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324 Dresden, 3. Oct. Heute war die Mitzliederzahl der Lehrerver- sammlung auf 1460 gestiegen. Dircctor Ur. Möbius aus Leipzig hielt einen mit Beifall aufgenommenen Vortrag über „die Ueberbürdung der Volksschule,- wobei er die übertriebenen Forderungen und den Schaden derselben darlegte. Hierauf begannen die Verhandlungen über die Eme- ritenkaffe, welche Director Heger mit einer längeren Darstellung der Sach lage einleitete. Es wurde schließlich ein Ausschuß von 5 Mitgliedern ge wählt, der die Reorganisation des Vereins in die Hand nehmen soll. Die heutigen Verhandlungen wurden durch die Anwesenheit der Herren KreiSdirector v. Könneritz, Excellenz, Geh Kirchenrath Ue Gilbert, Ober hofprediger Or. Liebner, Kirchenrath Meh, Consistorialrath Ur. Kohlschüt ter, Stadträthe Pöschel und Kretzschmar und Hofrath Ackermann (Vorstand der Sadtverordneten) beehrt. Dresden, 5. October. Das Bedürfniß, ordentlich gebildete Turn lehrer bei den öffentlichen Schulen zu gewinnen, hat sich immer mehr geltend gemacht, weshalb auch selbst kleinere Städte demselben zu genügen sich anschicken. Zu diesem Zwecke sind bei hiesiger Turnlehrerbildunzsan- stalt Extralehrcurse eingerichtet, um den für das Turnlehrerfach schon vor- gebildeten Lehrer die Anschauung eines systematischen TurnlehrzangeS zu geben. Der soeben geschlossene diesjährige NachhilfecursuS wurde von Lehrern aus Borna, Bischofswerda, Otchatz, Mitweida, Chemnitz, Pulsnitz, Zwickau, Wurzen, Dippoldiswalda unv Gohlis benutzt, und sind deren zehn Lehrer nach erfolgter Prüfung als für das Turnlehreramt an Elementar volksschulen befähigt erklärt worden. — Der „B. B.-Ztg." zufolge sind für das Jahr 1868 und die nächstfolgenden an Herstellung von Telegraphenleitungen in Sachsen die Linien von Dresden Kamenz, Altenburg-Crimitschau-Werdau-Zwickau und Chemnitz-Frankenberg in Aussicht genommen. — Gestern Mittag ist hier der Oberlandforstmeister a. D. Herr Frhr. v. Berlepsch, Chomthur des Verdienstordens rc., gestorben. Zwickau, 4. October. Die Lotterie, welche von einem Vereine hie siger Damen zu Gunsten der Abgebrannten in Johanngeorgenstadt einge leitet worden ist, scheint einen günstigen Verlauf nehmen zu wollen, da nicht nur zahlreiche, zum Theil recht werthvolle Geschenke geliefert, son dern auch sehr viele Loose gekauft worden sind. Die öffentliche Ausstellung sämmtlicher Gaben findet in der Wohnung des Amtshauptmanns v. Welk wahrscheinlich in den 4 Tagen vom 19. bis 22. lfd. M. statt. Bei Em pfehlung des Besuchs jener Ausstellung wird zugleich um weitere Abnahme won Loosen, u b Ngr., dringend gebeten. Berlin, 4. October. Der Ministerpräsident Graf Bismarck, welcher seine Abreise einen Tag verschieben mußte und erst vorgestern nach Pom mern abgegangcu ist, wird in etwa 8 Tagen zurückerwartet. — Die „Neue Preuß. Zeitung" vom 1. October bringt einen ge harnischten Artikel gegen die Haltung der französischen Presse, die fortfahre, mit ihrem „Nergelthum" Preußen zu reizen. Es heißt in demselben: „Es lüstete uns nicht, jedem Pariser Winkeljournal, jedem Blättchen, das irgendwo in der Gascogne gegen Preußen schwadronirt, Tag für Tag nachzuspüren und Feldmäuse wie Edelwild zu behandeln. Indessen — da auch angesehene und selbst officiöse Journale in Paris fortfahren, an Preu ßen zu mäkeln, ja uns zu drohen; da die französische Regierung Tag und Nacht ihre Rüstungen vermehrt und ihren Blättern gestattet, diese Vorbe