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232 Der Deutsch? Erwerbsgartenbau Nr. 18. 1. 5. 1925. betriebe, aus Holland ungeheure Mengen dieser Erzeugnisse und bekundeten damit ihren Mangel an Verständnis für die Belange des einheimischen Gartenbaues. Wenn wir die Ursachen näher zu ergründen suchen, so müssen wir wieder feststellen, daß es allen Interessenten beim Einkauf doch so leicht gemacht wurde. Bedenken wir doch den Unterschied. Der holländische sprachgewandte, höfliche Vertreter besuchte seine Kundschaft alljährlich 1—2mal unter Vorlage eines sauberen, durchgearbeiteten Katalogs. Er ging auf unsere Wünsche ein und suchte sie nach Möglichkeit zu erfüllen. Die ausgedehnten Anzuchten in Boskoop gestatten ihm ja, bei dem Gemeinsinn der dortigen Berufsvertreter, jeden Auftrag ausführen zu können. So machte man gute und lohnende Geschäfte. Im Gegensatz dazu die Verkaufsweise der meisten unserer deutschen Baumschulen in der Vor kriegszeit. Eine persönliche Verbindung zwischen Lieferanten und Käufern bestand meist überhaupt nicht. Durch Preislisten und Kataloge, oft sehr mangelhaft bearbeitet, bot man seit Jahr zehnten seine Artikel an und mit dem Versand der Preis listen einmal im Jahre erschöpfte sich im allgemeinen die gesamte Werbetätigkeit in dieser Berufssparte. Die Lieferun gen mancher Klein- und Mittelbaumschulen ließen in Qualität oft sehr zu wünschen übrig, viele Artikel fehlten und Aerger und Differenzen waren die Folgen und man ging deshalb lieber zum Holländer. Lediglich einige Großfirmen machten wohl eine rühmliche Ausnahme. Diese hatten dann aber auch bei ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer kaufmännischen Ge schäftsweise einen dementsprechenden Erfolg, wie Sie an unseren wenigen Großbaumschulen ja ersehen können. Die meisten unserer Klein- und Mittelbetriebe konnten sich aber unter den geschilderten selbstverschuldeten Verhältnissen nicnt entwickeln und gaben somit dem Ausland die Möglichkeit, Deutschland auch mit diesen Erzeugnissen zu überschwemmen. Doch genug von diesen Dingen, Sie haben sie ja alle selbst miterlebt, und wenn Sie heute nach 10 Jahren Kriegs-, Revolutions-, Inflationszeit und einem Jahr neuer Goldmarkrechnung über die Dinge nachdenken, so müssen Sie mir wohl zugestehen, wenn ich behaupte, daß die Berufsangehörigen der deutschen Gärtnerei nicht zum kleinsten Teil selbst an der ungünstigen Entwicklung schuld waren, die der Beruf damals genommen hatte. An seinen Fehlern soll man lernen. So müssen auch wir uns wohl oder übel entschließen, den Dingen ins Gesicht zu sehen, und Mittel und Wege finden, unseren Gesamtberuf wirtschaftlich zu heben und zu stärken. Kurz umrissen dargestellt, wie war die Entwicklungsmög lichkeit für uns nun in den letzten 10 Jahren? Mit Beginn des Weltkrieges und dem Abschluß vom Aus lande zeigte sich sofort eine günstige Absatzmöglichkeit für unsere allerdings durch die vielen fehlenden Hände einge schränkte Erzeugung. Die wirtschaftliche Auswirkung dieser Tatsache war eine verhältnismäßig günstige und viele sogar verwaiste Betriebe konnten erfreuliche Rücklagen machen, da sie ihre Produkte restlos absetzen konnten. Auch in der Nachkriegszeit waren die Verhältnisse nicht un günstiger geworden, da wir immer noch auf unsere eigene Erzeugung angewiesen waren und jegliche Einfuhr fehlte. Es darf wohl behauptet werden, daß in dieser Periode und noch in den ersten Jahren der Inflationszeit die Erwerbsgärtnerei günstig abschnitt. Vielfach konnten sich die Betriebe voll ständig von Hypothekenschulden frei machen, größere An- rungen der Grundstücke waren möglich und trotzdem blieben noch Vielen erfreuliche Rücklagen, die sich oft infolge beträcht licher Bankguthaben auswirkten. Es war die Zeit des „Scheckbuches“ auch für viele kleine Gärtner, wo man mit Stolz seine Einkäufe nicht in bar, sondern ganz wie der Großkaufmann regulierte. Wohl denen, die es verstanden, haben, in jener Zeit ihre Betriebe in Ordnung zu bringen.. Wenn wir Umschau halten, so müssen wir leider feststellen, daß es ihrer viel zu wenige gewesen sind. Bei all den Be trieben, die aus ganz bescheidenen Anfängen mit den Jahren etwas herausgewachsen waren, versteht man wohl den Trieb, das bare Geld festzuhalten, um möglichst rasch ein kleines Kapital zu erwerben, eine Sache, die man in der Vorkriegszeit Schaffungen, sogar Neubauten von Gewächshäusern, Verbesse- oft nur vom Hörensagen kennen gelernt hatte. Den wenigsten von uns war der 1000-Markschein oder braune Lappen, wie er genannt wurde, immer im richtigen Augenblick erreichbar. Und doch war es verkehrt, wie die Erfahrung zeigte, Schein reichtümer