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^ 192, 19, August, Nichtamtlicher Theil, 3023 zig ist, so umarmen Sie ihn in meinem Namen und schreiben mir recht viel von Ihm und seine» phtzsiognomischen Transactionen, Mich würde es sehr freue», kenn Sic bei diesem Anlässe sein Verleger geworden wären. Sein Doctor Faust ist ein Werk für alle Men schen i» Deutschland, Er hat mir einige Fragmente davon in Frankfurt vorgelesen, die mich bald entzückten und dann bald wie der halb todt lachen machten," Am 2b, Februar kann dann Zimmcrmann den Eingang der ersten vier Bogen der „Soldaten" melden und bei dieser Gelegen heit erfährt auch Reich „unter uns gesagt" den Name» ihres Ver fassers, dem Herrn Reiches Ducaten „überaus willkommen" sein würden. Am 6, März erhält Zimmerinann dann aus einmal zwei Briefe von Lenz; dieser schrieb: „Es hat mich gefrcuet und geschreckt, dass die Soldaten bereits gedruckt werden. Indessen da es so ist, so hat es wohl so seyn müssen. Nur Hab' ich höchst wichtige Ursachen (nicht des Eigennutzes allein, sondern etwas mehrcrn) meinen Namen nicht bekannt werden zu lassen. Wollten Sic also die einzige Gewogenheit sür mich haben, Herrn Reich zu bitten, daß er, um alles desto besser zu maskircn, auf den Titel setze; eine Komödie von Steenkerk aus Amsterdam; der drolligte Name wird nichts zu sagen haben, er hebt alle meine Privatbcsorgnisse allein. In der Folge wird es sich erweisen, warum diese Vorsicht nöthig war, und jeder Menschenfreund wird mir Recht geben. Auch bitte ich Herrn Reich meinen Namen nie zu nennen, denn Buchhändler schweigen nicht gerne, mag ihr persönlicher Charakter noch so edel sein. Wie können sic's auch wissen oder ahnden, was sür Wunden sic ost dem Verfasser schlagen," Und in dem andern Brief schrieb Lenz; „lieber die Soldaten habe ich auch nachgedacht. Wäre cs möglich Herrn Reich zu über reden, daß er das gantze Stück nicht eher als bis künftige Michaelis messe bekannt machte, (denselben Wunsch hatte Lenz im Februar in einem Briefe an Herder geäußert^, so würde mir und ihm ein großer Gefallen geschehen. Ich habe etwas (nicht seit gestern) im Kopse, das allem diesem ein größeres Gewicht und einen ganz andern Aus schlag geben soll. Zudem ist ein gewißcr Privatumstand, den ich Ihnen nicht nennen kann, der diese Vorsichtigkeit mehr als noth- wendig macht. Wollen Sie die Gütigkeit haben und Herrn Reich nur sagen, Herr Steenkerk in Amsterdam bitte ihn angelegentlichst, er wollte zwar alles nur abdrucken lassen, aber wichtiger Ursachen halber nichts eher bekannt machen als auf die Michaelismesse," Am lO. März, an dem der von Zimmerinann am 8, begonnene Brief geschlossen ward, waren, wie erwartet, Freieremplare und Ducaten sür Lenz bei Zimmermann eingegangen und von diesem nach Weimar an Herder gesandt. Vier Tage später ist in Hannover wieder ein Brief von Lenz angekommcn. Dieser hat einen neue» Wunsch; ,,Jch habe ver gessen, Sie neulich zu bitten, den barokken Titel Komödie, der in einigen individuellen Grillen seinen Grund hatte, vor den Soldaten wegstrcichen zu lassen und statt dessen daraus zu setzen; Ein Schau spiel von Steenkerk aus Amsterdam, Es könnte außer der Seltsam keit noch den Schaden haben, daß ein gantzer Stand, der mir ehr würdig ist, dadurch ein gewisses Lächerliche, das nur den verdorbenen Sitten einiger Individuen desselben zugedacht war, auf sich be zöge-"") *) Es ist bekannt, daß auf Grund eines früher aufgefundenen Briefes, den Klinger an Reich schrieb, von Einigen angenommen ward, Klinger sei der Verfasser der Soldaten. Wie in Gosche'S Archiv II. 245. von Beaulieu- Marconney aus hier ausführlicher benutzten Zimmermann'schen Briefen nach gewiesen hat, ist diese Annahme falsch. Daß sich K. ein Jahr nach dem Erscheinen der Lenz'schen Komödie Reich als Verfasser des Stücks nannte, geschah zweifellos nur aus Gefälligkeit für Lenz, der. wie auch Zimmer mann annimmt, für sich aus dem Bekanntwerden seiner Autorschaft Unan- Alle diese Wünsche Lenz' kamen, wie Zimmermann vorhergc- sehcn, zu spät. Der Titel war bereits mit dem ersten