sprachwissenschaftlichen Grundlagen zu erhalten gewöhnt sind, bleibt es ohne hin fraglich, inwieweit eine absolute Siedlungsgleichheit dieser teilweise (re)konstruierten ältesten sprachwissenschaftlich benannten Einheiten mit der ebenso geringen Materialbreite archäologischer Kulturen möglich ist. Auch das Herkunftsgebiet der Slawen ist nach unseren heutigen Vorstel lungen mit dem Siedlungsraum der letzten Lausitzer nicht identisch. Hinzu kommt ein Hiatus von grob gerechnet fast einem Jahrtausend. Getäuscht worden ist man bei der Aufstellung der Slawenthese sicher auch von der Tatsache, daß in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas die größte Verbreitung der Lausitzer und der Slawen recht ähnlich erscheint, zweifellos aber erst für Jahrhunderte nach der Entstehung der Slawen und nach deren großräumiger Landnahme noch in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends u. Z. Auch die Wiederbenutzung des Areals mehrerer Lausitzer Burgen durch die Slawen wurde als Argument für eine Kontinuität angeführt. Hier liegt, ebenfalls zu mindest für den Westen, ein Zwischenraum von meist noch mehr als tausend Jahren vor, und die gleichen Burgplätze sind z. B. später auch im westlichen Verbreitungsgebiet mit deutschen mittelalterlichen Burgen 12 ) bestückt wor den, ohne daß nun daraus abgeleitet worden wäre, „folgerichtig“ sowohl die Lausitzer als auch die Slawen zu Deutschen machen zu wollen. Das verbot schon die spätestens seit der Slawenzeit bestehende historische Überlieferung und das Wissen, daß eben das deutsche Volkstum sich erst seit dem 9. Jahr hundert herausgebildet hatte. Ähnliche Entwicklungen gelten aber sicher auch für Lausitzer und Slawen, wenn damit auch für frühere Epochen. Wir müssen dabei und gerade in Verfolgung der eben niedergelegten Gedanken allerdings berücksichtigen, daß Teile der ältesten Slawen trotz der zeitlichen Differenz genetische Verbindungen bis zu den Lausitzern gehabt haben können. Wir nehmen nicht an, daß laufend Wanderungen stattgefunden haben und daß in deren Gefolge jeweils die Vorbewohner neu gewonnener Gebiete restlos ver nichtet oder verjagt worden sind, sondern daß bei „VölkerVerschiebungen“ im allgemeinen zumindest ein Teil der Alteingesessenen (bei kriegerischen Auseinandersetzungen besonders wohl die Frauen) dort verblieben. Wie groß der Lausitzer Anteil am späteren slawischen Volkstum und an der Entstehung anderer ethnischer Einheiten gewesen sein mag, bleibe dahingestellt. Auf keinen Fall aber ist eine Gleichsetzung des gesamten Volkstums der Lausitzer mit den späteren Slawen anzunehmen oder gar nachzuweisen. Es wird verschiedentlich der Eindruck entstehen können, als sei durch die aufgestellten Fragen mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen worden. Ein 12) Für Befestigungen sind die Lokalitäten wohl zu allen Zeiten nach ihrer günstigen Gelände lage gewählt worden und nicht auf Grund von Siedlungs- oder gar ethnischer Kontinuität, und es kommt sogar vor, daß solche Standorte innerhalb der gleichen Generation ge wechselt wurden, weil z. B. auf der benachbarten Höhe günstigere Voraussetzungen zur Erfüllung der jeweiligen Burgfunktion vorhanden waren.