Volltext Seite (XML)
Nr. 18. 1.5.1925. Der Deutsche Erwerbsgartenbau . 2 A 7 „ Die Ackerschnecke und ihre Bekämpfung. Von Dr. P. Martell in Berlin-Johannisthal. Die Ackerschnecke entwickelt sich besonders stark bei langwährender feuchter Witterung. Nicht nur Gemüse- und Blumengärten sondern auch Felder werden von der Acker- Schnecke oft .stark heimgesucht. Mit Vorliebe wählt sie junge Blätter zu ihrer Nahrung und verschmäht keine Kulturpflanze. Aber nicht nur die Blätter, auch Früchte, wie Gurken, Kürbisse, Obst, dienen den gefräßigen Tieren zur Nahrung. Die graue Ackerschnecke (Limax agrestis), um die es sich hauptsächlich handelt, gehört zur Gattung der Egelschnecken; es ist eine Nacktschnecke, also gehäuselos. Es gibt noch etwa acht andere Arten, die jedoch weniger häufig auftreten. In Farbe und Größe machen sich erhebliche Unterschiede geltend. Die Grundfarbe ist aschgrau, bald hell, bald dunkel, die Länge schwankt durchschnittlich zwischen 3 und 6 cm.* Bis zur Sohle ist die Schnecke mit zahlreichen grauen oder rötlichen Flecken und Strichen bedeckt. Die Acker-Schnecken wachsen auch nach eingetretener Geschlechtsreife noch und sind Zwitter, d. h. bei der Paarung übernimmt jede Schnecke sowohl die Rolle des Männchens, als auch die des Weibchens. Die Eiablage erfolgt vom August bis zum November, erst die dann auf tretende Kälte setzt ein Ziel. Eine einzelne Schnecke vermag 200 bis 400 Eier abzulegen, so daß die Vermehrung bei günstiger Witterung eine sehr beträchtliche ist. Die Eier werden in Erdlöcher in kleine Häufchen oder auch unter faulenden Pflanzenteilen abgelegt, meist 10 bis 15 Stück, von denen jedes die Größe eines Stecknadelkopfes hat und durchscheinend und gegen die Witterung sehr widerstandsfähig ist. Große Trocken heit und Kälte ist den Eiern zwar ungünstig, verhindert aber nicht ihre Entwicklung, sie schrumpfen dann zwar zusammen, quellen aber sofort wieder auf, wenn die Witterung wieder feucht und warm wird. Bei günstiger feuchtwarmer Witterung entwickeln sich aus dem Ei in etwa 3 bis 4 Wochen junge Schnecken, die in zwei Monaten bereits 3 bis 4 cm groß sind und in diesem Zustand überwintern. Oktobereier entwickeln sich entsprechend geringer und bei noch späterer Eiablage er scheinen die jungen Schnecken erst im Mai. Zu allen Jahres zeiten werden also Schnecken von sehr verschiedener Größe angetroffen. Während andere Schädlinge in der Regel die Blätter vom Rande her anfressen, macht die Ackerschnecke dies von der Blattfläche aus, so daß die Blätter durchlöchert er scheinen. Als Kauwerkzeug dient ein hornartiger Oberkiefer, der noch durch eine mit einer bezahnten Reibplatte versehene Zunge unterstützt wird. Die Ackerschnecke meidet Sonnen schein, am Tage sucht sie dunkle und kühle Schlupfwinkel auf, ruht auch zwischen Erdschollen oder sie begnügt sich auch mit einem Versteck an der Unterseite des Blattes. Sobald die Dämmerung eintritt, beginnt sie ihren Raubzug, bei dem oft weite Strecken zurückgelegt werden, und der die ganze Nacht anhält. Als Nacktschnecke ist sie mit einem Schleim vorrat umgeben, der für sie ein wichtiges Lebenselement dar stellt. Er schützt sie vor Verdunstung und erfüllt die Auf gabe, auch sehr staubiges Erdreich überkriechen zu können. Daher wird ihr große Trockenheit sehr gefährlich, da sich der