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Weise, denn das Wcihnachtsfcst bringt den Göttinger Freunden noch den Besuch Tischbein's und die seste Versicherung, daß das für Herrn Reich bestimmte Bild Heyne's nun baldigst zur Versen dung bereit sei. Mittlerweile geht das Leben an der Leine im Fluge dahin mitten unter den mannigsaltigsten Geschäften, davon eines das an dere ablöst. Und nicht jedes Erlebniß ist erfreulich. Des Hofraths College, Herr Professor Hambcrgcr stirbt, und nun mag sich der Leipziger Freund die Fülle von Geschäften denken, die dem Ober bibliothekar Heyne daraus erwachsen, daß er nur den Professor Dieze, den Saumsal, zur Stühe hat. Dieser Mensch wird Hcyncn noch ums Leben bringen; täglich will er Manuscript znm Guthrie absenden, aber darüber vergeht eine Woche nach der andern und nichts geschieht. Aber HcrrTischbein hält dafür mehr als er versprochen. Nicht allein, daß er das für Reich bestimmte Bild zu Anfang des Februar nach Leipzig abscndet, auch eine Copie hat er gefertigt, ein erfreu liches Geschenk für die kränkelnde Frau Therese. Und wie dann vom Gevatter an der Pleiße ein ausführlicher Dankbrief zur Leine ge langt, da vermag sich Heyne die genaueste Vorstellung zu machen von demFrcundschaftstcmpel, welchen Reich in seinemHause errichtet hat. „Ich gehe in Gedanken, nach den angegebenen Nummern den ganzen Saal durch, das Heiligthum, das so viele Rechtschaffene und Edle enthält, und bey denen, die ich nicht kenne, arbeitet meine Ein bildungskraft und schafft ein Bild nach meinem Begriff. Was für eine heitere Aussicht, daß wir hoffen können, wir werden uns ein mal in einer andern Welt alle vereiniget finden!" Indem Heyne diese Gelegenheit nicht vorübergehcn lassen möchte, Reich's Vermittelung im Interesse Tischbein's bei Herrn Weiße (Deutsches Museum) zu erbitten, vergißt er gleichzeitig Reich's, des Verlegers, Interesse keineswegs. In London wird gegenwärtig an einer großen Reisebeschreibung gedruckt, deren Titel in Abschrift beiliegt. Es sind die unäortaksn tbs orckvr ob lim ^r«8«ut lUugestz- 5or malciuA ckmeovorieZ in tlls «outbvru lismmxbsr« nnä sneoossivsl^ xsrkormock b)' Ooin- inocioro L^rov, (,'axt. IVnIIm, 6apt. Osrtervt anä Ospt. Ooolre sto. b)' U. Unn-lrosvortb. Sollte das nichts für Weidmanns Er ben und Reich sein? Zweifellos. Auch Hofrath Kästner, mit dem College Heyne deshalb sprach, war dieser Ansicht, ja, er erbot sich sogar bei weiterem Ucberlegen, die Direktion der Ueberschung zu übernehmen. Da dann noch weiter drei junge Leute, davon einer ein Mathematiker, gefunden wurden, welche das Werk übersetzen könn ten, so ginge Heine's Rath, sofern überhaupt Herr Reich diesen Vorschlag ernsterer Erwägung für würdig erachtete, dahin, daß die bereits in London gedruckten Bogen des Originals schleunigst ver schrieben und die bezügigen Anzeigen wegen Erscheinens einer Ueber setzung bald erlassen werden möchten. Daß dieses vielversprechende Werk den Leipzigern gewonnen werde, beschäftigt die Gevatlerslcute in Göttingcn und Leipzig wäh rend der nächsten Wochen recht lebhaft. Reich dünkt des Freundes Vorschlag gut, doch ist wohl der Wunsch gerechtfertigt, daß das neue Unternehmen nicht in dem Trödeltrabe des Guthrie vorwärts schlen dere. Heyne seinerseits hat nun in dieser Hinsicht keine Sorge; denn Professor Kästner ist-kein Professor Dieze, und auch an Geschäftigkeit ein unvergleichlicher Mann. Es wird also gewiß möglich sein, Herrn Spener in Berlin, der ebenfalls eine Uebersetzung des mit Spannung erwarteten englischen Werkes zu bringen beabsichtigt, zu vorzukommen. Aber trotzdem fällt der Plan zu Boden, vermuth- lich wcilKästner sich zurückzieht. Als diesem nämlich Heyne von dem Spener'schen Vorhaben Meldung thut, fällt ihm bei, daß ihm ja vor längerer Zeit von Spener selbst bezügige Notiz war zugesandt worden. Er hat nun zwar gar nichts dawider, daß sein Name auf einem