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SAeMberbienst des „L V." Der Reichsstudentenführer während seiuer Ansprache im hielt Ministerpräsident Chamberlain über die Münchner Ver- Ehrenmal. (Scherl-Bilderdienst-M.). einbarungen eine Rede, über die wir bereits berichteten. (Scherl-Bilderdienst-M.) Schlageler» «ater s. HochzeitSfeier wie im orientalischen Märchen. Eder» Gegner am 23. November. Der Vater des deutschen Freiheitskämpfers Albert Leo Schlageter starb im Älter von 84 Jahren in seinem Schwarzwälder Heimatort Schönau. (Scherl-Bilderdicnst-M.) Ein Bild aus Albanien. Tief verschleiert sitzt die Braut auf dem Esel, um zur Hochzeit gebracht zu werden. Die Frauen gemächer, die die junge Braut erwarten, sind auch heute noch vergittert. (Schirner-M.) Im Berliner Sportpalast wird Gustav Eder gegen Mario Bianchini kämpfen. (Schirner-M ) Sturmgewalten. Erzählung aus den Nordseemarschen von M. v. d. Oste. Wenn man den Atem anhielt, konnte man den Sturm schon hören, obwohl er seine Herrschaft über Land mW Wasser noch nicht angelreien hatte. Es war nur ein unwirklich hoher, singen der Ton hoch in der Luft, der die Menschen aufhorchen ließ, und der ihr Herz fühlbar anrührle, daß es von einer seltsamen Un ruhe erfüllt wurde. Tas Wasser füllte das Flußbett, trotz der Ebbe war es nicht abgesunken. Tie Fährknechte stiegen auf den Deich, um Len Wasserspiegel abzuschätzen. Hernach machten sie sich schweigend daran, die Fahrkähne festzulegen, und als diese Arbeit getan war, begannen sie, die Deichlücke, durch die sonst die Gespanne auf die Fährkähne rollten, mit den von altersher hierfür bestimmten Eichenoohlen zu schließen. Der Mond beschien das schweigsam und gewissenhaft verrichtete Werk. Und sein silbernes Licht üoer- rieselte auch die weißen Fachwerkbalken der Häuser am Teich und den Kirchturm, der dahinter aufstieg. Seltsam, nirgendwo hinter den Fenstern blinkte Licht. Ob die Menschen, die in den Häusern am Fluß wohnten, um diese frühe Abendstunde schon zur Ruhe gegangen waren? Oder ob sie sich vor dem Sturm, den sie erschauernd vorausfühlen mochten, tn ihren dunklen Häusern verbergen wollten? Solche Fragen legte sich der Sparkassenrendant Peter Stü ben vor, während er, im Schatten einer Scheune steheiü», eine Weile der Arbeit der Fährknechte an der Deichlücke zusah. Er war erst vor einigen Monaten aus Mitteldeutschland in das Küstengebiet gekommen. Das Land und die Leute gefielen ihm, nur hielt er nichts von der geheimen Verbindung zwischen den Menschen hier und der Natur, die hin und wieder, ohne daß viel Aufhebens davon gemacht worden wäre, selbst für den Frem den zu spüren war. Anna, die Schultheiß-Tochter, ihm gut befreundet schon seit dsm Sommer, war jedesmal zornig geworden, wenn Peter Stü- ben Zweifel daran äußerte, daß man den Sturm lange vorher verspüren könnte. Heute zum ersten Male halte er den unwirk lich hohen singerwen Ton vernommen, von dem Anna ihm er zählt hatte und dem sie so viel Bedeutung beimaß. Anna war ein herbe« und stolzes Mädchen. Obwohl er ihr von Anfang an peutlich gezeigt hatte, wie gut sie ihm gefiel, wa; eS ihm bisher nicht gelungen, ihre scheue Zurückhaltung zu lösen. Heute zum ersten Male, während sie in der Dämmerung zu zweien am Deich entlanggingen, war ihr Herz weich, ihr Mund zärtlich geworden. Und da Halle er wieder den hohen singenden Ton, der den Sturm ankündigen sollte, vernommen. lieber Peier Stübens Gesicht sprang plötzlich ein Lachen. Er dachte nicht mehr an die jähe Unruhe des Mädchens, er dachte nur noch an die Küste, die er empfangen und gegeben hatte. Er glaubte an die geheime Macht seiner lange verschwiegenen Wünsche und nicht an die geheimnisvolle, leoenzerstörende und lebenschaffende Urkraft der Natur, die das Mädchen in diesem Augenblick so stark beeinflußt hatte. Er schob die Hände in