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^ 263. 11. November 1904. Nichtamtlicher Teil. 9971 selben Tage schrieb er an d'Alembert: »Die armen Philo sophen sind gezwungen, tausend Schliche anzuwenden, um ihren Brüdern ihre kanonischen Episteln zukommen zu lassen. - Am 20. Oktober 1771 gestand er Marmontel, daß von den Bänden der »tznsstions snr l'Uno^elopsäis«, die bis dahin in Genf, Neuchstel, Avignon, Amsterdam gedruckt und über ganz Europa verbreitet worden waren, noch nicht ein einziges Exemplar nach Paris gedrungen war. Nach Nicolardot (II, S. 231) hat Voltaire sogar selbst häufig zuerst das Verbot seiner Werke beantragt. Aus welchem Grunde, wird nicht gesagt. Es geschah aber ver mutlich, um den Verdacht der Autorschaft von sich abzulenken. Mehr als vierzig Jahre lang trug die »Usnrlsäs«, wie die meisten Werke Voltaires, eine ausländische Verlagsangabe. Was die vollständigen Werke betrifft, so befinden sich unter den von Beuchot zitierten Ausgaben nur eine, die aus Lyon, und eine andre, die aus Paris datiert war (mit Angabe der Wohnung des Verlegers Lambert). Aber auch wenn ein Werk einen ausländischen Verlagsort auf dem Titel enthielt, so lief der Verleger immer noch Gefahr, wegen der Ver breitung bestraft zu werden. Er konnte seines Privi legiums als Drucker beraubt und er selbst in die Bastille eingeschlossen werden. Der Buchhändler Grasset in Lausanne hatte 1755 die berüchtigte »kueslls« gedruckt; Voltaire behauptete, die Ausgabe enthalte viele Stellen, die nicht von ihm herrührten, und er ließ Grasset einsperren und dann aus Genf vertreiben^). Voltaire rühmt sich dessen in ^mehreren Briefen, so namentlich in seinem Schreiben vom 28. Juli 1755 an d'Argcntal Am 30. August drängte Voltaire sogar den Polizeileutnant Berryer, den erwähnten Grasset in Marseille verfolgen zu lassen. Da Voltaires Werke in Frankreich, Italien, Öster reich, Portugal und Spanien verboten waren, so konnten sie sich, wie Condorcet bemerkt, nur langsam in Europa ver breiten. In Italien kannte man Voltaire nur dem Namen nach. Die Franzosen fanden, als sie sich Roms bemächtigten, nur ein einziges Exemplar der Werke Voltaires vor. Galiani ft versichert, daß nicht ein einziges Exemplar der vollständigen Werke Voltaires in Neapel zu finden war und Colletta^) berichtet, daß der Verkauf seiner Werke dort mit drei Jahren Galeerenstrafe bedroht war. 9. Die Auflagen der Voltaireschen Werke. Aus den vorgehenden Mitteilungen kann man schon schließen, daß die Auflagen der Voltaireschen Schriften nicht so hoch waren, wie man mit Rücksicht auf seinen be rühmten Namen vielleicht annehmen könnte. Die Gefahr war zu groß für die Verleger, und dazu kam die Gewohn heit Voltaires, seine Werke zu verleugnen und Konkurrenz ausgaben drucken zu lassen. Wir finden übrigens in seiner Korrespondenz für einzelne Fälle die Auflagen genau angegeben. Nach seinem Schreiben vom 20. Dezember 1723 an Madame de Bernidres wurde »Us Uigns« in 2000 Exemplaren gedruckt. 1732 bat er de Cideville, dem Verleger Jore zu untersagen, von »Asirs« auch nur ein Exemplar über die vorgeschriebenen 2500 zu drucken. Am 21. April 1733 schreibt er wiederum an de Cideville, um zu erfahren, ob Jore bereit wäre, die »Usttrss snglsisss« in 2500 Exemplaren zu drucken (die englische Ausgabe war in 3000 Exemplaren in London er schienen). Am 29. Mai 1733 beauftragte er sodann 3) Voltaire war die Veröffentlichung unangenehm, weil er sich um dieselbe Zeit wegen seiner Niederlassung bei Genf an den Rat dieser Stadt gewandt hatte. «) Briefe. Band II, S. 467. ft Geschichte des Königreichs Neapel. Band I, S. 218. de Cideville, Jore zu empfehlen, von »Obsrlss XII« 750 Exemplare zu drucken. Walther teilt er am 28. Dezember 1751 mit, daß »Us Sidels äs Uonis XIV.