EIN LEIPZIGER HAUSZAUBER MIT REZENTER SPINDEL UND VORGESCHICHTLICHEM WIRTEL Von Rudolf Moschkau Der verstorbene Leipziger Kaufmann und Privatsammler Martin Schlag ver dankte manches Fundstück seiner Sammlung dem Anreiz ausgestellter Boden funde, die er mit kurzer Kennzeichnung in einer Vitrine der Ladenkundschaft zur Schau darbot. Hier sah eine alte Kundin zwei Spinnwirtel ausliegen, durch die sie sich an ein Familienerbstück erinnert fühlte, ein buntes, zu- gespitztes Hölzchen, wie sie sagte, an dem ein solcher Tonring aufgesteckt war. Die Unterhaltung hierüber mit dem Kaufmann belehrte sie, daß ihr damit ein urtümliches Spinngerät, eine Handspindel oder Spille, überliefert war. Die Erwerbung des Gerätes 1 ) ergab eine zweifache Überraschung. Der Wirtel zeigte nicht die Härte und Glasur mittelalterlicher oder neuzeitlicher Wirtel, war vielmehr ersichtlich vorgeschichtlichen Alters und stellte in Verbindung mit dem rezenten Spindelstab einen merkwürdigen Anachronismus dar: Hochdoppelkonischer Wirtel von grauer bis schwärzlicher Oberfläche, streng symmetrisch und scharfkantig profiliert, mit platter Ober- und Unterseite. Höhe 2,5 cm; größter Durchmesser 2,8 cm; Durchlochung 1cm. Abb. I 2 ). Nicht weniger merkwürdig ist die Herkunft des Gerätes. Wie die Kundin zu erzählen wußte, stammte es aus dem großväterlichen Grundstück, einem Bauerngute des damals noch dörflichen Reudnitz, heutigen Vorortes von Leipzig, am Rande der ungemein fruchtbaren Rietzschke-Aue gelegen, die mit ihren „Kohlgärten“ jahrhundertelang der Stadt das Gemüse lieferte. Der Fund von Steinbeilen und einer Hirschhornhacke auf Reudnitzer Flur bezeugt die Anziehungskraft dieses Bodens auch für den vorgeschichtlichen Menschen. Hier war offenbar bei gärtnerischer Feldarbeit auch einmal unser Spinnwirtel zum Vorschein gekommen und in einer Zeit, da die Spindel noch nicht ganz außer Gebrauch war, mit ins Haus genommen worden. Als die 1) Von Herrn Schlag später dem Verfasser überlassen. 2) In räumlicher Nachbarschaft von L.-Reudnitz ist dieser Typus in den Siedlungen von Leipzig, Matthäikirchhof, Pegau, Pulvermühle, und Markranstädt, Im Schwarzen, vertreten. Hier den Hermunduren zugehörig, tritt er auch in burgundischen und wandalischen Gräbern der römischen Kaiserzeit auf.