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Der Deutsche Erwerbsgartenbau Nr. 14. 3. 4. 1925. wenig diese Tatsachen bei der großen Masse der Bevölkerung zur überzeugten Kenntnis gelangt sind. Es ist mir ferner sehr wohl bekannt, daß schon weite Kreise sich zur ausschließlichen pflanzlichen Nahrung durch gerungen haben und darin ihr Heil suchen und auch gefunden haben. Das sind aber vorläufig gegenüber der großen Masse nur Bruchteile unserer Bevölkerung. Ich halte es taktisch nicht für richtig, bei einer Propaganda, wie ich sie mir denke, gleich mit dem ausschließlichen vegetarischen Prinzip zu kommen. Man läuft nur Gefahr, bei altgewohnten Dingen, wenn man gegen sie auftreten würde, das Interesse zu ver- lieren. Es tritt sonst bald wieder das Wort vom „Kohl rabiapostel“ in Erscheinung, und das Interesse ist hin. Doch die Belehrung der Fachwelt soll nicht nur dieser selbst dienen, sondern sie soll auch den Zweck haben, dem Gärtner bei öffentlichen Versammlungen, bei Kursen, in Schulen usw. das Rüstzeug vorzuweisen, mit welchem er in richtiger Weise Propaganda machen kann. Einige interessante, nicht schulmeisterlich vorgetragene Begebenheiten aus der Ernährungsgeschichte, wie sie von der einschlägigen Literatur leicht zu entnehmen sind, können z. B. bei einer Diskussion viel wirken. Aehnliche Ansichten vertrat Dr. Felix Mendel in seinem Artikel „Rohobstkuren“ in Nr. 48 des Deutschen Erwerbsgartenbaues und der Deutschen Obst- und Gemüsebau-Zeitung. B. Belehrung der Verbraucherkreise. Hier gibt es mancherlei Wege. Ich denke da zunächst an den verflossenen „V. V. f. O. >u. G. V.“, den späteren „Verein zur Förderung des Obst und Gemüseverbrauches“, der sich in Fachkreisen bekanntlich des schönen Namens „Grünkohlverein“ erfreute. Es tat mir immer leid, wenn ich diesen Namen mit einem Unterton des abfälligen Vergnügens hörte, denn es wurde damit nur bewiesen, daß in der Fachwelt die Er kenntnis für die Bedeutung einer richtig eT Propaganda für Obst und Gemüse noch gar nicht vorhanden war. Jetzt sind die Zeiten für den Erwerbsgartenbau ebenso wie für den Obst- und Gemüsebau, wie mir von maßgeblicher Seite berichtet wurde, ernster geworden. Abgesehen von der Propaganda durch Vorträge und prak tische Belehrung in Kursen durch Vereine und Haushaltungsschulen, die ja leider wegen der knappen Geldmittel nicht mehr so wie vor dem Kriege gefördert werden, die aber schon gute Erfolge aufwiesen und die gewiß nur neuer Anregungen bedürfen, um ihre segensreiche Tätig keit für die Allgemeinheit aber auch für den deutschen Garten bauberuf zu entfalten, kämen hier noch andere Mittel in Betracht. Diese wären zu erreichen: 1. durch die Tagespresse; 2. durch die Fachpresse; 3. durch Broschüren und Bücher. Von diesen drei Arten verspreche ich mir am meisten durch geschickt abgefaßte Artikel in der Tagespresse. Vor allen Dingen muß die Leitung der Propaganda-Organisation von einer Stelle ausgehen. Dies wäre die Propaganda-Abteilung des Reichsverbandes, sie hat die Veröffentlichungen zu ver fassen oder eingehend zu prüfen und an den Pressedienst der Ministerien weiterzugeben, welcher bekanntlich für die nötige Verbreitung Sorge trägt. Welcher Art müssen nun diese Artikel sein? 1. Zeitungsartikel allgemein gehalten, die über den Wert von Obst und Gemüse berichten und aufklären. 2. Kurze Hinweise über den gesundheitlichen Wert einzelner jeweilig auf dem Markt erscheinender Arten, z. B. jetzt Brunnenkresse, dann Spinat, dann Rhabarber, Spargel usw. immer zur richtigen Zeit gebracht, das ist die Hauptsache dabei. Ich denke z. B. an die Spargelpropaganda während des Krieges, die sehr geschickt abgefaßt war. Andererseits ist es aber auch nötig, Veröffentlichungen zu sammeln und gegen sie Front zu machen, soweit sie dem Gartenbau von Schaden sein können. So war vor Jahren gegen die Tomate ein Feldzug eröffnet worden wegen an geblicher Giftigkeit. 3. Artikel, die sich mit der Zubereitung befassen und zwar einmal mit der richtigen Zubereitung und sodann auch mit der falschen. Ich selbst habe 1908 und 1909 z. B. auch über der Frage gearbeitet, ob das Einweichwasser bei Hülsenfrüchten fortgegossen werden soll oder nicht und ob ein Vorkochen oder ein Vordämpfen besser ist, Fragen, die jetzt nach Erweiterung der Kenntnisse über die Bedeutung der Nährsalze und der Vitamine in den Vordergrund gerückt sind. 4. Geeignete Artikel müssen verfaßt werden über den Wert und die Bedeutung der Küchenkräuter in der Ernährungsfrage. Wie traurig ist es in dieser Beziehung bei uns in. Norddeutschland bestellt gegenüber der Vielseitigkeit der beispielsweise französischen Küche. Man lese nur mal die ersten Kapitel von Zolas Roman „Im Bauche von Paris“ und man wird dort eine wahre Vergötterung der Gemüse, Salate und Küchenkräuter finden und dann vergleiche man dagegen mal unsere Märkte! 