« in 3000 Exemplaren gedruckt worden war. Am 27. Dezember 1766 ersuchte er Lacombe inständigst, von den »Lo^tbss« nicht mehr als 750 zu drucken. Als er seinen »Ooinrnsntsirs sur Oornsills« veröffentlichte, um Frl. Corneille aus der Not zu helfen, teilte er in einem Prospekt mit, daß das Werk in 2500 Exemplaren erscheinen werde. Obschon er sich an zahlreiche hervorragende Personen wandte, wurden nicht einmal 2000 Exemplare im voraus bestellt. Es war allerdings ein Werk in 12 Bänden. Voltaire schrieb so viel, daß Grimm schließlich von der »wsnnksotnrs äs Usrns^« sprach, und daß man müde wurde, alles anzuschaffen, was seine unermüdliche Feder erzeugte. So kam es, daß einzelne seiner Schriften nur in geringer Auflage erschienen. Nicolardot, dessen Gewährsmann an scheinend der Marquis de Luchet ist, gibt z. B. folgendes an: Die Tragödie »Irdns« wurde nur in wenigen Exemplaren gedruckt, das Drama »8s.nl«, dessen Veröffentlichung Voltaire verleugnete, wahrscheinlich nur in 100. Man kannte von der Tragödie »Ol^mpis« nur 6 und von der Tragödie »Uss Ondbrss« nur 4 in Paris. Grimm glaubte, daß eine Auflage des »Oietionnsirs pbilosopbigns portstik« nur in 20 oder 25 Exemplaren bestand. Es ist sicher, daß mehrere Ausgaben unter dem Titel »Osnvrss oowplstss äe Voltsirs« lediglich aus einer Zusammenstellung einzeln erschienener Werke bestehen, und von diesen sind wiederum viele durch ein neues Titelblatt verjüngt worden. Voltaire selbst schätzte die Zahl der Käufer eines Buchs nicht hoch. »Sie wissen,« schreibt er an einen Freund, »was ich unter Publikum verstehe. Es ist nicht das Universum, wie wir Papierbeschmierer verschiedentlich behauptet haben. Das Bücherpublikum besteht aus 40 oder 50 Personen, wenn das Buch ernst ist, aus 400 bis 500, wenn es amü sant ist, und aus etwa 1000 bis 1200, wenn es sich um ein Theaterstück handelt.« In den 1817 erschienenen »Rsobsrellss sur Iss onvrsKss äs Voltsirs« gibt Peignot die Auflagen der gesammelten Werke Voltaires wie folgt an: Ausgabe: Genf 1768, 45 Bände 4", 4 500 Exemplare. 1775. 40 .. 8".. 6 000 Genf Kehl Kehl Basel 1784, 70 „ 8"., 28 000 1785, 90 ., 8°., 15 000 1784, 71 „ 8°., 6 000 Gotha 1784, 70 . „ 8°, 6 000 Paris 1792, 55 „ 8°., 500 Letztere war die von Palissot geleitete Ausgabe. Peignots Angaben werden übrigens vielfach ange- zweifelt. Beaumarchais hatte mit der Ausgabe nach dem Tode Voltaires, für die man eigentlich einen besonders starken Absatz hätte erwarten können, kein Glück. Er hatte, da er in Frankreich die Werke nicht drucken durfte, in dem badischen Grenzstädtchen Kehl eine große Druckerei errichtet, wie sie bisher in Deutschland noch nicht bestanden hatte. Die Druckerei hatte eine eigne Schriftgießerei, über 30 Pressen, eine Buchbinderei usw. und beschäftigte Hunderte von Menschen. Aus dem unbedeutenden Ort wurde bald ein wohlhabendes Städtchen. Das Exemplar der Voltaireschen Werke, das für die Kaiserin Katharina auf das schönste Pergament gedruckt wurde, war ein typographisches Meister werk und kostete 40 000 Franken. Die Druckerei brachte Beaumarchais aber nicht den erwarteten Nutzen; schon in den ersten Jahren setzte er 200 000 Franken zu, und im ganzen soll er durch das Unternehmen fast eine Million verloren haben. 1307'