Bogen ge druckt und lautete: „Die Soldaten. Eine Komödie." Einen neuen Titel zu drucken, so daß der alte völlig verschwand, hatte in einer Zeit, da das Meiste noch roh versandt ward, seine großen Schwierig keiten. Und einen Neudruck des ersten Bogens zu veranstalten, das erschien doch sehr unnöthig. So gelangte die Komödie ohne die ge wünschten Veränderungen in der Ostermesse 1776 zur Ausgabe, ein zierliches Bändchen von 7^ Bogen. Für Satz und Druck er hielt Herr Dürre 17^ Thaler, für Correctur 1^ Thaler, sür Cen- sur 16 Groschen. Was Lenz an Honorar bekam, bleibt ungewiß, da auf Zimmermann's Conto kein passender Betrag sich findet. Lenz selbst und Herder haben kein Conto. Der erstere hat sich in seinem Brief vom 20. November nur dahin geäußert: „Was ich verlange? Nichts verlange ich, einen Ducaten, zwei Ducaten, was der Kerl geben will." Die weiteren Monate gaben manche Veranlassung zu Briefen und Zimmermann ließ sich keine entgehen. Der zweite Band der „Physiognomik", für den Subscribenten zu sammeln Zimmermann ebenfalls bereit war, erfreute und ärgerte den galligen hypochon drischen Mann gleichmäßig. So gewiß der Inhalt geeignet erschien, die Spötter niederzuschmettern, so widerwärtig blieb's, daß die Kupfer auf so kleines Papier waren gedruckt worden, daß sich in die „Nachricht für den Buchbinder" ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen. Und da mag auch Zimmermann nicht verhehlen, daß er den Plan, die Physiognomik in's Französische zu übersetzen, für „ordentlich thöricht" hält. „Lavater's Stil ist an tausend Stellen geradezu unübersetzbar. Ob man so ganz unübersetzbar schreiben sollte, ist zwar auch eine Frage, die mir oft einfällt, und die mir mancher unserer besten Köpfe sehr übel nehmen würde. Indessen fordert freilich eine neue Wissenschaft eine neue Sprache und ganz neue Ideen auch ganz neue Wörter. Nur finde ich Lavatern auch oft unübersetzbar, wo er gar nicht physiognomisirt: dies ist nun frei lich der Geschmack am überwürzten, den man nicht verliert, bis man genug erfahren hat, wohin er führt." Gelegentlich vergißt auch Zimmermann nicht, Reich irgend einen Schriftsteller zu empfehlen, dem er gern helfen möchte, oder dessen Arbeit ihm für Weidmannes Erben und Reich sehr beachtens- werth erscheint. So erscheint zunächstneben dem Pyrmonter Arzt Mar - card „Herr Hölty, ein guter und berühmter deutscher Liederdichter". DerDichterwarseitHerbst 1775 inHannover, als einer vonZimmer- mann's Kranken. „Er hat gezeiget, daß er der deutschen Sprache überaus mächtig ist, er lehrte die englische Sprache in Göttingen mit vielem Beifall; er ist blutarm und die ehrlichste und simpelste Seele von der Welt. Er allein hat mir begreiflich gemacht, daß alles, was man von des 1s. I'outs.ius Simplicität im Leben erzählet, wahr seyn muß: denn eben so ein Mensch ist auch Hölty. Er hat mir gesagt, nehmlichkeiten fürchtete. „Lenz wird nun", schreibt Z. am 2. Mai 1776 (nicht am 2. März, wie B.-M. copirt. Lenz kam erst im April nach Wei mar) „in Weimar kein Geheimnis mehr daraus machen, daß er der Ver- wo er bis hierher gelebt hat und wo dieses sehr unangenebme Folgen bev den dasigcn OfficierS für ihn hätte haben können." Wenn B.-M. übrigens aus dem Fehlen eines Poststempels oder Portovermerks aus Klinger's Brief schließen wollte, es handle sich hier um einen im Einverständnis mir Reich geschriebenen ostensibeln Brief, so irrte er. Denn auf keinem der zahlreichen Briefe ans jener Zeit, die dem Verf. durch die Hand gingen, befand sich die Spur eines Poststempels, sondern nur ein Portovermerk und auch dieser fehlte sehr häufig. ES ist dabei zu beachten, daß der Briefver kehr der Gelehrten damals noch sehr vielfach durch den Buchhandel vermittelt wurde. So schickte Heyne ganze Packele von Briefen an Reich zur Weiter beförderung in den Messen. So sendet Ramler einen für Pfeffel bestimm len Brief an Reich mit der Bitte, ihn durch einen Colmarer Buchhändler an seine Adresse besorgen zu lassen. Man könnte also auch annehmen, Klinger's Brief sei durch eine Dresdner Firma an Reich gelangt. 409*