Schleimvorrat'schnell erschöpft, und sie fühlt sich darum in der Taufeuchtigkeit der Nacht besonders wohl. Der durch Trocken heit hervorgerufene Schleimverlust ergänzt sich schnell, Sot bald wieder feuchte Witterung oder Regen eintritt. Bei trocknem Wetter kann man auf dem Erdboden sowie auch aut den über- krochenen Pflanzen silberglänzende Faden und Häute sehen, die eingetrockneten Schleim darstellen. Die Ackerschnecken bedeuten wegen ihrer starken Ver mehrung und großen Gefräßigkeit für Garten und Acker eine erhebliche Gefahr. Bei der Bekämpfung, zu der verschiedene Mittel zur Verfügung stehen, machen wir uns in erster Linie ihre Lebensweise und ihre Empfindlichkeit gegen überreichliche Schleimabsonderung zunutze. In Frage kommen hauptsächlich ätzende Streumittel, die die Haut der Tiere angreifen. Die wichtigsten Mittel dieser Art sind gebrannter Kalk in Staubform, Chilesalpeter und fein gemahlener Kainit, also Staub-Kainit. Wird die Schnecke mit einem dieser Stoffe bestreut, so sucht sie dieses Mittel unschädlich zu machen durch eine starke Schleimabsonderung. Nach einiger Zeit kriecht sie dann aus diesem Schleimmantel hervor und versucht in erschöpftem Zustand einen kühlen, feuchten Ort zu gewinnen, um sich zu erholen. Um dies zu verhindern, muß darum der ersten Streuung in einer Viertel- bis einer halben Stunde eine zweite folgen. Dieser zweiten Streuung erliegt die entkräftete Schnecke, denn sie hat keinen genügenden Schleim vorrat mehr, um sich der ätzenden Wirkung zum zweiten Mal zu entziehen. Es ist wichtig zu wissen, daß Kalk oder Kainit nur bei trocknet Witterung für diesen Zweck gestreut werden darf, und zwar am besten am frühen Morgen, ehe die Schnecken ihre Schlupfwinkel wieder aufgesucht haben. Ver paßt man den richtigen Zeitpunkt der zweiten Streuung, so erholt sich die Schnecke wieder. Wo eine Düngerstreumaschine zur Verfügung steht, kann diese mit Erfolg benutzt werden. ’ Die erforderliche Menge des Streumittels ist von der Reinheit desselben und auch von der Dichtigkeit des Pflanzenwuchses abhängig. Bei zweimaligen Streuen wird man für 1 Hektar Land etwa 300 bis 400 kg Kalk oder Kainit rechnen müssen. Wählt man Kalk als Streumittel, so sind hier für die mensch liche Gesundheit alle Vorsichtsmaßregeln zu beobachten, damit die Schleimhäute nicht angegriffen werden. Für den Augen schutz sind festanschließende Brillen zu verwenden. Die Augen brauen befeuchtet man Vorteilhaft mit etwas Oel. Nach be endigter Arbeit reibt man das Gesicht zunächt mit Oel ab und wäscht dann mit Wasser hinterher, da sonst die Verbindung von Wasser und Kalk eine ätzende Wirkung hervorruft. Ob Kainit oder Kalk der Vorzug zu geben ist, hängt von der Bodenbeschaffenheit und dem Düngebedürfnis ab. Wirksam ist auch Eisenvitriol mit Erde oder Sand gemischt und zwar etwa 20 kg Eisenvitriol auf 1 hl Sand; doch entbehrt man hier natürlich die Düngewirkung. Weitere verwendbare Streu mittel sind auch Thomasmehl, Viehsalz und Brikettasche. Getreide und Klee werden gern von den Ackerschnecken aufgesucht; um die Ausbreitung und das Uebertreten der Schnecken von einem Acker zum anderen möglichst zu ver hindern, empfiehlt es sich, einen mehrere Zentimeter breiten Grenzstreifen von Aetzkalk anzulegen, da die Ackerschnecken diesen kaum überkriechen. Man will auch eine große Ab neigung