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JL 144. 24. Juni. Nichtamtlicher Theil. 2345 andern aufgcheht. Die guten Leute haben durchaus keinen Begriff vom Buchhandel. Wenn wir doch einmal hierüber ein vcrnünfiig Werk erhielte»! Wie wollten wir eine Bibliothek mit Snbscriptionen formiren." Es ist das der jetzt zum erstenmal in concreter Weise aus gesprochene Gedanke, daß sich der Schriftsteller von den Fesseln des Verlegers zu befreien und den Buchhändler überhaupt nur noch als seinen Commissionär zu betrachten habe, der, wie er Klopstock's Subscribentcn zu einiger Ernüchterung vcrhilft, später auch den Actio- näre» der Dessauer Buchhandlung der Gelehrten und der Verlags- casse zum Schaden ihres Geldbeutels nachweist, daß der Buchhändler auch im Interesse des Schriftstellers etwas mehr zu sein habe, als dessen Platzreisender. Freilich war dem damaligen Geschlechte durch die Unklarheit des literarischen Rechtes und seiner Nachbargebiete der Blick getrübt, und auch mancher Treffliche ward in seinen Ansich ten wankend, wo ihn der Vortheil so klärlich in das Lager der Selbst hilfe hinüberzuziehen schien. Doch fand der streitbare Reich auch unter seinen literarischen Freunden immerhin Männer, die das Interesse von Verleger und Schriftsteller als engverbnnden erklärten. So der kühl denkende Heyne, so auch Schröckh, der fleißige Witten berger, der in jenen Tagen schreibt: „Von unsermZustande in Sach sen sagen Sie freylich, was alle Patrioten erkennen: und fast möchte man sich auf den Wunsch einschränken, daß es nur nicht noch schlim mer werde. Ihre Versuche zum Besten der Buchhandlung sind mir wohl bekannt; Sie werden immer den Ruhm behalten, dieseVersuche gemacht zu haben und eine Denkungsart nebst einer Handlung zu besitzen, die in Sachsen die einzigen sind." Und während dann später der Kieler Hirschfcld, ebenfalls ein Autor von Weidmanns Erben und Reich, zu klagen hat — eine Anweisung desselben auf die Buch handlung der Gelehrten wird von Philipp Erasmus nicht zum Jn- casso angenommen sondern unpräsenlirt nach Kiel zurückgesandt —, ist dem Jenaer Professor und Gevatter Scheidemantel das Wind- projcct der Dessauer höchst lächerlich erschienen. ,,Rasend muß der Concipient sein, weil er weder den Ueberschlag des Rifico, noch des Honorariums macht, überhaupt das ganze Bücherwesen nicht zu verstehen scheint. Freilich werden einige Narren, die nur auf die Vorspiegelungen sehen, auf die Seite der Dessauer treten", und Scheidcmantel täuscht sich nicht in der Annahme, daß auch mancher von Herrn Reich's bisherigen Freunden bei dieser Seele seinen Lehenseid ablegen wird. „Endlich wird die ganze Gesellschaft bankrut, indessen kann doch einstweilen diese Windmüllcrci auf einige Zeit geschadet haben. Der Herausgeber des Repertoriums des deutschen Staats- und Lehnrechts nimmt da die Gelegenheit wahr, sich zu entschuldigen, daß er Herrn Reich einmal einen gelehr ten Buchhändler genannt hat; aber dieses angemessene Prädicat gab er vor zwei Jahren, als man noch nichts von einer Buchhand lung der Gelehrten in Dessau wußte. Und Scheidemantel fragt scherzend: „Was ist für ein Unterschied zwischen gelehrtem Buch händler und Buchhandlung der Gelehrten? Fast so wie zwischen A»I»nts Kilo und üUe Aulants." lFoitsetzung folgt.) Miscellen. Nachdem so oft im Börsenblatt auf den Fortschrittseifer der kaiserlich deutschen Reichs - Postverwaltung hingewiesen worden ist, so darf wohl zur Abwechslung auch einmal eine entschiedene Beein trächtigung des Buchhandels seitens der Post zur Sprache gebracht werden; wir meinen das Coursbuch der deutschen Reichs- Postverwaltung (Verlag der Königl. Geheimen Ober-Hofbuch druckerei sR- v. Deckers, zu beziehen durch die Postanstallen und )ede Buchhandlung). Jeder Sortimenter wird den trostlosen Zu stand dieser letzten drei Wochen verwünscht haben, in denen er die zahlreichen Reisenden, welche nach dem Decker'schen, oder Gold- schmidt'schen Coursbuch oder nach Hendschel's Telegraph fragend die Sommerstille im Geschäft unterbrachen, mit dem Bedauern, daß weder das eine noch das andere erschienen sei, ungestraft entlassen mußte, und mit Sehnsucht nach dem endlichen Eintreffen eines dieser Unentbehrlichen geblickt haben. — Endlich erscheint von allen zuerst natürlich das osficiclle Coursbuch am 15. Juni für Juni—Juli, aber nicht für den unglücklichen Buchhandel, sondern nur für die kaiserliche Post. Durch volle acht Tage schon verkauft die Postan stalt im Wohnort des Einsenders dieses das Coursbuch vom 15., die direct zur Post bestellten Exemplare der Buchhandlnng aber werden vielleicht gegen Ende des Monats oder wer weiß wann von der Königlichen Geheimen gnädigst erpedirt werden. Es ist ein Jammer im neuen Reich, daß bei der größten Centralisation der Staat allerhand außer seiner Sphäre liegende Geschäfte treibt oder seinen allerhöchst privilegirtcn geheimen Hoshandlungen ausnahms los zuschiebt, die recht wohl der freien Eoncurrenz der beglückten Steuerzahler überlassen blieben. 2. Welch bedeutende Fortschritte der lithographische Schnell pressendruck bei uns in Deutschland in den letzten Jahren ge macht hat, zeigen einige in Kreide ausgcführte chromolithographische Schncllpressendrucke, die kürzlich aus dem hiesigen lithographischen In stitut von Friedr. Krätzschmer Nachf. hervorgegangen sind; die selben bestehen aus einem Ctmr. großen Prämienbilde, einem klei nen Fruchtstück und einer symbolisch-chronologischen Tafel. Alle drei Blätter zeichnen sich durch lebendiges Colorit, eracten und sauberen Druck, sowie durch genaues Passen der einzelnen Farbplatten so vortheilhast aus, daß sie Handprcssendrucken in keiner Weise nach stehen. Die großen Vortheile, die der lithographische Schnell pressendruck insbesondere durch seine von 40 — 60 größere Billig keit gegen den Handpressendruck bietet, werden ihm jedenfalls bald eine allgemeinere Anwendung zuführen, zumal das Vorurtheil, daß feinere Arbeiten auf der Schnellpresse nicht hergcstellt werden können, nach den uns vorliegenden Proben zu urthcilcn, aufs glänzendste widerlegt ist. k'. In der „Oronnere cksiia 6it>Iic>Araüa ltnlian-i." findet sich eine numerische Uebersicht der in den verschiedenen Städten Italiens erscheinenden Journale. Die Gcsammtzahl derselben beläuft sich auf 765, worunter 349 politiei, 133 lottvrnri, 43 artistioi, 132 oommeroiktr « inäu8trinli, 69 soisntitioi, 19 nmininistrativi und 20 nmoristioi. Mailand steht unter den Städten in der Nummernreihe mit 92 obenan; nächstdem folgen Florenz mit 79, Neapel mit 63, Rom mit 49, Turin mit 46, Genua mit 43, Bologna mit 38, Allesandria mit 26 und Palermo und Venedig mit je 25. Pcrsonalnachrichten. Den Herren H. Schaffert in Bremen und L. von Van- gerow in Bremerhaven ist von dem Deutschen Kaiser für ihre Thä- tigkeit in der freiwilligen Krankenpflege für die Armee im Felde und in den Lazarethcn der preußische Kronenorden 4. Classe mit dem rothen Kreuze auf weißem Felde am Erinnernngsbande verliehen worden. Herr Julius Hainau er in Breslau hat von dem König von Preußen das Prädicat „ Hof-Musikalienhändler " bekommen. Herr vr. I. N. Enders in Neutitschein ist von dem türkischen Kaiser mit dem otiomanischen Medschidje-Orden 5. Clalse decorirt worden.