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stets nach innen gerichteten Eingängen zu erkennen. Wird auch dem Schutzbedürfnis an der Herausbildung dieser geschlossen Wirkenden Siedlungsform ein wesentlicher Anteil zukommen, so konnten doch weder Spuren einer Befestigung, noch eines Pfahl zaunes festgestellt werden 23 * 25 26 ). Die in ihrer Größe und Bautechnik recht unterschied lichen Häuser gehören verschiedenen Bauperioden an, die aber einer gleichzeitigen Besiedlung des gesamten Dorfes nicht im Wege stehen. Daß die Großhäuser von Kolomyscina I aus kleineren Bauten hervorgegangen waren, beweisen die unmittelbar unter den mächtigen Holz- und Lehmböden liegenden älteren Grundrisse. Den den inneren Ring bildenden kleinen Gehöften, deren gebrannter Bodenbelag nur einen Teil der Wohnfläche bedeckt, fehlt auch die Schichtenfolge der äußeren Langhäuser. Sie sind zugleich in ihrer Konstruktion weit nachlässiger ausgeführt und als späte Abkömmlinge im Prozeß der sich allmählich auflösenden Gentilorganisation ent standen. Die sich aus dem keramischen Material ergebende verhältnismäßig späte Datierung von Kolomyscina I wird damit auch durch die Siedlungsforschung ge stützt. Obwohl auf Grund der prozentual höheren Knochenfunde bereits mit einem größeren Anteil der Viehzucht zu rechnen ist, hat aber das bäuerliche Element seine sowohl Haus als auch Siedlung bestimmende Kraft beibehalten. Die zur Ernährung dieses mehrere Hundert Menschen umfassenden Tripoljedorfes notwendigen Anbauflächen erstreckten sich wahrscheinlich am Rande der Siedlung. Da der Anbau mit Brache abwechselte, mußte die Gesamtfläche der Nahrungsnutzung ein Vielfaches der jährlich bebauten Felder einnehmen. Zur Frage der Kontinuität der Besiedlung ist zu bemerken, daß der Tripoljekultur im Gegensatz zum Balkan die Tellbildung fehlt. Nur einige im Westen des Prut liegende Siedlungen (Izvoar, Cucuteni Nezviska, Bontesti) weisen mehrere Schichten auf, die vielleicht auf einen öfteren Besiedlungswechsel schließen lassen. Der Bodenbau der Frühstufe, der wahrscheinlich noch den Charakter eines Raubbaus getragen hat, dürfte die Bewohner nach einer bestimmten Zeit zur Aufgabe ihrer alten Siedlung gezwungen haben 21 ’). Doch spricht im Verlauf der weiteren Entwicklung der Tripolje kultur nur weilig für ein Stadium des „Wanderfeldbaus“, wie es Buttler für die Bandkeramik annimmt. Wenn auch die meisten Dörfer, wie aus der Keramik zu ersehen ist, nur in einer Periode besiedelt waren, so läßt schon allein ihre Anlage wie die bis zu fünfmal erneuerten Hausfundamente eine sich über mehrere Jahrzehnte erstrek- kende Seßhaftigkeit erkennen. Außerdem besteht die berechtigte Annahme, daß die besonders günstigen Bodenverhältnisse der Ukraine im Neolithikum ebenso wie heute eine weit geringere Bodenerschöpfung verursachten als in anderen Gebieten 27 ). Doch dürfte die auffallende Siedlungsdichte in der Kievina, am oberen Dnestr, sowie zwischen Bug und Ingul nicht nur in der Bevorzugung siedlungsgünstiger Gebiete und der schwerpunktmäßig durchgeführten Forschung begründet sein. 23) Eindeutige Beweise neolithischer Befestigungen sind aus Cucuteni, Erösd, der mährischen bemalten Keramik (Hlubok Mavky) und der Vina-Kultur erbracht worden. Vgl. auch J. Neustupny, Fortifications appartenant ä la civilisation danubienne neolithique, in Archiv Orientlni, Vol. XVIII, Nr. 4, Frag 1950, S. 131 ff. Der Versuch Parets, allen donauländischen Siedlungen den Befestigungscharakter abzusprechen, ist wenig überzeugend. Befestigung und Viehkraal schließen sich durchaus nicht aus; vielmehr dürfte eine zunehmende Thesaurierung von Vieh aus dem Bedürfnis, diesen Herdenbesitz zu schützen, gerade zur Anlage von befestigten Siedlungen geführt haben. Vgl. 0. Paret, Das neue Bild der Vorgeschichte, Stuttgart 1916, S. 84 ff. 26) Bezeichnend für eine derartige wechselvolle Besiedlung ist die Schichtenfolge in der Station Bontesti in der nordöstl. Walachei. Die Bewohner, die viermal ihren Wohnplatz verließen, kehrten nach einer gewissen Zeit wieder an den alten Ort zurück. Vgl. F.,Hanar, a. a. 0. VI. Dumitrescu, La Station prehistorique de Bontesti, in Dacia III—IV Bucaresli, 1933, S. 90 ff. 27) R. Gradmann, Vorgeschichtliche Landwirtschaft und Besiedlung, in Geographischer Zeitschrift Bd. XLII, 1936, S. 378 ff.