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Wir verdanken aber G. Wilke den Nachweis, daß diese kulturelle Einheit Thüringens und Westsachsens schon in aller Deutlichkeit zur jüngeren Steinzeit sichtbar ist. Nach ihm heben sich diese Länder „schon in der bandkeramischen Zeit aus dem ost deutschen Formenkreise als ein Gebiet mit besonderer kultureller Schattierung heraus, eine Sonderstellung, die auch in den nachfolgenden Perioden immer wieder hervortritt und in zahlreichen Typenkarten ihren Ausdruck findet“ 19 , so etwa für die facettierten Streitäxte, deren Kartierung durch Aberg schon ganz das kulturelle Gefälle wie zur älteren Eisenzeit zeigt 20 . Dasselbe gilt für die Sondergruppen der reich verzierten Steinäxte vom sächsischen Typus 21 . „Bemerkenswert ist, daß sowohl die Ausbreitung dieser, als das Fehlen der Streitäxte von schlesisch-böhmischem Typus . . . in Sachsen räumlich der oben angedeuteten, auch in der Bronzezeit deut lich erkennbaren sächsisch-thüringischen Sondergruppe des ostdeutsch-österreichi schen Formenkreises entspricht 22 .“ Dieser große Formenkreis besteht weiter auch in der älteren Eisenzeit, und Sachsen-Thüringen bleibt ihm eingegliedert. Wie aus dem Fundgut dieser Zeit und dieses Raumes Kulturströmungen und ge schichtliche Wanderungen herauszulesen sind, hat Chr. Pescheck in neuerer Sicht dargetan 23 . Danach hat ein Kulturstrom aus dem pontisch-ägäischen Gebiet über Österreich-Böhmen in unseren sächsisch-thüringischen Raum Figurenschemata auf Gefäßen, Mehrgefäße, dreiflügelige Pfeilspitzen, eiserne Ärmchenbeile und die Eisen bearbeitung selbst gebracht, ein Kulturstrom aus dem adriatischen Raum die Ge fäßgraphitierung und Nachahmung bronzenen Knöpfchenbesatzes auf Gefäßen durch Dellenmusterung beschert und schließlich ein Kulturstrom aus dem Alb-Hegaugebiet Südwestdeutschlands Gefäßbemalung und -Inkrustation, die Körperbestattung in reichen Hügelgräbern neben den noch üblichen Brandgräbern, vor allem die Be setzung und Befestigung beherrschender Geländehöhen gebracht, wodurch sich besonders ein geschichtlich bedeutsamer Wanderzug, 400 Jahre vor den Keltenzügen, erweist. Peschecks „Hallstatt C-Kelten" dringen, der Donau folgend, auch in die Oberpfalz und ins böhmische Becken vor und schaffen hier durch Überschichtung der Knoviser Kultur die Bylaner Kultur. Sie sind die südlichen Nachbarn des thüringisch sächsischen Raumes zur älteren Eisenzeit. Der Glanz ihres frühkeltischen Herren tums hat den Import materieller Kulturgüter aus den genannten Landschaften und wohl auch das Eindringen des Kaufmannes und Handwerkers in unseren mittel deutschen Raum gefördert und so die Sonderstellung der Thüringischen Kultur zur älteren Eisenzeit bilden helfen. Noch steht die damals eingeführte Körperbestattung nach frühkeltischem Vorbild in dem Friedhof von Trautzschen-Elstertrebnitz für Sachsen vereinzelt da. Eine Auf arbeitung älterer Sammlungsbestände und Grabungsfunde könnten diesen und manch anderen Einfluß aus dem Süden deutlicher machen und die frühe Eisenzeit Sachsens klarer sehen lassen. So hat z. B. die Graßdorfer Höhe bei Taucha an der Parthe aus Brandgräbern Schild ohrringe geliefert, die man nach Claus nur in die ältere Eisenzeit setzen soll. In 10 G. Wilke, Die Vorgeschichtsforschung in Sachsen 1900—1925, in: Mannus XVIII, 1926, S. 83. 20 N. Äberg, Das nordische Kulturgebiet in Mitteleuropa während der jüngeren Steinzeit, 1918, II, Karte IV. 21 .1. Lechler Die reich verzierten Steinäxte vom sächsischen Typus, in: Mannus-Bibl. Nr. 22, S. 1f. 2a G. Wilke, ’a. a. 0., S, 88. 2:1 Chr. Peschek, Späthallstättische Kulturströmungen im Ostalpenraum, in: Strena Praehistorica, 1918, S. 152 ff.