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FAUSTKEIL- UND ABSCHLAGKULTUREN IM ALTPALÄOLITHIKUM Von Gerhard Mildenberger Auf sächsischem Gebiet liegt in Markkleeberg südlich Leipzig eine der wichtigsten Fundstellen des mitteleuropäischen Altpaläolithikums, die in rißeiszeitlichen Schot tern in großer Anzahl Feuersteingeräte des altpaläolithischen Menschen ergab. Diese Tatsache möge es rechtfertigen, im Rahmen dieser Berichte einige Fragen des Alt paläolithikums darzustellen 1 , ohne dabei näher auf die Markkleeberger Funde ein zugehen, über die die Monographie Grahmanns eingehend Aufschluß geben wird 1 “. Die frühzeitige und intensive Beschäftigung mit dem Paläolithikum in Frankreich hat dazu geführt, daß das französische Einteilungsschema in seiner auf Gabriel de Mor- tillet zurückgehenden, später von diesem, G. d’Ault du Mesnil und H. Breuil ver feinerten und verbesserten Form in der ganzen Welt Geltung erlangt hat 2 . Die Kultur- und Zeitfolge Chellen — Acheuleen — Mousterien — Aurignacien — Solutreen — Magdalenien wird noch heute fast überall angewendet, obwohl sich schon sehr bald herausgestellt hatte, daß sie in anderen Gebieten nicht mehr volle Gültigkeit hat. Aber auch in Westeuropa stellten sich Funde ein, die dieser Kulturfolge nicht ent sprachen. Man half sich erst mit der Aufstellung von Vorstufen, wie „Prächellen" (Commont) oder „Prämoustörien“ (Obermaier), bis allmählich, zuerst ausgesprochen von H. Obermaier, ausgebaut von H. Breuil 3 , die Erkenntnis an Boden gewann, daß mehrere Entwicklungslinien nebeneinander herliefen, das alte, eine einheitliche Ent wicklung angebende Schema also nicht ausreichend sei. Da aber die breitere Öffent lichkeit von diesen neuen Gedanken noch gar nicht, die Fachwissenschaft nur zögernd Kenntnis genommen hat 4 , ja sogar in letzter Zeit mehrfach Einsprüche gegen die Annahme verschiedener Evolutionsbahnen innerhalb des Paläolithikums erhoben 1 Die vorliegende Betrachtung entstand im Jahre 1951 und wurde vor Beginn der Drucklegung im Frühjahr 1952 kurz überarbeitet. Inzwischen sind nun von berufenerer Seite eine Anzahl Arbeiten erschienen bzw. hier bekannt geworden, in denen mit im wesentlichen gleichen Ergebnissen zu den angeschnittenen Fragen Stellung genommen wird. Auf die meisten dieser Arbeiten konnte bei der Überarbeitung oder bei der Korrektur verwiesen werden, besondere Erwähnung verdienen die zusammenfassenden Darstellungen von R. Grahmann, Urgeschichte der Menschheit, Stuttgart 1952 und S. N. Samjatninin: Proischozdeniecelovekai drevneerassclcniccelovecestva, Moskau 1951, S. 89 ff. Da aber diese Veröfentlichungen den zum Leserkreis der Arbeits- und Forschungsberichte ge hörenden zahlreichen Freunden der Urgeschichte in Mitteldeutschland, unter denen sich Fragen des Paläolithikums eines besonderen Interesses erfreuen, nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind, wird es für vertretbar gehalten, den vorliegenden, dem Fachmanne nichts Neues bietenden Aufsatz abzudrucken. la R. Grahmann, Die altpaläolithische Fundstätte Markkleeberg und weitere gleichartige Fundplätze bei Leipzig, im Druck. Vgl. auch den Vorbericht Grahmanns in Eiszeit und Gegenwart 1, 1951, S. 142 ff. In beiden Arbeiten ist auch ältere Literatur über Markkleeberg zitiert. 2 Vgl. dazu die forschungsgeschichtlichen Darstellungen bei K. H. Jacob-Friesen, Die Altsteinzeit funde aus dem Leinetal bei Hannover, Hildesheim 1949, S. 3 ff. und L. F. Zotz, Altsteinzeitkundc Mitteleuropas, Stuttgart 1951, S. 13ff. 3 Vor allem Prehistoire 1, 1932, S. 125ff. Schematische Darstellungen auch Forschungen und Fort schritte 13, 1937, S. 265f. (R. Grahmann) und 30. Jahrbuch der Schweiz. Gesellschaft für Ur geschichte, 1938, S. 142 ff. (L. F. Zotz). * Während die Altsteinzeit Spezialisten die neuen Anschauungen aufgriffen und ausbauten (vgl. außer den in Anni. 2 und 3 genannten Arbeiten z. B. noch Quartär 1, 1938, S. 179f. [L. F. Zotz]; Materialy i issledowanija po archeologii SSSR 2, 1941, S. 254ff. (P. P. Efimenko und N. A. Bcregovaja]; G. Kraft, Der Urmensch als Schöpfer, Berlin 1942, S. 126 ff. und Offa 8, 1949, S. 9ff. [A. Rust]), ist in allgemeinen Darstellungen bis in die Gegenwart das alte Schema beibehalten worden.