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11084 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel, Nichtamtlicher Teil, 221, 21, September 1S12. und recht wenig Lokal-Literatur befindet. Und München macht hiervon keine Ausnahme, Es kann mit seinen 4000 jähr lichen Aufwands keine großen Sprünge machen; denn ein guter Teil davon ist für Buchbtnderkosten, ein anderer für lausende Zeitschriften zu rechnen. Das juristische und verwaltungs- rechnischc Ressort muß praktikabler Weise in erster Linie berück sichtigt werden und so bleibt natürlich für Monacensia blut wenig übrig, Schenkungen im größeren Maße werden aber erklärlicherweise eher der Hof- und Staatsbibliothek gemacht, bleibt also die Stadtbibliothek immer das Aschenbrödel, kie kt ubiquk! Na, vielleicht findet sich auf den Appell in den M, N, N, hin ein Prinz, der mit einer reichen Sammlung Mün chener Lokalliteratur die arme Schwester der Staatsbibliothek zur Prinzessin erhebt; vielleicht auch erinnem sich die Stadt väter, das; das Buch sehr häufig nicht die schlechteste Kapitals anlage ist und erhöhen dann diese 4000 Märklein um ein Er hebliches?! Ganz ausgeschlossen ist dies nicht, nachdem eine Wandlung zum Besseren doch schon darin zu erblicken ist, daß die Städti schen Kollegien die Herausgabe einer »Altmünchener Ge schichte« beschlossen haben. Sie wird von dem bekannten Kul turhistoriker K, Trautmann herausgegeben und soll in etwa 10 Bänden, von denen jeder etwa 200 Druckseiten umfaßt, er scheinen, Sie wird nicht rein geschichtlich dozieren, sie soll viel mehr gleich auch ein Stück Kulturgeschichte bilden, indem sie uns die Entwickelung des Verkehrswesens, der Bauten, der Wohnungseinrichtungen und des Theaters schildern will, »Es gibt nur einen Philosophen, der die Ergebnisse der Kathederphilosophie und die Erfahrungen der Lebensphilo sophie zu vereinen verstanden hat. Und weil er die Früchte dieser Allianz uns mit lachendem Gesicht bringt, haben wir Alltagskinder soviel von ihm gewonnen, 'S isIWilhelmBufch!« An diesen Ausspruch eines guten Bücherkäufers, der zugleich ein wirklich gebildeter, feinfühlender Mensch war, mußte ich denken, als ich vom Neuen Busch-Album erfuhr. Es ist ein gemeinsames Unternehmen aller Verleger der jetzt noch in Ein zelausgaben verstreuten illustrierten Geschichten dieses herzens kundigen Künstlers, der mit linder Hand in Bild und Wort auf unsere Schwächen deutet. Es war ein glücklicher Gedanke, die einzelnen Verleger, Braun L Schneider, Deutsche Verlags- Anstalt, Joachim und Schauenburg zu gemeinsamem Unter nehmen zu Vereinen, Das meiste davon liefert ja die Firma Braun L Schneider, die schon in ihren Fliegenden Blättern einen reichen Schatz an gutem Humor der Münchener Kunst hat. Das gleißt und glimmert und lockt; was Wunder, daß nun schon zum drittenmale einige schlecht behütete Juwelen von anderer Seite aus diesem Schatze geholt wurden. Der Verlag Georg Müller wächst und wächst. Er entfaltet eine ganz erstaunliche Produktivität, Jetzt erscheinen auch die Philosophen in einer von diesem Verlage gewohnten mustergültigen Ausstattung, und die von einem Ver- läge zum andern gewanderten Schriften Frank Wede- kinds kommen hier in einer Gesamtausgabe heraus. Der seit Monaten erwartete Verlagskatalog, dessen Ausgabe sich durch den Umzug des Geschäftes verzögert hat, ist nun endlich er schienen. Er zeugt so recht von dem umfassenden Unter nehmungsgeist und von dem feinen Empfinden für das Gute und Gesunde aller Zeiten, Nur die 50, Seite dieses Bücher verzeichnisses ist ein Mißgriff; solche Illustrationen wirken wie ein verheißungsvolles, lüsternes Augenzwinkern, ein Kunstgriff, den gerade diese Firma nie angewandt hat. Ein Werk, an dem auch der Laie seine Helle Freude haben kann, und das dem Münchener Verlag zur Zierde