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144, 84. Juni. Nichtamtlicher Theil. 2343 Gevatter um Beihilfe. Aber der vorsichtige Reich lehnt zu des Hof raths Freude das Gesuch ab und erhält von Göttingen die Weisung, auch für die Folge karg zu sein. Bielleicht, dag Herr Reich diesen wenig erfreulichen Schwager auch wissen ließe, „daß es auf keine Art schicklich und thunlich sch, daß er hier in Göttingcn oder in Hannover ein öffentlich Eouccrt anstclleu könne". Es würde dies Heynen und seiner lieben Therese äußerst nachthcilig sein und er würde für sich zu seinem Zwecke nicht gelangen. Denn an beiden Orten wird man ihm die Erlaubniß abschlagcn, da man wissen wird und urtheilen kann, daß cs dem Hofrath unangenehm sein müsse. „Dagegen soll er auf das Beste überall empfangen und in Privat gesellschaften eingeführt werden." Die öffentlichen Concerte brin gen ohnedem in Göttingcn und Hannover so wenig ein, daß kaum dadurch soviel erhalte» wird, als zu einiger Tage Unterhalt erfor derlich ist. Die Bewirthung findet der Schwager ja bei Heynen, der ihm noch überdies ein Geschenk zu machen nicht verabsäumen wird. Unter solchen Sorgen kommt der Frühling'übcr das Land, und wie die Natur aufs neue sich mit Blüthcn schmückt, so hat auch die Leipziger Ostermesse aus ihrem Füllhorn reichliche papierne Schatze ausgeschüttet und nicht am wenigsten eifrig waren dabei Weidmanns Erben und Reich gewesen. Der Leiter der Firma hatte dem der- maligeu Hauptbuchdrucker Herrn Dürre eine ganze Reihe Posten gutzubriugeu, alles in allem an Satz und Druckgebühren 3064^ Thlr., und Namen von anerkanntem Werthc erschienen in der Rechnung. Da war des Herrn Diaconus Lavatcr Schriftchcn über die Phy siognomik, von Herrn Hofrath Wieland der Don Sylvio in neuer Auflage, die Gedanken über eine alte Aufschrift, der goldne Spiegel, und Anderes, daneben Herrn Weißens kleine lyrische Gedichte, und die in erfreuender Weise sich wiederholenden Namen Zollikofer, Geliert, Sulzer, und die Wilhclmine des anonym schreibenden Herrn von Thümmel, des mancherlei Wissenschaftliche» nicht zu gedenken. Und Herr Reich, des Göttinger Freundes sowie der Gelehrten Anzeigen sich bei Zeiten erinnernd, sonderte aus diesen Herrlichkeiten das Passende für den Gevatter an der Leine aus, durch die Gütigkeit des Herrn Ruprecht aber gelangte das Packet, nebst fünfzig Ducaten, an Heyne, zu dessen und der Gattin größter Freude. „Aber Freund, wie ver wöhnen Sic das Publicum, und was für ein Geschmack, eine Pracht, eine Eleganz in den Wiclandischen und Weissijchen Schriften! Ganz blendend findet man sie, und es ekelt dem Auge, nachher die gemei nen schmutzigen Drucke anzusehen Wie sollte sich ein Virgil auf diese Art gedruckt, ausheben! Der Herausgeber dürfte nur mittel mäßiges Verdienst dabey haben." ^<l vocow Virgil! Bei Erwähnung dieses Klassikers, dessen Herausgabe Heynen seit einigen Jahren beschäftigt und noch für Jahre beschäftigen soll, ist es billig, mit freudiger Dankbarkeit auch eines Vorschlages zu gedenken, so Herr Sulzer durch Freund Reich uack Göttingen zu thun die Gütigkeit gehabt. Und diese Dankbar keit Heyne's ist um so freudiger, als die Aufforderung Sulzcr's, daß der Göttinger doch den Herodot herausgebcn möchte, ebenso sehr Heyne's stillen Wünschen entsprach, wie sie von des Berliners ungeschmälerter Hochachtung Zcugniß gab. Denn Heyne hat das Gefühl, als möchte ihm Sulzer vielleicht gram fein, weil der durch ihn nach Göttingen gelangte Antrag des Directoriums der Schule zu Kloster Bergen bei Magdeburg von Heyne „etwas hastig" abge lehnt worden war. Aber „lange heucheln ist mir zu unmöglich". Was Wunder, daß dem guten Heyne unter dem Widerschein der glänzenden Leipziger Meßgeschenkc und der Sulzer'schcnFreuud- schaft der Drang nach Thätigkeii noch wächst, und Laß er gern der >Zukunst gedenkt, da er auch zur Bearbeitung des Herodot und Homer schreiten wird. Wie Herr Sulzer es wünscht, soll dann alle Wortkritik bei Seite gesetzt sein und nur