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Am Ende des 3. Jahrtausends folgt auf einen in Bodenbau und Seßhaftigkeit begiündeten kulturellen Hochstand ein sich in der gesamten Tripoljekultur ab zeichnender Verfall. Wenn auch dem Klima kein entscheidender Einfluß auf den Ablauf der Menschheitsentwicklung einzuräumen ist, wäre es doch zu untersuchen, inwieweit eine sich über kürzere Zeiträume erstreckende Trockenperiode diesen Prozeß begünstigte. Ein weiterer Pflanzenanbau auf den ohnehin schon wasserarmen Steppenböden würde fast unmöglich werden und hätte damit die Bewohner allmäh lich zur Aufgabe ihrer bisherigen Siedlungen veranlaßt. Die einstigen Tripoljebauern verwandelten sich demzufolge in ein nur bedingt seßhaftes Hirtenvolk, dessen Vieh herden in den grasreichen Flußniederungen weideten. Dieser Vorgang vollzog sich annähernd zur gleichen Zeit, in der auch im übrigen Europa neue Formen entstehen und das alte donauländische Substrat sich in eine Vielfalt von Mischkulturen aufzulösen beginnt. Fehlen zwar für Mitteleuropa ge nauere Angaben über den Anteil der Viehzucht und die Verteilung der Haustiere, so kann es andererseits keinem Zweifel unterliegen, daß der viehzüchterische Charakter dieser spätneolithischen Kulturgruppen weit stärker als in der vorhergehenden Band keramik ausgeprägt war. Von Interesse sind hierbei die Untersuchungen zur Fauna der Schweizer Pfahlbauten 39 ), wo Keller, Reverdin (St. Aubin) und Hescheler (Wauwilersee) übereinstimmend feststellten, daß Schaf und Pferd in den ältesten Schichten nur äußerst spärlich vertreten waren, jedoch am Ende des Neolithikums einen großen Aufschwung erfuhren. Vorläufig hat es aber den Anschein, daß in dem infolge natürlicher Bedingungen für eine Viehzucht besser geeigneten osteuropäischen Steppengebiet wirtschaftliche Veränderungen in weit größerem Umfang als im mitteleuropäischen Raum erfolgten. Zunächst muß aber eine endgültige Klärung zur Frage der Klimaschwankungen abgewartet werden, da pollenanalytische Untersuchungen aus dem Tripoljebereich fehlen und diese auch in anderen Gebieten eine wesentliche Klimaverschlechterung bisher nicht bestätigen 40 ). Auf Grund der neuen Ergebnisse der sowjetischen archeologischen Wissenschaft wird man den verschiedenen Hypothesen einer von Nordwesten nach Südosten oder um gekehrt gerichteten aktiven Wanderung mit noch weit mehr Zurückhaltung als bisher begegnen müssen. Die in den Anfang des 3. Jahrtausend zurückreichenden Rechteck bauten von Bojan-A, Vinca I, Dimini u. a. Fundorten beweisen zur Genüge, daß die Wurzel des in seiner bautechnischen Vollkommenheit einzig dastehenden Tripolje- hauses nicht im Norden, sondern im Donau-Balkan-Raum zu suchen sind. Ähnliche wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen haben in der gesamten donauländischen Kultur Haus und Siedlung einen verhältnismäßig einheitlichen Charakter verliehen. Andererseits dürfte es aber kaum möglich sein, die tiefeinschneidenden Verände rungen innerhalb der letzten Etappe der Tripoljekultur ausschließlich auf innere Ursachen zurückzuführen. Weder die Schnurverzierung, noch die Kugelamphore oder Steinkiste besitzen im Donauraum irgendwelche Vorstufen, die ihr plötzliches Auftreten erklären könnten. Ohne die alten, meist mit kriegerischen Eroberungen verbundenen Migrationstheorien wieder erstehen zu lassen, wird man aber eine Über tragung verschiedener Kulturelemente durch wechselseitige Kulturbeziehungen (Diffusion) nicht bestreiten können 11 ). Auf weitreichende Handelsverbindungen 3%) C. Keller, Geschichte der Schweizerischen Haustierwelt, Frauenfeld 1919, S. 19f. K. Hescheler, Beiträge zur Kenntnis der Pfahlbautenfauna des Neolithikums, in Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Luzern, IX, 1924, S. 205ff. 40) Für eine Klimaverschlechterung in der ausgehenden Jungsteinzeit treten vor allem Gradmann und Paret ein. Vgl. R. Gradmann, Althesicdeltes und jungbesiedeltes Land, in Studium Generale Jg. I, 1948, S.168ff. 0. Paret, a. a. 0. S. 54ff. 41) G. Childe, The Dawn of European Civilisation, London 1950, S. 172ff.