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7398«iksenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 121, 23. Mai 1924. -es deutschen Buchhandels auch in Zukunft bleiben muß. — ^ Ans der Menge der ausgclegten Literatur möchte ich ein Buch heraus- ^ greifen, erstens, weil der Verfasser mir seit Jahren bekannt ist, und zweitens, weil derselbe seit langer Zeit einer der bekanntesten Buch händler, vor allem in den Kreisen des evangelischen Buchhandels ist. Herr Ulrich Meyer in Berlin hat zu Weihnachten 1923 den ersten Band seiner Erinnerungen als Buchhändler erscheinen lassen (»Der Meister und sein Schüler«). Der Verleger Heinr. Beenken i. Fa. Ir. Zillessen, Berlin, plant die Herausgabe eines zweiten Bandes. Möge dieser bald erscheinen und vor allem in den Kreisen des Jungbuchhandels einen großen Käufer-, vor allen Dingen Leserkreis finden. Der sonnige Humor gibt dem ersten Bande einen besonderen Reiz, außerdem birgt er für junge Leute einen großen Schatz von Lebenserfahrungen. IM großen und ganzen fesseln durch Inhalt, äußere und innere Ausstattung auch diesmal wieder dieselben Bücher, die bereits auf der Frühjahrsmesse die Aufmerksamkeit des Beschauers erregt und sein Interesse festgehalten haben. Konnte ich in meiner Besprechung der Frühjahrsmesse auf das bei Paul List erschienene Fordsche Buch Hinweisen, so hat jetzt die in demselben Verlage erschienene illustrierte Ausgabe von Freytags Bildern aus der deutschen Vergangenheit all gemein« Aufmerksamkeit erregt. Auch das Interesse für die Radio- Literatur hat nicht nachgelassen. Wie immer, hat auch bei dieser Messe der L. Staackmannschc Verlag eiue große Anzahl seiner Verlagsartikel ausgestellt; auch hier ist es zu bedauern, wenn der »geplagte« Sortimenter den ausgelegten Bü chern nicht die gehoffte Teilnahme zugewandt oder die Ausstellung überhaupt nicht besucht hat. Besonders möchte ich die kleine, im Anthropos-Werlag, Prien, erschienene Broschüre des Herrn vr. Menz, Hauptschriftleiters des Börsenblatts, »Was weißt du vom Buch?« erwähnen. <Ne ist in erster Linie dazu bestimmt, für das gute Buch Propaganda zu machen; ein Bezug in größerer Anzahl kann jedem Sortimenter nur auf das wärmste einpsohilen werden; sie ist ein vorzügliches Werbemittel. Ein einigermaßen günstiges Urteil über die diesjährige Kantate- Ausstellung kann ich, wie ich schon mehrfach andeutete, nicht fällen. Auch die Aussteller in Stentzlers Hof werden nicht viele vollge schriebene Ordre-Bücher haben nach Haufe bringen können. Anders liegt die Sache bei den Ausstellungen der Firmen Koehler L Volckmar, sowie H. G. Wallinann; beide Firmen sind von dem rettenden Hafen jedes sich in diesen Tagen hier aufhaltenden Buchhändlers, dem Buch händlerhaus, nicht weit entfernt und können leicht erreicht werden. Außerdem besteht, vor allem wohl bei den Besuchern der Wallmann ausstellung, zwischen ihnen und der Leitung ein gewisser persönlicher Zusammenhang, der doch die sicherste Grundlage für ein gedeihliches Zusammenarbeiten ist. Die Lehrmittel, Karten, Atlanten usw. waren auf der Messe aut vertreten; vor allem fiel eine von der Firma Koehler L Volckmar Lehrmittelabteiluug ausgestellte drehbare Bücher-Pyramiöe durch ihr gefälliges Außere, sowie durch ihre leichte Handhabung aus. Die Pyramide dürfte ein Schmuck für jedes Schaufenster sein; durch ihre wechselnde Auslage fesselt sie das Interesse des Beschauers und führt dem betreffenden Sortiment neue Kundschaft zu. Erwähnen möchte ich noch die in diesen Tagen besonders geschmack vollen Auslagen der Leipziger Sortimentsbuchhandluugen. Es wird bei vielen auswärtigen Kollegen, nicht bei denen, die aus großen Städten stammen, Erstaunen erregt haben, in welch dekorativ eindringlicher Weise ein Buchfenster eingerichtet werden kann, wie oft ein schlicht ge bundenes Buch einen malerischen Abschluß herbeifuhrt und zum Gelingen des Ganzen beiträgt. '(Siehe die Mitteilung über den Schaufensterwettbewerb der Leipziger Sortimenter' im Bbl. Nr. 119, Seite 7298.) Bei meinen Besuchen der Messe ist mir mehr als einmal von Ausstellern die Frage gestellt worden: »Was soll werden? Sollen unsere Firmen trotz dem wenig günstigen, in diesem Jahre besonders schlechten Erfolge der Kantate-Ausstellung sie noch weiter beschicken?