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105, 8. Mai. Nichtamtlicher Theil. 1815 gründete Geschäft unter der Leitung der Mutter wenigstens erhalten blieb, mußte der Sohn dem allgemeinen Brauche folgend mit dem Eintritt in eine Lehrlingsstelle für die ihn bald ganz in Anspruch nehmende Ausgabe sich vorbereitend Diese Lehrjahre sind für Engelmanu bedeutungsvoll geworden. Er verlebte sie in dem Hause des Buchhändlers Th. Ehr. Fr. Enslin in Berlin; und wie sich aus jener Zeit ein bis zum Tode fortdauerndes Freundschastsverhältniß zu jenem Hause seiner Lehrzeit ent wickelte, so gedachte Engelmanu gern der freundlichen Aufnahme, welche er hier im Kreise der Familie gesunden hatte, der mannig- saltigen Anregungen, welche er, wie in der Thätigkeit des Ge schäftes, so in dem Verkehr mit Gelehrten fand, welche das Haus besuchten. In jene Zeit stillt auch die erste Bekanntschaft mit dem jetzige» Nestor der Zoologen Deutschlands, C. Th. v. Sie bold, die später erneuert und dauernd befestigt wurde. Aus dieser Lehrzeit nahm Engelmann in die Ausübung seines Berufes eine Thätigkeit mit hinüber, in welcher er Hervorragendes ge leistet hat: das ist die Abfassung seiner „Bibliotheken"; sie waren zum Theil von Enslin begonnen, Engelmann hat sie fortgeführt in einer Ausdehnung und Genauigkeit, in welcher diese biblio graphischen Arbeiten als Muster hingestellt werden können. Zu diesen Arbeiten kehrte er immer wieder zurück; sie beschäftigten ihn in den frühen Morgenstunden, ehe seine Arbeit im Comtoir begann; die Fertigstellung eines solchen Werkes ist es gewesen, der er von seinem Krankenlager aus seine letzten Kräfte ge widmet hat. Nach Ablaus der Lehrzeit trat Engelmann in das Heyse'sche Geschäft in Bremen und erwarb sich hier, wo neben der Buch handlung eine Druckerei bestand, indem er Setzen und Drucken erlernte, eine vollständige Keuntniß dieses Betriebes; aus dieser Zeit stammt vielleicht jene Sorgfalt, welche er später der typo graphischen Ausstattung seiner Verlagsartikel zuwendete, jene so oft auss beste bewährte Vorliebe, in den Büchern, zumal rein didaktischer Richtung, durch Benutzung verschiedener Schrift Haupt sächliches und Nebensächliches, Noten und Citate, sowie Literatur verzeichnisse von einander zu sondern. Durchaus andere Verhältnisse traten Engelmann entgegen, als er zwei Jahre später von Bremen nach Wien übersiedclte und in das Geschäft von Carl Gerold eintrat. Es waren die Schranken, welche durch engherzige Censurverhältnisse hier dem Buchhandel gezogen wurden, die Engelmanu nun kennen lernte; gern erzählte er später von seinen hier gemachten Erfahrungen, von den Mitteln und Wegen, durch welche censurwidrige Bücher in Wien ihren Einzug hielten und Verbreitung fanden, oder den Anforderungen des Censors gerecht gemacht wurden. Von Wien wurde Engelmanu nach Frankfurt a/M. gezogen; sür ihn war es eine größere Ausgabe, hier die Geschäftsführung der Varrentrapp'schen Buchhandlung zu übernehmen zu einer Zeit, in welcher er das 2t. Jahr zurücklegte. Aber sein Ausent halt war hier nur von kurzer Dauer. Er verließ Frankfurt bald (1833), um nach Leipzig zurückzukehren, trug aber mit sich einen Gewinn, dessen Früchte bald zeitigen sollten. Das war die Bekanntschaft mit Gervinus. Engelmann's Wanderjahre waren damit beschlossen; er war nach dem Gesetze volljährig geworden, berechtigt und verpflichtet, das vom Vater hinterlassene Erbe zu übernehmen, aber auch gereift und gekräftigt, die schweren Aufgaben, welche damit seiner warteten, zu bewältigen. Zu einer großen Ausdehnung war das vom Vater gegründete Geschäft nicht gekommen; cs war ein Commissions- und Verlagsgeschäst; die Verlagsartikel waren be sonders theologische Werke und Erbauungsschriften, Bücher tech nischen Inhaltes und einzelne medicinische Werke; seit des Be gründers Tode war eher ein Rückgang als eine Entwicklung