Avertissement von Herrn Reich ausdrücklich genannt werde, aber unerwünscht bliebe es doch, wenn man glauben könnte, daß die Ankündigung von ihm persönlich ausginge. So wird der Plan zu so viel übrigen gelegt, und im Mai kann Heyne schreiben: „daß es mit dem ljavkssvortk so schief gegangen ist, ist mir doch ärger lich. Nun kündiget man eine deutsche und französische Uebersetzung auch in Holland an". So jagt an dem Himmel des Göttinger Gelehrten und seines Verlegers gar manche Wolke und es ist ihnen erspart zu prüfen, ob sie eine Reihe von schönen Tagen zu ertragen vermöchten. Da man drüben an der Pleiße wieder einmal zur Messe rüstet, so ist der Hofrath eifrig beschäftigt, eine Masse von Briefen, welche Herr Die terich durch Meßgelegenheit weiter zu befördern versprochen, fertig zu stellen. Ein weiteres Pack geht an den Gevatter ab, dessen ehr licher alter Markthelser in hergebracht trefflicher Weise die Briefe weiter besorgen wird. Dazwischen wieder einiges Manuscript von Herrn Dieze, dem Sudler, und von Herrn Ritter; auch Göttinger Würste erscheinen an der Pleiße, als kleines Zeichen aufrichtiger Dankbarkeit. Denn Herr Reich ist unerschöpflich an Gutthaten und der Göttinger Gevatter dürfte sich füglich das Schamrothwerden abgewöhnen. Da kommt einmal ein Brief und stehe da, er enthält den so lange gewünschten Ring mit einem Kopfe, — „der mir den Augenblick meinen ganzen Freund darstellt; ganz seine Züge; ganz vortrefflich, Charakter und Ausdruck, wie ich cs selbst voraus gewünscht und angegeben haben würde; auch daß der Kopf nach der Antike gearbeitet ist, und die Arbeit ist so gut — kurz, Sie haben mir ein Vergnügen, eine Freude gemacht, die ich Ihnen in der Welt nicht zu vergelten weiß: das Porträt meines liebsten Freundes beständig an und bei mir zu haben, ist mir mehr als ich Ihnen sagen kann. Meine liebe Therese hat nun den Kopf des seligen Gel iert sich ganz zugeeignet und ihre Uhr damit geschmückt. Nun, Freund, sind Sie wie ganz und beständig unter uns und sollen auch mir nicht eher entrissen werden, als bis ich die ganze Welt mit allem, was mir das liebste ist, werde aufgeben müssen". Und wenn nun gar noch des Gevatters Porträt, von Graff gemalt, auf das Phi lipp Erasmus Hoffnung macht, ankäme? Statt dessen erscheint als erwünschter Gast ein großer Rhcin- lachs, wie zur richtigen Jahreszeit regelmäßig ein Flug Leipziger Lerchen, auch Borstorfer Acpfcl und Aehnliches, und wir machen da die erfreuliche Bemerkung, daß in dein biederen Ausleger der Alten auch der Sinn für die Freuden der Tafel schön entwickelt ist. Er streckt mit Behagen die Hände aus nach dem lecker bereiteten Rhein fisch, der so frisch und zart befunden wird, daß auf Reich's Ge sundheit rasch ein großes Stück verzehrt ist. Auch die Lerchen finden stets fröhliche Verspeiser, schade nur, daß der weite Weg den Lecker bissen manchmal etwas anbrüchig ankommen läßt. Und mit der Regelmäßigkeit des Lerchenstrichs kommen dann die Meßnenigkeiten; dießmal — O.-M. 1773 — erscheint nament lich die neue Auflage von Wicland's Agathon erwünscht —, von der Weltgeschichte gelangt der elfte Band, die Geschichte der vereinigten Niederlande von Schröckh enthaltend, zur Ausgabe. Es ist dasselbe Jahr, in dem Klopstock zur Gründung einer deutschen Gelehrtcnrepublick anregt und begeisterte Anhänger findet. Daraufhin greift Philipp Erasmus selbst zur Feder und die „zu fälligen Gedanken", die er im Interesse des Buchhandels zu Papier bringt und anonym drucken läßt, sendet er auch, wie es scheint, nach Göttingen an Heyne. Dieser ist zu verständig, als daß er die Klopstock'schen Vorschläge nicht thöricht fände. „Der gute Klopstock!" ruft er aus. „Die Wahrheit ist ihm noch sehr glimpflich gesagt, und doch mit Würde. Warum blieb doch der Mann nicht jenseits des Mondes in seinem Empiröe? Von der wirklichen Welt hat er zu wenig Kenntniß. Vermuthlich ist er bloß von