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ZUM BRAKTEATENFUND VON KASCHWITZ UND ZUR FRAGE DER BRAKTEATENENTSTEHUNG Diskussion zwischen Dr. Klaus Günter und Walter Haupt In der Bearbeitung des Kaschwitzer Münzfundes hat der Verfasser eine Möglichkeit der Entstehung der Brakteaten im ostdeutschen Gebiet herausgearbeitet (Arbeits und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, Band 2, 1951, S. 175fr). Dagegen hatte bereits in den Deutschen Münzblättern 1940 und 1941 Dr. Günther einen anderen Ursprung dieser Münzart angenommen, der im folgenden in stark verkürzter und leicht überarbeiteter Form wiedergegeben wird: Die Brakteatentechnik ist, hinsichtlich ihres plötzlichen und verbreiteten Auf tretens in der deutschen mittelalterlichen Münzprägung, ein altes, ursprünglich in kultischen Zusammenhängen geübtes germanisches Handwerkserbe; denn die zahl reichen deutschen und vor allem skandinavischen Goldbrakteaten des 6. und 7. Jh. u. Z., deren Amulettcharakter meist deutlich ist, bilden einen ungemein kennzeich nenden Bestandteil der gehobenen materiellen Kultur germanischer Völker jener Zeit. Offenbar gerade wegen ihrer ursprünglich kultischen Bindung ist die Brakteaten technik durch die Jahrhunderte getreu überliefert worden; dies beweist ihre ausführ liche Darstellung in der berühmten „schedula des Theophilus“, die dem 11. Jh. u. Z. angehört, also einer Zeit lange vor Beginn der Prägung von Münzbrakteaten in Deutschland. Erzeugnisse in dieser Technik hat es in den Zeiten zwischen dem 8. und 12. Jh. u.Z. sicherlich also in Mengen außerhalb der Münzung gegeben (Knopfüber züge, Gürtel- u. a. Beschläge?), sie sind nicht erhalten. Erinnert werden aber darf an das kurzlebige Auftreten der Brakteatentechnik in der langobardischen Münzprägung des 8. Jh. oder an sicher nicht vereinzelte Ergebnisse dieser Technik, wie die bekannte Schmuckfibel Heinrichs I. (10. Jh., Fund von Roscharden). Als infolge sozialer Ver schiebungen und innenpolitischer Entwicklungen die deutsche Münzprägung sich um die Mitte des 12. Jh. sprunghaft ausweitete, hat man bei dem plötzlich erhöhten Bedarf an Münzhandwerkern ohne Zweifel berufsfremde, in der herkömmlichen Münztechnik nicht bewanderte Feinschmiede heranziehen müssen. Sie haben das bei ihnen überlieferte Handwerkserbe der Brakteatentechnik der deutschen Münz prägung gleichsam aufgezwungen. Als Ergebnis eines zunächst labilen Gleich gewichtes zwischen den Traditionen der zweiseitigen Prägung und den — der Münz prägung an sich fremden — Tendenzen der Brakteatentechnik sind danach die sog. „Halbbrakteaten" aufzufassen; in manchen Teilen Deutschlands setzten sich ihnen gegenüber die eigentlichen Brakteaten sehr schnell oder von vornherein und sofort durch, in anderen gelangte die Entwicklung über die „Halbbrakteaten“ nicht hinaus, und überall kehrte man schließlich, spätestens nach Abschluß des 13. Jh., zur „nor malen“ zweiseitigen Prägung zurück. Aber das durch die genannten Entwicklungen in die deutsche mittelalterliche Münzprägung hineingeschleppte Vorvätererbe der Brakteatenform fand damit ein spezifisches Anwendungsgebiet von höchster Ent sprechung: daher das jähe Aufblühen der Münzbrakteaten um 1150; und es beweist seine genaue Herkunft, seine ursprünglich kultische Bindung und die Treue seiner Bewahrung durch gewisse, bis in Einzelheiten (Zierränder, Flächen- und Umschriften behandlung, Beizeichen) sich erstreckende formale (nicht stilistische) Übereinstim- mungen, die zwischen manchen deutschen Münzbrakteaten des 12. Jh. und den nord-