« Man sieht in den Kreisen der Aussteller die Notwendigkeit der an diesen Tagen stattfindenden Versammlungen ein, weiß auch, daß die Versammlung am Sonntag die Hauptsache ist. Dem Wunsch, die Kantate-Messe zum Nutzen der Bugra-Messe zu verlängern, möchte ich an dieser Stelle nicht beistimmen. Geäußert wurde er mir von vielen Seiten. Aber daß er ausgesprochen und Widerhall gefunden hat, das möchte ich als Berichterstatter doch er wähnen; vielleicht führt hier eine Aussprache zwischen Verlag und Sortiment eine Klärung herbei. Außer der »Bugra« wurden auch die Jahresausstelluug im Buch- gewerbehaus« und die von der Wcrbestelle des Börsenvereins veran staltete Ausstellung »Tie Werbung« im Buchhändlerhause von den Teilnehmern der Kantate-Messe mit Befriedigung in Augenschein ge nommen. Mer letztere wird noch ausführlicher berichtet werden. Weitere Mitteilungen, die das Bild von dem buchhändlcrischcn Treiben in den verflossenen Kantatetagen vervollständigen könnten, sind dem Bbl. auch nachträglich noch willkommen. Bei den vielen Veranstal tungen kann das Bbl. die Unterstützung vor allem der Vereins-Schrift führer nicht entbehren. Ein Frcundeswort zur Erinnerung an Georg Hirzel. Als wir dieser Tage Kantate feierten, hat der derzeitige Rektor der Leipziger Universität Professor Steindorff zu einer kleinen Gruppe der Fcstteilnehmer über Buchhandel und Wissenschaft gesprochen, und diese Rede wuchs unwillkürlich aus seinem Herzen zu einer Erinnerungs rede auf Georg Hirzel. Er schilderte ihn als das Muster eines deut schen Verlegers, als das Muster eines Freundes der Wissenschaft, als das Muster eines menschlich 'fühlenden Menschen, und er bekannte sich in seiner Ansprache, die vielleicht manchen der Hörer, der von- so hoher Bedeutung Georg Hirzels noch gar nichts ivußte, frappiert hat, als ein treuer und dankbarer Freund des so jäh aus bem Leben Ge rissenen. Und so drängt es auch mich, der ich das seltene Glück von Hirzels Freundschaft genoß, denen, die ihn nicht oder nicht genug gekannt haben, ein paar Worte zu sagen. Es waL seit Jahren allbekannt, daß Hirzel monatelang von Leip zig abwesend war, und daraus bildete sich bie Legende, er kümmere sich wie ein Grandseigneur wenig um sein Geschäft. Wer näher zu- sehen konnte, wußte, daß das gerade Gegenteil der Fall war. Ob er in seinem geliebten Bogcu weilte oder im bayrischen Gebirge: immer liefen die Fäden seiner Geschäste in seiner Hand zusammen, immer war es sein Kopf, der regierte, fördert« und mehrte. Dabei war es geradezu, ich möchte sagen: rührend, mit welcher Treue er au den beiden Männern hing und von ihnen sprach, die ihn als Disponenten im Geschäft selbständig vertraten und mit denen er, wo er auch war, in reger Verbindung blieb. Ich meine Max Page! und Otto Curlsohn. Ost nahm er sogar seinen Prokuristen Paget als Gesellschafter auf seine Reisen mit, wie er denn auch seinem ganzen inneren Geschäftsbetrieb einen noblen Charakter zu geben wußte. Im allgemeinen hatte er (wenigstens in den vorgerückten Jah ren unserer Bekanntschaft) einen Hang zur Einsamkeit. Sein reicher und sehr gebildeter Geist liebte von der Geselligkeit am meisten die des Pokulierens zu Zweien, Dreien. Groß war dabei die Spannweite seiner Unterhaltung, überraschend der Umsaug seiner Belesenheit, er freulich seine Begeisterung für Kunst und Künstler. In seinem schönen Hause hat er ja auch die verschiede-nartigsteu Dinge, nicht zu ver gessen seine prachtvolle Bibliothek, gesammelt und gepflegt. Bei unsrer letzten Begegnung kurz vor der Reise nach Bozen, von der er nicht mehr heimkehren sollte, zeigte er mir einiges von seinen Auto graphen, darunter jene köstlichen, von geradezu groteskem Hu mor durchblitzten Briefe Gottfried Bürgers an seinen Verleger Diete rich; die Lektüre im Vergleich zu der heutigen normalen Geschäfts abwicklung zwischen Autor und Verleger stimmte uns ein wenig melancholisch. Aber auch er hatte noch Autorenfreundschaften von altem Schrot und Korn seiner patriarchalischen Firma konserviert: das habe ich erfahren, als ich vor einigen Jahren gelegentlich einer Reise nach Helsingfors dort den Physiologen Professor Tigerstedt mit Grüßen von Hirzel aufsuchte. Ich wünsche jedem Verleger, daß der Überbringer seiner Grüße so ausgenommen wird wie ich bei Professor Tigerstedt! Zum Schluß will ich noch ein persönliches Erlebnis erzählen, weil es mehr als alle schönen Worte Hirzels Charakter beleuchtet. Wir waren beide eifrige Klinger-Sammler, und ich hatte in jahrelangem Bemühen für Klingers Opus »Eine Liebe« eine fast vollständige Sammlung von Entwürfen, Zuständen und Probedrucken zusammen gebracht, die in wohl kaum wiederzuvereinigendcr Weise die ganze Entstehung dieses Werkes vorbeiziehen läßt. Da sah ich eines Tages in Hirzels Sammlung zu dem Blatt »Der Kuß« aus dem Eyklus Eine Liebe« eine ganz außerordentlich schöne und außerordentlich wichtige Zeichnung, die ich zur endgültigen Vervollständigung meiner Serie unbedingt haben wollte. Ich machte Hirzel alle möglichen guten Worte und alle möglichen guten Kaufanträge. Er lehnte strikte ab. Auch wiederholte Gebote scheiterten. Als das Jahr zu Ende ging und