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„Schließlich erlaubt der Einsender sich noch die Andeutung, daß die vater ländische Geschichte- und Altertkumsforschung nie zur wünfchenswerthen Voll kommenheit gedeiben wird, wenn man desbalb immer nur Bücher studiert, Nach richten aus früher« in neue überträgt, und höchstens auf neu aufgefundene Urkunden und andere Manuskripte früberer Zeit Rücksicht nimmt. Es bedarf dabei auch der eigenen sorgfältigen Beschauung und Vergleichung der alter- thümlichen Gegenstände selbst, welche die daran oft so reichhaltigen und zahl reiche Aufschlüsse gewährenden Sammlungen der historischen Vereine und Alterthumsfreunde darbieten; es bedarf aber überdies noch der nahen Rücksicht auf die Localität der betreffenden Gegenden und der durch eigene Anschauung gewonnenen Renntnis der natürlichen Beschaffenheit derselben, wozu Land karten keineswegs ausreichen. Die frühern Völker lebten mehr, als wir, in und mit der Natur; wer ihre Verhältnisse im heimathlichen Lande betrachten, ihre Lebensweise erforschen will, muß, wenn die Bücher darüber fleißig studiert und jene Sammlungen beachtet sind, hinauseilen in die freie Natur. Dort erst wird, bei glücklicher Lombinationsgabe, sich ergeben, wo die früberen Bewohner sich . . . ansiedelten . . .; wie sie bochgelegene oder sonst geeignete Punkte zu ihren Sicherung«- und vertheidigungsorten, Gpferaltären usw. ausersahen, deren glückliche Wabl nach ihrem natürlichen verstände man oft bewundern muß. Und so vieles Andere. Dadurch nur wird die Bücherweisbeit belebt und verklärt, und die Gage und Legende ihre Erklärung erhalten. Menn auf diese Art das Gchriftenergebnis mit vlatur- und Runstanschauung verschmolzen, zugleich die bedeutsame Wechselwirkung des vlatureinflusses und der Tätigkeit der Bewohner beachtet ist, dann wird das Ganze der frühern culturkistorischen Zustände und Vorgänge der Gegend sich mit desto glücklicherm Überblick erfassen und gleichsam in einem Gusse, als gelungenes Runstwerk, zur Belebrung und Ermuthigung Anderer wiedergeben lassen." Wie weit preusker mit allen diesen Anforderungen und Einstellungen seiner zeit voraus eilte, wird uns sofort klar, wenn wir erfahren, daß sie zeitlich ungefähr auf der gleichen Linie liegen wie eine Preisfrage der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen über „den Unterschied der Begräbnisse der früberen deutschen und benachbarten Völker" — „deren Beantwortung nicht einmal gewagt worden ist"*) — oder eine preisaufgabe der Gberlausitzischen Gesellschaft der Wissen schaften in Görlitz darüber, „ob die Germanen die ersten Bewokner der Lausitz waren usw."2). Die uns vollkommen selbstverständliche VUchtbeantwortung der Göttinger Preisfrage und die Fassung der Görlitzer kennzeichnen eben den der zeitigen Stand der Forschung überbaupt. Auch ein preusker konnte damals die Vorzeitfunde nur ganz allgemein als „beidnisch", „vorchristlich" oder etwa als „germanisch oder slawisch" ansprcchen. Um darin Wandel zu schaffen, betonte er ja, wie wir bereits hörten, die Notwendigkeit, „die archäologischen Ergebnisse ... des stamm- und sprachverwandten nördlichen Europas") beranzuzieben. Darum sagte er, daß es „noch vielfacher Untersuchung und Vergleichung der Alterthümer aus rein germanischen und rein slawischen Gegenden bedürfen" werde, „um das Eigentbümliche beider Stammvölker und womöglich auch der verschiedenen einzelnen Völkerschaften, welche unsere Gegenden bewobnen, genügend aus- SV. S. I I-.—-) SV. 22, S. 25ö. — °) SV. 5, S. 51. — l? — 2