die Manteltaschen und wandte sich landeinwärts, denn er hatte noch eine gute Stunde WeaS vor sich über die schnurgerade Landstraße, die zu dem Dorf führte, m dem er wohnte. Während er so dahinschritl, kam es ihm plötzlich zum Bewußtsein, daß er die Einsamkeit dieser Küsten landschaft nie zuvor so stark empfunden hatte wie an diesem Abend. „Das schönste und feinste Mädel ist mein", dachte Peter Stüben im Rhythmus seiner Schritte. Er dachte eS immer wieder und betäubte damit endlich ein Gefühl der Furcht, das von ihm Besitz ergreifen wollte. Dann dachte- er weiter: „Ich habe vier Angestellte, die sich um meine Anerkennung bemühen, ob ich nun gut gelaunt bin oder schlecht. Ich bestimme über Soll und Haben von vielen; ich habe ein gutes Gehalt; vielleicht werde ich tue hübsche Anna eines Tages.heiraten — vielleicht auch nicht. ES ist in meine Hand gegeben." Und er dachte weiter: „Da» Leben ist schön und heiter, nie zuvor ist eS so schön ge- wesen..." Im gleichen Augenblick, in dem er diesen Gedanken beinahe laut auSaesprochen hatte, stürzte der Sturm sich auf das Land herab. Die mächtigen alten Bäume stöhnten auf. Neste zer brachen, und eS klang wie ein Klirren. Die jagenden Wolken schienen den Mond zwischen ihren schwingenden Fahnen emporzu- drücken. Plötzlich verschwand der silberne Schein über den Grä ben auf beiden Seiten der Landstraße. Fahler Schattrn lixf über das Land, gleich darauf deckte gespenstige Dunkelheit alles zu, und Regen prasselte hernieder. Peter Stüben stand wie betäubt. Der Sturm griff nach seinen Kleidern, zerrte daran, schlug ihm harte nasse Fäuste ins Gesicht, in den Nacken, drang auf ihn ein, daß er sich mit aller Kraft zur Wehr setzen mußte, um nicht zu Boden zu stürzen, um sich auf den Füßen zu halten, um sich im Kampf mit diesem erbarmungslosen Gegner zu behaupten. Der Mann war nur noch ein Spielball in der Gewalt des Elements, Las seiner menschlichen Ohnmacht spottete. Mühevoll, mit versagendem Atem, bleierne Müdigkeit in den Gliedern, Angst um die Selbst- behatlptung, so kämpfte Peter Stüben sich vorwärts. Dahin war alle selbstgefällige Eitelkeit. Urplötzlich wußte Peter Stüben um die Ohnmacht oeS Menschen im Kampf mit den Elementen. Schritt um Schritt sich vorwärtskämpfend, seine Kraft bis zum letzten erschöpfend, näherte Peter Stüben sich endlich seinem Dorf. Er taumelte, als er in den Schutz der ersten Häuser gelangte. Er taumelte noch, als er sich an der Klinke seines Hauses festhalten konnte. Er gelangte m sein Zimmer. Er machte Licht. Irgend etwas zog ihn vor den Spiegel. Er starrte lange in daS Spiegel bild seines Gesichts, das er nicht zu kennen schien, in ein fremde», armseliges Gesicht, in Augen, in denen noch die Furcht stand und die seltsam tief geworden waren. Und plötzlich tauchte rm Spiegel neben seinem eigenen elenden Gesicht Anna» blühende» Antlitz auf, die» Gesicht mit dem schönen weichen, warmen Mund, der ihn heute jo zärtlich geküßt hatte. Er glaubte die Weichen, mütterlichen Hände des Mädchens zu fühlen, wie sie sich um seinen Kopf gelegt halten. „Mein Peter", hörte er sie lagen. Sie sagte es ein paarmal, und über ihren Worten schwebte der unwirklich hohe, singende Ton, der den Sturm ankündigt. Hing vielleicht doch die hingebungsvolle Zärtlichkeit, die ihm Anna» Seele so jäh erschloß» mit dem oorau» erfühlten Sturm zusammen, der ihre Seeel in Spannung versetzt batte? „DaS Leben ist schön, nie zuvor ist e» so fchon gewesen", - dachte Peter Stüben einige Tage später, als er sich Annas, Ja- wort und den Segen ihrer Eltern geholt hatte, wie man eine Blume pflückt, und sie in den Strom wirft, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wohin die Flut sie «reibt. Peter Stüben wußte nicht, wie sehr die Sturmnackt ihn umgeformt und die Wegrichtung seine» verwandelte» Leben» bestimmt hatte. —- - —