reitungen laut gegen uns auszudeuten — sollten wir nur schweigen? Also denn zwei Worte! — Wir sind zu alt, um noch zu spiele» — sonst wür- , den wir in die französische Schule gehen, um das Prahlen zu erlernen. ! Man zählt uns vor, wie groß Frankreichs Armee, wie feurig ihr Muth sei, den doch Niemand bezweifelt, wie schneidig ihre Waffen — selbst die TurkoS werden schon zu vielen Tausenden gegen uns mobil gemacht. Wir fürchten unS nicht — aber wir rühmen uns auch nicht. Wir werden Nie mand angreifeu — vor Niemandes Angriff aber uns scheuen. Nirgends werden wir Frankreich in den Weg treten, «seine inneren Verlegenheiten" durchaus nicht vermehren. Wir werden uns niemals einmischen in eine Frage, die der Entscheidung Frankreichs anheim steht — allein und frei möge es seinen Gang ordnen. Aber auch wir den unsrigen! Wir sind nicht gemeint, Henn Drouyn de LhuhS zu bitten, daß Preußen Großmacht bleiben dürfe. Es fällt uns nicht bei, den kaiserlichen Vetter um Beleh rung zu ersuchen über die Grenzpslicht des Rheinstroms. Alles das denken wir uns allein zu besorgen, und wir würden uns jede Intervention mit höflichstem Danke verbitten. Wir hoffen, dieß würde genügen. — Frank reich wird eben einsichtiger sein, als die kriegstollen Journale von Paris. Wenn aber doch nicht, - nun dann „Fuß beim Maal!" und zu jedem Wettzanz bereit, trotz aller TurkoS und Fächerianonen. Dem groben Klotz ein grober Keil!" (Das heißt doch, der französischen Anmaßung jgegen- über, einmal deutsch gesprochen.) Schloß Aulendorf, 6. October. Nach den neueste« Bestim mungen werden sich die preußischen Majestäten am 10. October von Weimar nach Baden-Baden begeben; ein Theil des Gefolges ist bereits heute nach Baden-Baden vorangegangen. München, 6. October. Gutem Vernehmen nach wird der König von Bayern dem König von Preußen bei dessen Anwesenheit in Nürnberg einen Besuch abstatteu. Wien, 5. October. Die heutige „W. Abdp." veröffentlicht in Be treff der neuesten Vorgänge in Italien folgende Telegramme: Florenz, 4. October. Die an der Grenze befindlichen italienischen Truppen, welche den Uebergang der Garibalkiner verhindern sollen, wurden auf 50,000 erhöht. Garibaldi wird auf Caprera durch vier italienische Kriegsschiffe bewacht. Die Situation ist gespannt. — Rom, 2. October. Vier gari- baldinische Banden haben die Grenze überschritten, stark genug um sich jenseits derselben festzusetzen. Telegraphische Nachrichten, welche aus die Autorität der italienischen Regierung zurückzuführen sind, wollen beruhigen und stellen dagegen die Zusammenrottungen auf päpstlichem Gebiete als unbedeutend dar. Pesth, 6. October. In Angelegenheit der Adresse deS HeveserS ComitateS fand heute Vormittag ein Ministerrath statt. Wie verlautet, dürfte das Comitat aufgelöst werden, da seinerseits ein Nachgeben nicht zu erwarten. Florenz, 5. October. Man schreibt der „Köln. Z." betreffs der augenblicklichen Situation: Nur Gerüchte und keine Thatsachen aus Rom. Die Meinung, es werde bald zu einem Aufstande kommen, erhält sich, und man sagt, Baron Nicotera, der Freund Garibaldi's, wolle sich an die Spitze der Bewegung stellen. Man sieht allgemein der Eventualität entgegen, daß die italienische Regierung, unbekümmert über Das, was Frankreich zu thun gedenkt, die römischen Provinzen besetzen wiro. In Rom selber scheint bisher Alles ruhig. Garibaldi erwartet man, nach seiner in den Blättern abgedrnckten Erklärung, ebenfalls wieder auf dem Schauplatze erscheinen zu