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47, 26. Februar ISI2. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel, 2515 Heroismus fähig ist und wie sich Heldentum an Heldentum entzündet — und wie das geschildert ist, das greift unmittelbar an das tiefste Gewissen des Lesers, so daß er sich unwillkürlich mit einem zu allen hohen Opfern bereiten Ernst erhebt. Diese Novelle ist in ihrer künstlerisch-sittlichen Stilkraft nur an den Erzählungen Tolstois zu messen. Eine ganz andere Tonart ist in dem „Gespenst". Diese Erzählung läßt von fern an Gottfried Kellers schöne Gespenstergeschichte im „Sinngedicht" denken. Auchbezüglich der feinen überlegenen Schalkhaftigkeit des Mannes der Frau gegenüber. Doch ist die Form des Erzählens weniger breit, weniger lyrisch; sie ist knapp, in der Art etwa, wie Kleist arbeitet, kein überflüssiges, die Konturen verwischendes Sentiment ist darin. Im „Hölzernen Becher lein" erzählt Ernst auf elf Seiten eine Reihe von Schicksalen mit der weisen Ruhe und farbenreichen Innigkeit, wie wir sie in allen Märchen finden. Man blickt über das schlichte Motiv hinaus in die ungemessenen Weiten des Seelenlebens. Glänzend versteht Ernst die Gestalten zu placieren. Wie er im „Tod des Cosimo" die Figuren Cosimos de Medici, Savanarolas und Fra Angelicos gegeneinanderstellt, das wirkt freskenhaft stark wie ein alt italienisches Bild und doch auch impressionistisch modern. Ein Meisterstück realitätsschwangerer Darstellungskraft ist die „Liebe des Flibustierführers". Es ist etwas wie eine groteske Jliaden- stimmung darin; der Wille zum Leben springt einem mit der Kraft eines unbekümmerten Raubtieres aus diesem Capricio im Sinne Goyas entgegen. Überall in den Novellen geht die Knappheit der Form bis zum Lapidaren. Und doch tauchen bei solcher Kürze dann oft Stellen auf von solcher gedankenvollen Schönheit, daß man das Buch vor innerer Bewegung eine Weile niederlegen muß. Es sind vor allem die Stellen, wo die reine Güte eines wahr haft großen Herzens im Sonnenschein der schönen Kunstform vor einem auffunkelt. Überall nimmt man lebendige Traditionen wahr, eben weil man vor Werken eines Selb ständigen steht. Heinrich von Kleistens glänzende Prosadiktion wird sichtbar und die Erzählungs kunst Gottfried Kellers. Es zeigt sich, wie Paul Ernst mit Hebbel zeitlich zusammenhängt und in welcher Weise Tolstoi ein Wahlverwandter ist. In der großen Einfachheit spürt man überall die Lehren der alten deutschen Kunstformen, doch wirkt hinter dieser Einfachheit eine Psychologie, die sich neben Dostojewski entwickelt hat. Ein Dichter steht vor uns, der viele Formen be herrscht, dem aber alle Formen stets zu der einen, zur eigenen Form werden. In allen diesen Novellen meint man etwas wie Selbsterlcbnisse zu sehen, die sich vom Bewußtsein reif losgelöst haben, wie sich die Frucht vom Baume löst. Mit dieser Kunst eben, das Innen zu einem Äußeren zu machen, reiht Paul Ernst sich in aller Stille den bedeutenden deutschen Erzählern an. Während er beinahe ohne Resonanz schafft, häuft er ohne Hast und Rast Wert auf Wert. Er giebt den ganzen Reichtum seines schönen Innern; nicht wahllos wie ein Verschwender, sondern in fertig geprägten und wohlgeordneten Formen. Sein Volk aber gibt ihm dafür nichts zurück als Gleichgültigkeit oder bestenfalls kühle Achtung; es bereitet, ohne es zu wissen, auch diesem Dichter, der das Schicksal der Kunst in jeder Stunde mit wahr haft religiösem Ernst erlebt, das Schicksal, das es im neunzehnten Jahrhundert seinen Besten so oft bereitet hat — ein Feuerbach-Schicksal. Von Paul Ernst „Der Tod des Cosimo" liefern wir jede Anzahl bereit willigst in Kommission. Von dem Roman von Paul Ernst „Der schmale Weg zum Glück" ist nur noch eine beschränkte Anzahl von Exemplaren aus Bütten gedruckt und in Leder gebunden zum Preise von M. 7.—ord., M. 5.— bar, sowie einfach kart. zum Preise von M. 2.50 ord., M. 1.75 bar jetzt wieder erhältlich, die wir nur noch bar abgeben können. Diese wohlfeile Ausgabe wird, wenn sie ausverkauft ist, nicht wieder gedruckt werden. Verlag von Meyer L Jessen. 32S- Berlin >V. 35, Lühowstr. 102/104.