alles das erläutert werden. was sich auf die alte Welt bezieht. „Herodot deuchte mir vorzüglich einer solchen Bearbeitung fähig und bedürftig. Es freuet mich also nicht wenig, einen Mann auf eben dem Wege zu finden, dessen Urtheil mir statt der Stimme des Publied ist. Giebt mir Gott Leben und Gesundheit, so unterlasse ich nickt, sobald ich aus Arbei ten heraus bin, die ich einmal angefangen und übernommen habe, im Ernste darauf zu denken, wenn sich nicht in der Zeit sonst ein tüchtiges Subjcct dazu findet, das ich vermögen kann, die Ausfüh rung zu übernehmen." Die ersten Tage des Juni finden den Göttinger in Cassel. Dieser ist mit der Gattin hinüber nach der Fulda gefahren, einmal, weil seine Gesundheits- und Gemllthsverfaffung einen Ausspann durchaus nöthig machen, dann aber ist auch der Wunsch berechtigt, daß der in zarten Ueberraschungen so erfinderische Leipziger Gevatter doch nun auch mit einem Geschenk erfreut werde. Der bescheidene Göttinger übersieht dabei, welchen Werth es hat für den befreun deten Verleger, sich auf den Rath eines kenntnißreichen Gelehrten zu stützen, der eifrig erwägt, ob der vonRcich hingcworfenc Gedanke, ein Jahrbuch schöner Handlungen herauszugeben, zweckmäßig sei, der dann selbst wieder dasManuscript eines strebsamen jungen Gelehrten über die Tanzkunst glaubt anbieten zu sollen, der auf die Predigten eines englischen Theologen als Übersetzenswerth aufmerksam macht. Und wie dann Heyne, den eigenen Werth unterschätzend, daran denkt, daß Reich im Lauf des letzten Jahres der Gevatterin ein Stück Zitz, ihm selbst aber Uhr und Ring verehrt hat — diese Posten finden sich auf des Hofraths Soll vor der Linie und sind ausdrücklich als Geschenke aufgeführt —, beschließt er, sich, von Herrn Professor Tischbein in Cassel für den Leipziger malen zu lassen. Aber der schnellfertige Reich, dem von Cassel aus bezügige Nachricht des Gevatters wird, benutzt die Gelegenheit zu des Göttingers arger Beschämung, indem er das Bild aunimmt, aber Tischbein's Honorirung selbst besorgt. Und klagend seufzt Heyne: „Nun haben Sic mir den Professor Tischbein so ganz wider alles eingenommen, was ich versuchen kann, um mir einen Antheil Key Ucbersendung des Porträts zuzueigne». Ein so elend leidendes Geschöpf bin ich, daß ich voll Scham und Verdruß scyn muß, mich zwischen zwey Freunden inne zu sehen, die unter einander kämpfen, wer der Desiuteressirteste seyn soll." Der Sommer vergeht, eine Reise von Göttingen nach Sachsen ward geplant, jedoch schwerlich ausgeführt, daneben wächst der Guth rie, wenn auch langsam. VonProfessor Ritter geht weiteres Manu skript ein, dagegen ist des Professor Dieze Trödelei nicht auszu- Haltcn. Wer weiß, ob es möglich sein wird, ihm das Manuscript der spanischen Geschichte noch zu Michaelis zu entreißen? Auch Pro fessor Murray erweist sich als sehr unpünktlich. Da nun doch Gold smith' englische Geschichte wie es scheint trotz aller Bemühung Heyne's keinen Bearbeiter finden zu können scheint, so ist es wohl das Ein fachste, das Buch vom gewöhnlichen Reich'schen Uebersetzer verdeut schen zu lassen und solchergestalt der Weltgeschichte eiuzureihen. „Es bedarf alsdann blos einen Namen vorzusetzen und zu diesem wird sich schon Rath finden." Mit den fallenden Blättern stockt für uns derVerkehr, zweifel los nur, weil die Briefe verloren gingen. Denn nach wie vor schaffen an Leine und Pleiße zwei rastlos thätige Männer, innerlich gemein sam, äußerlich in gesondertem Wirkungskreis. Und wie mit den Herbstfrösten die Michaelismesse erscheint, da finden die harrenden Abnehmer unter den Neuigkeiten von Weidmanns Erben und Reich den siebenden Band der Weltgeschichte, die türkische Geschichte, 80H Bogen stark. Herrn Dürre erwächst daraus ein Guthaben von 322 Thaler (Auflage 1500, den Bogen zu vier Thaler) für Satz und Druck, für Censur vier weitere Thaler, der Uebersetzer aber er hält 2t3 Thaler und Heyne 190 Thaler. So schließt das alternde Jahr nach allen Seiten in erfreulicher 312*