sehen, falls die Römer sich wirklich zu einem Ausstande entschließen. Daß die Regierung froh war, Garibaldi auS Alessandria scheiden zu sehen, erklärt sich schon aus der Haltung der Gar nisontruppen dieser Festung. Auch in Genua riefen die Soldaten: „Nach Rom, nach Rom!" Daß man es in Neapel, wo die Nachricht von der Ab reise spät angekommen war, hat an Kundgebungen nicht fehlen lassen, wurde bereits gemeldet; dieselben wurden vier Tage hintereinander fortgesetzt. Man versuchte es zu verschiedenen Malen, vor dem französischen Consulate eine Kundgebung zu machen, und da diese von den Truppen vereitlest wurde, begab sich die Menge vor das preußische Consulat und ries: „Es lebe Preußen! Es lebe unser Bundesgenosse! Es lebe Bismarck!" Paris, 6. October. Die „Gazetla de France" glaubt zu wissen, daß alle im Auslände weilenden Freiwilligen der päpstlichen Truppen den Befehl erhalten haben, zu ihrem Corps rinzurücken. — Florentiner Journale versichern, die Bewegung im Kirchenstaatsge biete dauere M, neuere Jnsurgentenbanden seien an verschiedenen Punkte» aufzetaucht. — Der „Courier" meldet, der Papst habe erklärt, er bleibe jeden falls in Rom. Madrid, 5. October. Königin Christine ist hier rigetroffen. — Auf Befehl der Regierung haben sich die Directoren der hiesigen Jour nale versammelt, um das Versprechen derselben entzegenzunehmen, daß sie die Lage der Presse verbessern wolle, soweit dies die Umstände gestatten. Das Manifest Prims, worin derselbe sein zweifelhaftes Verhalten während des letzten Aufstandes zu erklären und zu rechtfertigen versucht, ist allgemein schlecht ausgenommen worden. Russische Angelegenheiten. — ES soll Alles russisch werden Die Stockböhmen nnd andere Söhne der Mutter Slawa wollen es freiwillig werden, die Polen unter russischer Herrschaft müssen eS wohl oder übel, und neuerlich kommt auch die Reihe an die Deutschen in den russischen Ostsee provinzen, denen man kurz und gut kund giebt: „Ihr seid Russen, und um dieß ganz gehörig zu sein, muß Eure Sprache die russische sein; also lernt schleunigst russisch!" Dem gemäß wirv jetzt dort in allen öffentlichen und Privatschulen, wo bisher deutsch unterrichtet wurde, eben so viele Stunden russisch getrieben. Bekanntlich wurden die wilden Be wohner der Ostseeküsten von der Weichsel bis zur Nevamündung, die sla- vischen Lilhauer, die finnischen Esthen und die aus beiden gemischten Völker schaften der Preußen, Kuren, Letten rc., die sich in wilder Selbstständig keit säst nomadisch umhertrieben, von Bischöfen, Zehnten, Kirchenbauten nichts wissen wollten und die christlichen Apostel erschlugen, vor 600 Jahren von den Ritterorden der Schwertbrüder und deutschen Herren nach damaligen Brauche mit dem Schwerte zum Christenthume bekehrt, unv was von ihnen in diesen mörderischen Kämpfen übrig blieb, nahm veutsche Sprache, Sitte und bürgerliche Einrichtung an, deutsche Eiuwanderer zo gen massenhaft in jene fruchtbare Niederungen und so waren und blieben die dortigen Gegenden bis zum heutigen Tage deutsch, wenn gleich der Theil derselben, welcher später unter russische Herrschaft kam, gegenwärtig theilweise mit Russen gemischt ist. Riga, Reval, Dorpat rc., die Träger und Sitze deutscher Bildung, sollen nun auch auf einmal russisch werden! Die stockrussische Partei in Pertersburg, durch den neuesten polnischen Ausstand so fanatisch national geworden, daß ihr die Maßregeln der Re gierung, Polen ganz russisch zu machen, immer noch nicht ha^t genug