anzusammeln, die mit Wiedereinführung der Gold mark in ein Nichts versanken. Auch nach diesem Erwachen gab es für uns deutsche Gärtner nochmals einen günstigen Augenblick für den, der nicht zu kurzsichtig dachte und handelte. Es war dies das Jahr 1924. Nach anfänglichem vorsichtigem Tasten und Fühlen bei meist leeren Kassen, entwickelte sich erfreulicherweise nach einem strengen Winter ein günstiges Frühjahrsgeschäft, das für viele wiederum vollkommene Rettung und Hilfe in ihrem Fortkommen bedeutete. Aber nicht ganz ging das Jahr zu Ende und es kam der Rückschlag, zu der Zeit, als Chrysan themum und Cyclamen anfingen, ihre Blüten zu entfalten. Was war die Ursache? Das Zutrauen zu Deutschlands Wirtschaft, die Festigkeit unserer Währung, brachte die Auslandserzeugung im Garten bau wieder in Bewegung. Die Jagd nach unserer so knappen Rentenmark begann und der Segen der ungehemmten Einfuhr, beginnend bereits mit den Genußmitteln Orangen, Ba nanen, Kokosnüssen, Ananas, Feigen, ferner Auslandsgemüse im Frühjahr 1924, dann die große Pflanzen einfuhr aus Belgien und Holland, machten sich weitgehendst bemerkbar. Schon im Januar machten die „Großen unseres Be rufe s“, die als Importeure bekannt sind, ihre Orientierungs fahrten nach Belgien und Holland. Der belgische Gärtner wurde von den Dingen vollständig überrascht, da doch nur Wenige an eine größere Ausfuhr glaubten. Nach und nach stieg die Zahl der Käufer, und wer Geld auftreiben konnte, fuhr zum Pflanzeneinkauf und kaufte damals im Anfänge bei einiger Auswahl reichlich und auch noch billig ein. Nun stiegen die Preise in Belgien von Woche zu Woche und trotzdem wurde gekauft, bis der Katzenjammer im Sommer den Rückschlag brachte und mangels genügenden Absatzes in Deutschland die teuer eingekauften Pflanzen oft mit Ver lust abgestoßen werden mußten, um wieder Geld hereinzu bekommen. Zu einer Zeit, als in Berlin die ersten deutschen Einstieler- Chrysanthemum zur Markthalle kamen, waren schon unsere holländischen Kollegen emsig am Werke, uns durch Flugzeuge mit den gleichen Artikeln, leider meist noch bessere Ware als bei uns, aufzuwarten, und zum Allerheiligenfest im No vember waren wir bereits mitten in den italienischen und französischen Blumenrummel hineingeraten. Das Bild war in den Blumengeschäften und im Straßen handel fast schlimmer als in der Friedenszeit. Der deutsche Blumenhändler, aber auch leider nur zu viele unserer deutschen Erwerbsgärtner mit Blumengeschäften, konnten ja die Zeit kaum erwarten, bis es ihnen wieder möglich war, im italieni schen Blumenkorb herumzuwühlen. Gewiß, man wußte wohl, daß es wirtschaftlich nicht richtig sei, aber der Blumengeschäfts-Inhaber in der nächsten Querstraße hat doch bereits die sämtlichen Kinder des sonnigen Südens in seinem Schaufenster aufgebaut, und da durfte man doch nicht „rück ständig“ sein. Nun begann wieder die Leidenszeit des deutschen Gärt ners. Große Bestände oft guter Kulturware blieben im Herbst 1924 unverkauft, während die Auslandserzeugnisse gierig her eingenommen wurden. Deutsche Gärtnerarbeit ging dadurch verloren und wirtschaftliche Werte wurden vernichtet. Dafür wanderten aber Millionen von deutscher Goldmark an die Feindbundländer zur Stärkung deren Volkswirtschaft. Und wie wirkt sich diese Uebereinfuhr bei der ge schwächten Kaufkraft, aber nur bei den Blumengeschäften und Gemischtbetrieben aus? An Stelle leichter Zahlungsmöglichkeit ohne Einfuhr tritt seit Monaten großer Geldmangel und die Lieferanten klagen über schlechte Zahlungsweise bei vielen kleinen und noch mehr großen Blumengeschäften. Die endlosen Schnittblumenrechnungen von Italien und Frankreich seit Weihnachten und Neujahr mit ihren Phan tasiepreisen können mangels lohnenden Absatzes nicht bezahlt werden, während aber große Bestände deutscher Blumen und Topfpflanzen unverkauft bleiben. Wenn angesichts solcher Tatsachen keine Einigung in beiden Lagern möglich ist, dann ist dem deutschen Gärtner und Blumenhändler nicht mehr zu helfen. [1306 Das holländische, einscheibige Mistbeetfenster. (Zugleich Antwort auf die Frage 427.) Wer in den letzten 10 Jahren die Berichte und Abhand lungen über gärtnerische Studienreisen nach Holland verfolgt hat, der konnte mit tödlicher Sicherheit fast in jeder Arbeit das ungeheuere Lob lesen, was man der Verwendung dieses Fensters in den holländischen Kulturen beige ¬ messen hat. Ja, man ging mitunter sogar so weit, daß die Riesenerfolge in den holländischen Gemüse treibereien in erster Linie auf die Verwendung dieses Fensters zurückzuführen waren. In zahlreichen deutschen Gärtnereien hat denn dieses Fenster auch versuchsweise Ein-