des Geschäftes eingetreten, und dem heimkehrenden Sohne erwuchs nun die Aufgabe, eine Regelung und Neubelebung des Geschältes herbeizusühren. Ohne im Besitz von Capitalien zu sein — denn der früh verstorbene Vater hatte der zurückblcibenden Familie Vermögen nicht hiuterlasscn —, aus eigene Kraft und Thätigkeit angewiesen galt es, im Kreise der Fachgenossen das unentbehr liche Vertrauen zu erwerben und die Verbindungen anzuknüpsen, welche dem Verlagsbuchhändler die Grundlage seiner Thätigkeit gewähren; dabei aber Sorge zu tragen, daß der aus dem Ge schäfte scheidenden Mutter ein sorgenfreier Lebensabend bereitet, den »„erwachsenen jüngeren Geschwistern zureichende Ausbildung gewährt werde. Das ist die Zeit, in welcher Engelmann's An lagen ihre schwerste Probe bestanden; hier bethätigte sich seine geschäftliche Tüchtigkeit, seine bis ins Kleinste sich erstreckende Pünktlichkeit und seine, auch zum Vortheil Anderer oft in An spruch genommene Fähigkeit, schwierige und verwickelt liegende Verhältnisse, wie sie im Wechsel des geschäftlichen Lebens eintreten können, rasch zu durchschauen und mit weitem Umblick zu ordnen; vor allem aber kam hier sein Eifer und sein rastloser Fleiß zur Geltung, jene Arbeitskraft, die ihn bei der Ausarbeitung der nun schon in Angriff genommenen , Biblioiheken" nie verließ, zu deren Herstellung er allerdings bis in sein höheres Lebensalter hinein gern die srühen Morgenstunden, oft von 3 Uhr an, verwendete, bis er um 7 Uhr diese Thätigkeit niederlegte, um die Tagesarbeit den laufenden Geschäften des Comtoirs zu widmen. Ein ansänglich unternommener Verlag belletristischer Bücher trat bald hinter den Unternehmungen zurück, welche aus der Ver bindung mit Historikern und Philologen, mit Medicinern und Naturforschern erwuchsen. Gervinus brachte dem jungen Verleger seine mit großem Ersolg aufgenommenen Werke, durch ihn vermittelte sich später die Verbindung mit Professor Weber in Heidelberg, dessen vielfach aufgelegte geschichtliche Hand- und Lehrbücher dem wachsenden Geschäft von großer Bedeutung wurden. Dem über nommenen Geschäfte hatte medicinijchcr Verlag nicht völlig gesehlt; Engelmann selbst brachte das von Ed. C. I. v. Siebold heraus gegebene Journal sür Geburtshülse hinzu; aber der Anstoß zu dem ausgedehnten medicinisch-uaturwissenschastlichen Verlag, welcher das Geschäft später kennzeichncte, kam durch eine in Leipzig neu angeknüpfte Verbindung. Engelmanu war hier mit der Familie des Professors Hasse in Verkehr getreten, befreundet mit dem zweit- ältesten Sohne, dem späteren Kliniker, C. Ew. Hasse, geworden und führte bald (1839) ans diesem Kreise die Tochter Therese heim, um mit ihr den eignen Hausstand zu gründen. Durch seinen Schwager C. Ew. Hasse trat Engelmanu zunächst in Verbindung mit dem später von Leipzig nach Jena berufenen Professor der Physiologischen Chemie Lehmann; cs knüpfte sich daran die Ver bindung mit dem Jenenser Professor der Botanik Schleiden; und als Hasse nach Zürich berufen hier mit A. Köllikcr in gemeinsamer Thätigkeit befreundet wurde, trat auch dieser mit Engelmann in eine durch das Leben dauernde Verbindung. Das ist die Zeit, in welcher der Verlag der Firma Wilhelm Engelmanu einen neuen Aufschwung nahm, und von Engelmanu selbst ist dieser Zeitpunkt als ein bedeutungsvoller bezeichnet, indem er in seinem Verlags katalog (1870) dievon 1847 an erschienenen Werke zusammensaßte, und als Anhang dazu den „älteren Verlag bis 1846" brachte. Im Eingang dieser Periode steht auch die Begründung der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Die äußeren Verhältnisse, unter denen die erste» Hefte dieser Zeitschrift im Jahre 1848 und 1849 herausgegeben wurden, schienen dem jungen Unternehmen wenig günstig zu sein; und cs gehörte der ausdauernde und opferbereite Muth eben eines solchen Verlegers dazu, um Jahre hindurch ganz 249«