gereicht, veröffentlichte die Firma F, Bruckmann A,-G.: München und seine Bauten, Einband, Satzeinteilung, treffliche Wiedergabe der vielen Illustrationen, alles besticht an diesem Buche, Wenn auch die effektiven Interessenten, die Architekten und Inge nieure, für den Sortimenter nicht mehr als Abnehmer in Be tracht kommen, da die meisten es Wohl schon als Teilnehmer an der hier stattfindenden Tagung erhalten haben werden, so bleibt doch für das prächtige Buch immer noch ein großer Interessentenkreis, den der Buchhändler um so lieber aussuchen wird, als einmal wieder ein guter Rabatt geboten wird, Frank Wedekind hat nun doch sein »Oaha«, das bekannt lich einen vor einigen Jahren verstorbenen Verleger Mün chens persiflieren sollte, für die öffentliche Aufführung frei bekommen, Wie zu erwarten war, hatte der erste Abend eine grelle Färbung, »durch der Parteien Gunst und Hatz«. Das Publikum spielte lebhaft ohne Gage mit, »Einige ließen die Luft hörbar durch die Zähne streichen«, so umschreibt ein Re zensent Pfiffig eines der durchdringendsten organischen Hilfs mittel negativer Kritik, Doch ist der Autor Stürme gewöhnt, hat er doch selbst schon oft Sturm gesät. Und zum Schluß konnte er seinen Anhängern, die in dieser kleinen Meinungsverschieden heit Sieger geblieben, einige Male danken, »Ganz anders als in andern Menschenköpfen malt sich in diesem Kops die Welt.« Wer, wie Wedekind, Gestalten auf die Bühne stellt, die voll unersättlichen Lebenshungers sind, wer so wie er, Organisches und Psychisches wechselseitig begründet, der mißt die einzelnen Handlungen ganz anders als der ge wöhnliche Sterbliche, Was andern schon Tragik dünkt, das ist für ihn nur ein Nebelstreif, Er liebt das Gewaltige, Grau sige, das Unbändige, und er schleudert deshalb Blitz auf Blitz. Wir wissen dies, und doch sind wir manchmal überrascht von seiner Impulsivität, Daß er dem Lichtspielhaus, das sein »Oaha« durchgesetzt, den folgenden Absagebrief in den M. N. N. bereitete, hat auch seine Anhänger erstaunt: »Hochverehrliche Redaktion I Darf ich Sie höslichst ersuchen, Ihren verehrten Lesern Mitteilen zu wollen, baß ich mein Mysterium »Franziska« vom Münchner L u st s p i e l h a n s zurückgezogen habe, ba das Drama behuss Freigabe ohne mein Wissen von der Direktion in einer völlig verstümmelten, verunstalteten Form der Zensnrbehörde eingereicht wurde, die es erst nach Vornahme noch weiterer Verstümmelungen freigab. Leider veranlassen mich die Unstimmigkeiten, die dieses Vorgehen der Direktion zur Folge hatte, mich auch meiner weiteren persön lichen Mitwirkung bei der Ausführung meines Schwankes »Oaha« zu enthalten. Da die Zurücknahme des Stückes aus rein künstlerischen Gründen erfolgte, glaube ich mit ihr in meinem vollen Rechte zu sein. Indem ich Sic ersuche, den Ausdruck vorzüglichster Hoch- schätzuug entgegennehmen zu wollen Ihr ergebenster Frank Wedekind.« Noch mehr Erstaunen aber brachte die Antwort des Lust spielhauses, die behauptete, daß die Streichungen mit der Ein willigung Wedekinds erfolgt sein sollen, die Striche der Polt- zeidirektion unwesentlich wären, »Er hat aber die Striche der Polizeidirektion zur Kenntnis genommen, und hat sich hinterher wochenlang über alle Vorarbeiten der Inszenierung unterrichten lassen.« Wie wir erfahren, hat nun der »Neue Verein« die Aufführung der »Franziska« übernommen. Nun geht noch durch die Presse die Mitteilung, daß ein junger Komponist eine Jugendarbeit Wedekinds, ein Schäfer spiel »Felix und Galathea« zu einem Oratorium vertont hat. Und am 24, September findet die öffentliche Vorlesung einer Anti-Wedekind-Komödie: »Karl Hetmann«, einer Antwort auf Hidallah von Lorarius statt. Man steht, Wedekind kann sich über die Fama nicht beklagen; sein bester Diener ist auch ihm die Reklame, G, Recknaqel.