sonnen- behandelten Pflanzen ansteigenden Gesamtertrag. Allerdings zeigte sich bei den im Keimling behandelten eine nach Sorten unterschiedliche Ertragsunsicherheit. Endgültige Schlüsse lassen sich aus dem einmaligen Ergebnis dieses einen Jahres nicht ziehen. Es ist auch notwendig, nicht nur mit Keimlingen auf so früher Entwicklungsstufe, sondern auch mit älteren Pflanzen in ähnlicher Weise, entweder durch Tauchen der Wurzel oder der ganzen Pflanze oder durch Blattspritzungen 'Versuche durch zuführen. Im Hinblick hierauf sei auf die vielfach nach Spritzung von Tomaten mit Bordelaiser Brühe beobachtete Erscheinung einer größeren Wachstumsfreudigkeit und frische ren Blattgrüns verwiesen. Diese Erscheinung wurde auch nach Spritzung von Kartoffeln beobachtet, und z. B. von Frank und Krüger 1 * ) als Reizwirkung erklärt. So wie die Knollenaugen auf eine Reizbeeinflussung reagieren, so liegt offenbar hier eine Reaktion der entwickelten Sprosse vor. Die alte Sproßzelle besitzt also ebenso wie die junge Zelle, die nach im Vegetationspunkt des Augus ruht, das allen lebenden Zellen eigentümliche Vermögen auf gewisse Reize mit einer Umstimmung der Lebensintensität zu antworten. Vielfach konnte beobachtet werden, daß derartig beeinflußte Pflanzen länger frisch grün blieben, daß sich die Vegetationsperiode ver längerte. Während also bei den unbehandelten der normale Ablauf der inneren Reizwirkungen dem Altersgewebeabbau nicht mehr Einhalt gebieten konnte, hatten die behandelten einen Anstoß erhalten, der den Stoffaustausch änderte. Aehnlich ist der Vorgang bei Zuführung von Geschlechtsdrüsensekreten in einen alternden Organismus zu denken, wodurch der Alters gewebeabbau gehemmt wird. Bei der Reizung durch aufge spritzte Reizstoffe muß es sich um eine außerordentlich starke Wirkung handeln, wenn ähnliche Erscheinungen hervorgerufen werden können, wie sie die normalen Körperreizstoffe, also biologische Reizmittel von hohem bisher nicht definierbarem Energiewert, erzeugen. Die Reizbehandlung von Kartoffelknollen kann zur Früh treibbehandlung von Gehölzreisern oder Zwiebeln oder Rhi zomen in Parallele gestellt werden, denn in jedem Falle handelt es sich um Knospenstimulation, wobei man sich darüber klar sein muß, daß nicht allein die Knospe von dem Reizstoff be einflußt wird, sondern auch alle anderen Teile des Reises, der Knolle, der Zwiebel, des Rhizoms unter dem Einfluß der Reiz wirkung stehen. Vermutlich reagieren die verschiedenen Ge webearten verschieden. Der Endeffekt ist aber das Zusammen stimmen aller Einzelreaktionen. Wenn bei der Kartoffel nicht nur Knospenstimula tion — durch Tauchbehandlung der Knolle —, sondern auch Organstimulation — durch Spritzen der Blattorgane —- möglich ist, dann ist es naheliegend, auch bei Gehölzen neben der Knospenstimulation im Frühtreibverfahren die Möglich keit einer Beeinflussung der ausgewachsenen Triebe, eine Or ganstimulation zu suchen. In Versuchen, die zur Bekämpfung der Obstmade mit verschiedenen, vor allem arsenhaltigen Spritzmitteln durchgeführt wurden, 3 ) ergab sich die über raschende Tatsache, daß gewisse Arsenmittel nicht nur eine insektizide, sondern auch eine günstige physiologische Wirkung auf die behandelten Gehölze ausüben. „Offenbar spricht die Verringerung der Fallobstmenge für eine Kräftigung der frukti- fizierenden Organe, die direkt auf die Spritzwirkung, auf die 1) Vgl. Deutsche Landw. Presse, Jahrg. XXV, 1, 1898; Zeitschrift für Spiritusindustrie, 21. Jahrg. 1898; Praktische Blätter für Pflanzenbau und Pflanzenschutz 1898; Ber. d. Deut schen Bot. Ges. 1894. 3) Gleisberg, Beitrag zur Obstmadenfrage I, Zeitschrift für Schädlingsbekämpfung, 1. Jhrg., Berlin 1923.