5. Eine weitere Art der Propaganda-Entfaltung ist da durch möglich, daß man geeignete Aer.zte veranlaßt durch Vorträge und Aufsätze in ihren Kreisen zu wirken, weniger beim Publikum. Letzteres darf natürlich nicht ver nachlässigt werden, aber ich meine speziell die wissenschaft liche Behandlung von Fragen, die die Gartenbauerzeugnisse betreffen, durch den Mediziner. Eine Frage wäre z. B., vom medizinischen Standpunkte betrachtet, die, ob Obst- und Beeren weine auch als Stärkungsmittel anzusehen sind und in welchen Fällen. Eine ganze Doktorarbeit ließe sich hierüber verfassen, wenn die Frage systematisch behandelt wird. Ueberhaupt wäre es gut, wenn das ganze Literaturmaterial über Obst- und-Gemüse, soweit es den Mediziner interessiert, mal ge sammelt und wo nötig berichtigt würde,. Hierzu sind nicht große ärztliche Autoritäten nötig, sondern Mediziner, welche dem Gartenbau aus irgendwelchen Gründen besonders nahe- stehen, bzw. an ihm interessiert sind. 6. Eine wirksame, Propaganda läßt sich ferner auch beim Versand erreichen. Jedem Karton, Kiste oder Faß, welche an Privatabnehmer gehen, muß ein geschickt abgefaßter, gedruckter Zettel beigelegt werden verschiedensten Inhaltes, der erstens die Behandlung und Pflege der übersandten Ware betrifft und gleichzeitig z. B. darauf hinweist, daß der hohe Wert der deutschen Ware, nur in richtiger Weise behandelt, erhalten bleiben kann. Werden Aepfel beispielsweise zu warm gelagert, so schrumpfen sie schnell ein, verlieren ihren Gehalt an der für die Gesundheit so wichtigen Apfelsäure,, der Nähr salzgehalt geht zurück und das Aroma kommt nicht mehr zur Geltung. Oder des Inhaltes, daß Obst, welches zu kühl lagert, erst einige Zeit vor dem Genuß angewärmt werden muß, wenn das Aroma zur richtigen Entfaltung kommen soll. Kurz und gut, man, muß dem Abnehmer ein besonderes Interesse für die Ware, welche er empfangen, hat, zu erwecken suchen. Eine, geschickte Propaganda verstand vor dem Kriege der Verein der deutschen Zuckerindustrie für den Zucker zu machen. Und wie ich glaube, nicht ohne Erfolg. Die Absatz- quellen waren dem deutschen Zuckermarkt schon jahrelang vor dem Kriege sehr beschnitten worden und kurz ent- schlossen betrat genannter Verein den Propagandaweg für einen erhöhten Verbrauch im Inlande. Bekannte P,omologen wie Müller- Diemitz arbeiteten damals mit daran, Rezepte für einen größeren Verbrauch des Zuckers in der Obstver wertung herauszubringen, Statistiker und Ernährungsphysio logen wurden in Bewegung gesetzt alles ad majorem gloriam saccharia. Auf allen Bahnhöfen konnte man das Plakat mit dem kleinen Knirps, sehen, der einen schönen Zuckerhut schleppt. Aehnlich müßten wir es auch machen. Geschmackvolle Plakate, in lachenden Farben einige Obst- und Gemüse arten, und darunter ein kurzer Appell an die Hausfrauen „frisches Obst .und Gemüse bei ihren Einkäufen nicht zu vergessen, denn diese tragen wesent lich dazu bei, die Gesundheit ihrer Familie zu erhalte n“. Zweifelsohne läßt sich dieses Gebiet noch wesentlich ausbauen. Vorstehendes sollte nur eine Anregung bedeuten, die eben durch die Ergebnisse der «neueren Ernährungs- forschungen ausgelöst wurde. [1412 Ausländische Konkurrenz und Reklame. Die deutschen Gemüsezüchter werden unter der auslän dischen Konkurrenz in diesem Jahre noch mehr zu leiden haben als im verflossenen. Es werden im Ausland, besonders aber in Holland große Anstrengungen gemacht, noch mehr Gemüse als voriges Jahr zu ziehen. Das kann man schon daraus schließen, daß die Holzverarbeitungsfabriken mit Hochdruck arbeiten. So hat z. B. eine Fabrik Bestellungen erhalten auf rund 1 Million Rahmen für Mistbeetfenster. Wenn man hiervon 75% rechnet, um abgenutzte Rahmen zu ersetzen, so bleiben noch 25% oder 250 000 Rahmen, welche zur Ver mehrung der Gemüseanzucht dienen. Ich kenne persönlich Gärtner, welche sich 1000—2000 Mistbeetfenster zur Ver größerung ihres Betriebes angeschafft haben. In den letzten Jahren war man sehr sparsam geworden, besonders mit frischem Pferdedung. Dies hat sich auch geändert, denn trotz dem der Dung doppelt soviel kostet wie im Winter 1923—24, legt man fast nur noch warme Mistbeete an. Auch die Veilingen, das sind Gemüseauktionen, tragen der kommenden,