EINE FRÜHGESCHICHTLICHE SEILERLEHRE (?) AUS LEIPZIG-WEST Von Rudolf Moschkau Im Frühjahr 1955 wurde dem Heimatmuseum Markranstädt eine kleine, mehrfach durchlochte Steinscheibe übergeben, die der Bauer Grahl in Seebe nisch bei Markranstädt beim Bau seines Hauses im Mörtelsand gefunden hatte. Der Sand war vom VEB Bau-Union aus dem Kanalbaugelände in Leipzig-Lindenau angeliefert worden. Von welcher Stelle der Sand entnommen war, ließ sich nicht mehr genauer ermitteln. Die Fundumstände blieben sonach unbekannt. Die Steinscheibe zeigt keinerlei Merkmale industrieller Fertigung; sie stellt sich vielmehr als eine freihändige Arbeit dar. Die erste Mutmaßung, sie könnte in den volkskundlichen Bereich des bäuerlichen oder handwerk lichen Kleingerätes gehören, wie es vor Einführung der Maschinen im Hause selbst gefertigt wurde, hielt einer näheren Prüfung nicht stand. Mit aller Wahrscheinlichkeit haben wir es mit einem Stück vor- oder frühgeschicht licher Herkunft zu tun (Abb. 1 und 2). Kreisrunde Steinscheibe aus feinkörnigem, hellgrauem Sandstein; allseitig geglät tet; der Rand gratförmig, die Kreisflächen plan geschliffen; Durchmesser 4,4 cm, Stärke 1 cm bis 1,2 cm; fünffache Durchlochung, vier kleinere Löcher im Kreuz um das etwas größere Mittelloch geordnet; die Bohrung sanduhrförmig und leicht schräg gerichtet; alle freien Stellen unregelmäßig mit flachen Grübchen von etwa 1 mm Durchmesser bedeckt; Gewicht 31 g. Heimatmuseum Markranstädt, Mus.-Inv.-Nr. V 39 (S.: 892/60) Fragt man nach der einstigen Verwendung der Scheibe, so könnte etwa an ein Wagenmodell mit kleinen Rädern gedacht werden, vielleicht auch an einen Hängeschmuck. Indes bliebe für ein Wagenrad die Gratbildung der Gleitfläche und deren Musterung unverständlich und für ein Anhängsel die Anordnung der Löcher und deren schräge Bohrung bzw. einseitige Ausschleifung, die auf einen anderen Gebrauch hinzuweisen vermag. Nähme man etwa an, daß parallel gespannte Fäden die Löcher zu passieren hätten und sogleich danach aus ihrer Richtung abgelenkt, d. h. zu einem einzigen starken Faden zusam mengedreht würden, so böte dieser Vorgang bei häufiger Wiederholung die Möglichkeit einseitiger Ausschleifung der Löcher, wie sie auf der Zeichnung