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Artefakte aus Knochen Typische Knochengeräte aus dem Alt- und Mittelpaläolithikum sind äußerst selten. Eine „Überraschung“ stellten z. B. die angespitzten Knochendolche aus Mammutrippen von Salzgitter-Lebenstedt 12 ) dar. Ein Unikum vom glei chen Fundplatz ist eine „geflügelte Knochenspitze“ 13 ) von 6,5 cm Länge, die vermutlich auf einem langen Holzspeer aufgesetzt war. Serienweise herge stellte Knochen- und Geweihartefakte sind erst ein Merkmal des Jungpaläo- lithikums. Da aber mit einer weitgehenden Verwendung von Holz und Kno chen als Rohmaterial zur Zeit des Alt- und Mittelpaläolithikums gerechnet werden kann, ist es angebracht, die Knochenfunde auch hinsichtlich ihrer Verwendung als Geräte, also als Knochenartefakte, genauer zu prüfen, da uns Aussehen und Bearbeitungsweise zur Zeit nahezu unbekannt sind. Wir möchten dabei keineswegs den Knochengeräten das Wort reden, die öfters aus den Höhlen als Produktionsinstrumente beschrieben werden. Für die Entstehung der Glockenschaber konnte durch H. Zapfe 14 ) gezeigt werden, daß Hyänenfraß für diese Formung der Diaphysenknochenstücke pleisto- zäner Großsäuger verantwortlich zu machen ist. Aber auch für die „Keller- mannschen Knöpfe“ 15 ) und poliert aussehende, glatte Knochenstücke 16 ) konnten natürliche Erklärungen 17 )gegeben werden, ohne daß Menschen Ver fertiger sein müssen. Sind also die Knochenartefakte aus Höhlen aus mittel- paläolithischen Schichten nur in seltenen Fällen als sichere Artefakte dia gnostizierbar, so sollten unter den aus Löß- und Lößlehmlagern oder auch aus fluviatilen Sedimenten stammenden Knochen schon eher echte Knochen geräte zu entdecken sein. Unter diesem Gesichtspunkt betrachten wir noch mals das oben erwähnte Fragment vom linken Schienbein des Mammuts. Knochengerät (?) In der vorliegenden Gestalt legt das Tibiafragment (Abb. 3) den Gedanken nahe, daß es bei seiner Handlichkeit als Gerät Verwendung finden konnte, allerdings nur im Sinne eines Hilfsgerätes ohne genormte Formgebung. Das dachrinnenartige, 27,5 cm lange und 9,7 cm breite Bruchstück könnte als 12) A. Tode, Die Untersuchung der paläolithischen Freilandstation von Salzgitter-Lebenstedt. 8. Ar chäologische Erkenntnisse, in: Eiszeitalter und Gegenwart 3, 1953, S. 192 ff.; derselbe, Mammut jäger vor 100 000 Jahren, Braunschweig 1954, S. 74. 13) A. Tode, 1954, a. a. O., S. 77. 14) H. Zapfe, Lebensspuren der eiszeitlichen Höhlenhyäne. Die urgeschichtliche Bedeutung der Lebensspuren knochenfressender Raubtiere, in: Palaeobiologica 1, 1939 (1942), S. 111 ff. 15) A. Schmidt, Über die Entstehung sog. „Knöpfe“, in: Mannus 26. 1934, S. 204 ff. 16) Z. B. K. Hörmann, Die Petershöhle bei Velden in Mittelfranken, eine altpaläolithische Station, in: Abh. der naturforschenden Gesellschaft zu Nürnberg 24, 1933, S. 53 ff., Taf. 25—33. 17) A. Schmidt, Über die Entstehung protolithischer Knochenwerkzeuge, in: Wiener Prähistorische Zeitschrift 24, 1937, S. 10 ff.