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turn bekannten Steinschleudern 145 ) das Geschoß einer Lasche aufliegt. Über dies war die Gefahr des Verlustes jedesmal so groß, daß sich die bei der An fertigung von Rillensteinen aufgewandte Mühe kaum gelohnt hätte 146 ). Anders verhält es sich indessen bei dem ungleich differenzierteren Wurfgerät nach Art der südamerikanischen Bola 147 ). Hier wird nicht ein Stein frei abgeschnellt, sondern meist zwei oder drei Kugeln, die jeweils an den Enden von miteinander verbundenen Riemen befestigt sind. Die Wirkungsweise dieser Waffe beruht im Gegensatz zu der für Volltreffer berechneten einfachen Schleuder darin, daß das lebende Ziel von den beschwerten Riemen um schlungen und zu Fall gebracht oder zumindest widerstandsunfähig gemacht wird. Besonders unter den Bolakugeln der Llano- und Pampabevölkerung Argentiniens gibt es tatsächlich auch solche, die unseren dellenlosen Rillen steinen nach Form und Größe völlig entsprechen. Unterstellt man für letztere den gleichen Gebrauch, so könnte auch ihr meist sehr guter Erhaltungszustand darauf zurückgeführt werden, daß die Bolasteine in einen Lederbeutel ein genäht werden, wenn nicht diese Umhüllung nur bei den rillenlosen Kugeln angewandt würde. Dazu kommt, daß für die zwei- oder mehrkuglige Bola innerhalb des prähistorischen Materials eindeutige Hinweise ganz selten sind. Die uns bekannt gewordenen Grabfunde waren, bis auf die beiden Steine aus Grab 140 von Czamkow 148 ), möglicherweise auch die von Massen 149 ), jeweils einzeln beigegeben. Außerdem fehlt nach wie vor noch die Erklärung für das an mehreren Stücken begegnende Dellenpaar. Wollte man sich jedoch über die grundsätzlichen Bedenken hinwegsetzen, die bei der Übertragung von ethnographischen Verhältnissen auf prähistorische Befunde bestehen 150 ) und die Rillensteine nach südamerikanischem Vorbild als Bolakugeln ansprechen, so wäre damit für die mitteleuropäische Jungbronzezeit neben Lanze sowie Pfeil und Bogen eine weitere Jagd- bzw. Fernkampfwaffe erschlossen. 145) Vgl. die Zusammenstellung bei K. G. Lindblom, The sling, especially in Africa, 1910, S. 6f. und bes. Fig. 2 und 3. 146) Ähnlich ablehnend zum Thema „Schleuderstein“ äußert sich auch A. Götze (Schleudergeschosse, in: Brandenburgia XXXIX, 1930, S. 13) und legt statt dessen (a. a. 0., S. 13—15) den Gebrauch von tönernen Geschossen, besonders von „Schleuderscherben“, nahe. 147) Zum folgenden vgl. die vom südamerikanischen Material ausgehende monographische Bearbeitung dieser Wurfgerätgattung von A. R. Gonzales, La Boleadora. Sus reas de dispersiön y tipos, in: Reviste de museo de la Universidad Eva Peron, NS IV, Seccion Anthropologia, Eva Peron 1953, S. 133—292. Den Hinweis auf dieses sowie das in Anm. 143 und 144 angeführte Schrifttum ver danken wir Herrn Dr. D. Drost, weiland Jena. 148) L. J. Luka, a. a. 0., S. 82 und Ryc. 34 a, d. 149) Bei K. H. Marschallek, a. a. O., S. 285, heißt es ausdrücklich: „Beide lagen im Leichenbrand derselben Urne“; auf S. 97 dagegen: ,,... fanden sich in Urnengräbern bei Massen.“ 150) Vgl. zuletzt etwa K.-H. Otto, Archäologische Kulturen und die Erforschung der konkreten Geschichte von Stämmen und Völkerschaften, in: Ethnographisch-Archäologische Forschungen 1, 1953, S. Iff.