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^jss 221, 21. September 1912. Nichtamtlicher Teil. «SrlcEaU >. d. Dllchn. Buchhandel. 11083 neu ergriffen, die natürlich, einer alten germanischen Sitte zu folge, gleich einen Verein bildeten, der zwar nicht kurz, aber bündig »Propagauda-Markeu-Sammlcr-Vercin« heißt. Er will nun System in das Sammeln bringen und hat die Orga nisation gleich großzügig angelegt, indem er eine Zeitung her- ansgegeben hat: Der Propaganda - Marken - Sammler, Ex libris-, Plakat- und Markenbilder - Zeitung. Sie dürfte als Frühgeburt betrachtet werden, wenn auch das Sammeln sol cher Marken immer weitere Kreise ersaßt und sehr häufig bei Einkäufen von Kunden geradezu darnach gefragt wird. Her vorragend schöne und, was die Hauptsache bildet, reklametech nisch richtige Siegel hat die Firma G. W. Dietrich her ausgegeben i auch der Simplizissimus verwendet welche zu Briefverschlüssen (die bekannte Zeichnung mit der kettenspren genden Bulldogge). Vom Sortiment haben bis jetzt diese günstige Propagandagelegenheit die Firmen: H. Hugendubel, Ehr. Kaiser, sowie Fr. Klllbcrs Nachs., Nähr L Funk benutzt. Doch werden Wohl weitere Firmen aus dem Verlag, wie aus dem Sortiment Nachfolgen, da das Publikum, eigensinnig wie ein Kind, sich noch manche erzwingen wird mit seinem aus dauernd wiederholten Begehren. »Der Propaganda-Marken-Sammler« wird all diesen kleinen Leidenschaften helfen. Wer sich für Politik und Kultur interessiert, wird ganz natürlich nur mit einem Lächeln Kenntnis davon nehmen. Sein Sinn steht jenseits solch naiver Passio nen. Die meisten treiben ja auch Politik nur zum »Haus gebrauch«. Wer sich ernster dafür interessiert, wer sich aus dem Für und Gegen gerne seine eigene politische Anschauung aufbaut, der wird vielleicht auch zu einem Blatt mit konse quentester Logik greifen, zur »Kritischen Tribüne«, die im Früh jahr hier gegründet wurde. Wie ernst es diese Wochenschrift auch im kleinen meint, zeigt der Artikel in Nr. 203 des Bör senblattes, den einer ihrer Schriftleiter brachte: »Preis angabe bei Besprechungen«. Der Verlag H. F. S. Bachmair, der bisher in Berlin war, hat sein Domizil nun ebenfalls in München aufgeschla gen; er will hauptsächlich den allerjüngsten Talenten die Wege zum Parnaß ebnen. Der hiesige Drei-Masken-Verlag da gegen streckt seine Hand nach Berlin aus; er will das dortige Neue Schauspielhaus annektieren, um in ihm eine Bühne für seine Verlagswerke zu gewinnen. Der im Börsenblatt schon öfter erwähnte Schriftsteller Hans Fuchs hatte der Zeitschrift »Janus« sein Werk »Liebes- rechte« angeboten und dabei behauptet, daß es vom Deut schen Volkstheater in Wien zur Aufführung angenommen sei. Er benachrichtigte den Verlag von Wien aus auch noch, daß Proben bereits stattgefunden hätten und die Aufführung dem nächst erfolgen würde. Da der Verlag ihm auf diese fal schen Angaben hin einen Vorschuß eingehändigt hatte, wurde Fuchs, gegen den auch noch andere Strafverfahren anhängig sind, zu sieben Wochen Gefängnis verurteilt. In wirklich großzügiger, beispielgllltiger Weise haben die deutschen Kunsthändler eine Schutz- und Trutz-Versamm lung, die eine erfolgversprechende Organisation bezweckte, hier abgehalten. Wer immer de» belebenden Geist einzuhauchen verstanden hat, der mutz ihm Achtung bezeugen, da schon die Tagesordnung von einem erfreulichen Weitblick Kenntnis gab. Ter in Absatz 4 vorgcschlagene besoldete Geschäftsführer wurde in langen Debatten heiß umstritten, seine Anstellung aber zum Schluß doch genehmigt. Was die Kunsthändler dadurch er worben haben, gleicht einer guten Kapitalsanlage, durch die sic den Landesverbänden der Buchhändler um eine gute Nasen länge voraus sind. Wenn auch die Verdienste der Kunsthändler besser sind und die Anstellung einer solchen, relativ teuren Kraft eher erlauben: ich kann mir nicht helfen, die Buchhändler hätten sich schon lange um so eine Art Propaganda-Chef