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STEINSÄGETECHNIK IN DER VORZEIT Von Artur Pietzsch Über die Technik des Steinsägens sind schon viele Artikel geschrieben und durch Konstruktionszeichnungen illustriert worden. Leider wurden die technischen Mög lichkeiten dabei nicht immer genügend geprüft, und die einmal aufgetauchten Fehler wurden oft übernommen, so daß auch die Rekonstruktionen der Steinsägen der Kritik nicht immer standhalten. Um sich eine Vorstellung von einem vorgeschichtlichen Sägeschnitt machen zu können, braucht man eine gewisse Kenntnis der technischen Möglichkeiten. Das richtige Wort spricht also die Praxis. Sehen wir uns eine Reihe vorgeschichtlicher Sägeschnitte an, so haben wir in der überwiegenden Zahl Objekte vor uns, aus denen die Theorie die genannten Trugschlüsse gezogen hat. Der mathematisch denkende, also der heutige Maschinenmensch, sieht eben auch die Vorgeschichtsfunde unter den Voraussetzungen unserer Zeit an und kommt mit solchen Erkenntnissen auf eine falsche Bahn. Wir brauchen nicht das gesamte Material eines Landes zu besichtigen. Das würde uns viel zu sehr verwirren, denn je größer die Zahl der Werkzeugmacher war, um so verschie denere Charaktereigentümlichkeiten finden wir an der Arbeitsweise. Oft bietet uns der glückliche Zufall aus einem kleinen Distrikt reichlich Material. Bei diesem Material sind ja am ehesten die Voraussetzungen gegeben, daß die Bearbeitungen von einem oder zumindest wenigen Menschen in gleicher Art und Technik ausgeführt wurden. Vergleicht man nun aber mehrere solcher Distrikte, so findet man schon verschiedene Arbeitsweisen und auch die Kennzeichen der verschiedenen Anwendung der Technik, die nicht von der Beschaffenheit des Sägeapparates, sondern nur von der Arbeitsart dös Sägenden abhängen. Deshalb müssen wir uns, bevor wir in eine individuelle Be trachtung der vorzeitlichen Sägeschnitte eingehen, erst einmal die Gewohnheit eines sägenden Menschen der Gegenwart vor Augen halten, dazu aber auch seine Werk zeuge und Behelfsmittel zum Vergleich heranziehen. Heute sägt man wenig Stein im Handbetrieb, weil maschinell auf diesem Gebiet Erstaunliches geleistet wird. Um alles Kommende leichter demonstrieren zu können, wollen wir das Sägen von Holz mit heranziehen, dabei aber den Tischler, Zimmermann usw., der es gelernt hat, einen Sägeschnitt nach einer gewünsch ten Richtung zu dirigieren, aus dem Spiel lassen. Nehmen wir eine Bügelsäge mit einem langen Blatt — das zu zer sägende Holz ist also im Querschnitt bedeutend kleiner als die Länge des Sägeblattes —, so wird sich durch die schwingenden Bewegungen des mensch lichen Armes die Säge nicht horizontal, sondern je nach ihrem Schwerpunkt einmal vorn und einmal hinten neigen und so das Holz an beiden Kanten tiefer einsägen, so daß ein konvexer Schnitt Abb. 1 entsteht (s. Abb. 1). Es wird immer schwer sein, einen ganz horizontalen, also parallelen Schnitt zu er zielen, auch wenn die Säge in einer Führung ginge (Gehrungssäge). Die vorgeschicht lichen Menschen haben, nach ihren Sägeschnitten zu urteilen, kein langes Sägeblatt benützt. Sollte aber ein solcher konvexer, und zwar verhältnismäßig langer Schnitt zu finden sein, so wäre damit der Beweis eines langen Sägeblattes erbracht. Wir haben