der Ackerschnecken gegen Senf beobachtet haben und hat dementsprechend vorgeschlagen, einen etwa 25 cm breiten Streifen von weißem Senf um die Getreidefelder zu legen. Der Senf muß jedoch frühzeitig angelegt werden, daß sich bereits kräftig entwickelte Pflanzen vorfinden, sobald das Getreide aufläuft. Zu den Schutzstreifen kann natürlich jedes ätzende Streumittel benutzt werden. Für die Bekämpfung geeignet sind ferner auch mechanisch wirkende Mittel, die Verwundungen bei den Schnecken herbei führen. Solche Mittel sind Fichtennadeln, Gersten spreu, Häcksel und andere scharfspitzige Materialien. Sehr nützlich wirken natürlich auch die Bodenbearbeitungs maschinen, wie Walze und Egge, die unter den Schnecken gründlich aufräumen. Die Walze zerdrückt die Tiere, während sie von der Egge teilweise verletzt werden, überdies werden die Schlupfwinkel zerstört. Eine gute Reinhaltung des Ackers wird auch die Ausbreitung etwa vorhandener Ackerschnecken zurückhalten; besonders müssen nach der Ernte die Pflanzen überreste beseitigt werden, da diese die eigentlichen Brut stätten und Schlupfwinkel der Schnecken bilden. Im Gemüsegarten kann man die Bekämpfung der Acker schnecke nach ähnlichen Gesichtspunkten durchführen, im übrigen gestaltet sich die Bekämpfung hier wesentlich leichter. Zu nächst ist das A b 1 e s e n der Schnecken recht, wirksam, und zwar in den frühen Morgenstunden. Auch die Anlage künst licher Schlupfwinkel ist ratsam, da kann man die Schnecken dann bequem vernichten. Bewährt haben sich kleine Bünde kurz gesc hnittenen Rohres, dessen Höhlungen von den Schnecken gern aufgesucht werden. S r o h - matten, alte Säcke, Bretter leisten ähnliche Dienste, wobei man als Fangköder Kürbisschnitten, süße A e p f e 1, überhaupt süßes Obst, auch Rüben, Möhren be nutzen kann. Die abgesuchten Schnecken sind ein vorzüg liches Hühnerfutter. Kann man sie nicht dafür verwenden;, tötet man sie mit kochendem Wasser. Man glaubt, beobachtet zu haben, daß sich die Schnecken von dem Geruch abge standenen Bieres angezogen fühlen und empfiehlt, Blumen untersätze damit zu füllen, die an den Fraßplätzen aufgestellt werden. Die Schnecken fallen in das Bier und ertrinken. Die Höhlungen von Dachziegeln sind auch zum Fang der Tiere geeignet. Ferner ausgehöhlte Kürbisse, Kartoffeln, Rüben usw. Unterstützt wird man in der Bekämpfung der Ackerschnecke durch deren natürliche Feinde, von denen es eine ganze Reihe gibt. Zahlreiche Vögel machen Jagd auf die Schnecke, besonders sind zu nennen Stare, Krähen, Rebhühner, Fasane, hauptsächlich Hühner und Enten. Enten können gut in den Garten gelassen werden, da sie nicht wie die Hühner durch Scharren einen Schaden verursachen. Auch der Maulwurf und Igel ist ein Schneckenvertilger. Sehr wert volle Helfer sind Kröten und Frösche. Mit Hilfe von mehreren Kröten — eine genügt nicht — ist es immer möglich, einen Garten von der Ackerschnecke wesentlich freizuhalten. Bei aller Häßlichkeit verdient daher die Kröte weitgehendste Schonung und nur der Unverstand kann dieses nützliche Tier beseitigen, das sonst keinerlei Schaden anrichtet. Das ge ringste Auftreten der Ackerschnecke sollte angesichts ihrer großen Schädlichkeit jedem Gärtner und Landwirt sofort Ver anlassung zur energischen Bekämpfung geben, da an wirksamen Mitteln kein Mangel ist. [924