umtun sollen, und wenn eine Besoldung gemeinschaftlich von sämt lichen Landesverbänden hätte gewährleistet werden müssen. Ich weiß, ich wiederhole mich immer tu diesem Punkte; aber es ist der kategorische Imperativ für den Buchhandel in seiner Gesamtheit: Reklame! oder nach dem alten Passauer Spruch: Hundssott, wehr dich! Daß die Versammlung dagegen die Schaffung eines eigenen Publikationsorganes ablehnte, ist gegen diesen ersten Beschluß nicht von besonderer Bedeutung. Auch die Annahme des für den Publikationskatalog vorge- fchlagenen Verzeichnisses der Neuerscheinungen auf dem Ge biete des Kunsthandels ist nicht so hoch einzuschätzen. Daß aber die Anträge einiger Warenhäuser durch den Grundsatz, Warenhäuser überhaupt nicht in den Verein aufzunehmen, er ledigt worden sind, zeigt, daß der Kunsthandel nicht gewillt ist, mit ihnen zu paktieren; wie er sich mit ihrer Konkurrenz ab surden wird, ist freilich eine zweite Frage. Eine bewegliche Klage ertönt aus der Hof- und Staats bibliothek, aus der im Grund nur die Überzeugung einer über« bürduug herauszulesen ist. Denn daß die Königliche Biblio thek in Berlin mit größeren Mitteln ausgestattet und infolge dessen auch für größere wissenschaftliche Arbeiten besser gerüstet ist, bedingt ihre Stellung als Bibliothek einer Riesenstadt. Bis jetzt aber können die wissenschaftlichen Leistungen unserer Hof- und Staatsbibliothek sich noch immer sehen lassen. So ist für die nächste Zeit der Katalog über die griechischen Handschriften zu erwarten, auch derjenige über die chinesische Sammlung ist in Vorarbeit, dann ist auch die Einrichtung eines photo graphischen Instituts geplant, und schließlich soll die Karten sammlung geordnet werden. Die Frage: »Soll die Kgl. Hof- und Staatsbibliothek eine wissenschaftliche Sammlung und For schungsstätte bleiben, oder soll sie eine bloße Lese- und Leih bibliothek, ein großes Betriebsunternehmcn werden, dessen Ehrgeiz darin ausgeht, den Anforderungen des Tages zu dienen?« — diese Frage ist eigentlich überflüssig. Denn wenn der Bibliothekar »die Forderungen des Tages« erfüllt, dann hat er schon sein Bestes getan; die Bibliothek ist und bleibt immer eine dienende Magd der Wissenschaft, und wie dem Mimen, so flicht auch dem Bibliothekar die Nachwelt keine Kränze. Bekanntlich sind nicht nur d i e Hausfrauen, son dern auch d i e Bibliotheken die besten, über die man am wenig sten spricht. Leider aber wird über fast alle Bibliotheken, außer einigen amerikanischen, die Klage gehört, daß sie in verschie denen Disziplinen schlecht versehen seien. Und die relativ ge ringen Mittel bilden die Erklärung dafür. Daß da Schenkungen, wie sie der Universitätsbibliothek ge macht worden sind, immer willkommen sein werden, ist erklär lich. Professor Kuhn hat ihr 3000 Bände sprachwissenschaft licher und folkloristischer Literatur übergeben, Professor Gareis und Professor Muncker eine kleine Sammlung philosophischer und juristischer Werke, Frau Geheimrat von Winckel eine solche medizinischer Bücher. Eine besonders reiche Stiftung bildete die Bibliothek des verstorbenen Justizrats Unger, die in den 2200 Bänden eine Spezialsammlung des sächsischen Parti- kularrechts enthielt. All diese Spenden werden mit herzlichem Danke quittiert, wenn sie auch nur Kleinigkeiten, Pfenniggaben bilden, gegenüber den Niesenstiftungen amerikanischer Multi millionäre. Und doch sind sie ungleich wertvoller als diese. Denn all diese Plutokraten können Millionen stiften mit der Linken, da diese nicht weiß, wieviel Aber-Millionen die Rechte dafür dem Univcrsal-Vcrmögcn entrissen hat. In unfern deut schen, kleinen Stiftungen aber steckt immer ein gutes Stück Lebensarbeit und daher Persönlichkeit, und das macht sie wirk lich, macht sie wertvoll. Am schlimmsten sind ja meistens die Stadtbibliotheken daran. Sie sind gar oft nur ein Sammelsurium zufälliger Schenkungen, unter denen sich recht viel überflüssige Belletristik 1444»