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Große Vorratsgefäße, die teilweise noch in den Estrichboden eingetieft waren, sind weit häufiger, während die Zahl der Knochengeräte stark abgenommen hat. Da uns keine aus Holz gefertigten Bodenbearbeitungsgeräte erhalten sind, müssen wir uns mit einer Deutung der aufgefundenen Stein- und Hirschhornwerkzeuge begnügen. Daß die besonders zahlreich im Donau-Balkan-Raum vorkommenden, meist durch bohrten und einseitig zugespitzten Hirschhorngeräte als Hacken benutzt wurden, kann nicht bezweifelt werden. Weitaus unsicherer ist es, eine ähnliche Ver wendung der trapezförmigen, im Querschnitt plankonvexen Felsgesteinkeile an zunehmen. Hierzu fehlen nicht nur sämtliche ethnographischen Parallelen, sondern ähnliche Steinwerkzeuge werden heute meist als Querbeil (Deichsel) geschäftet zur o Holzbearbeitung verwendet 12 ). Daß die letztere Technik innerhalb der donau ländischen Kultur hoch entwickelt war, ist durch die Vollkommenheit des Haus- . baues zur Genüge erwiesen. Eine endgültige Antwort auf die berechtigte Frage, inwieweit für die verschiedenen Arbeitsgänge der Feldbestellung nicht auch ent sprechende im Rohmaterial sich unterscheidende Arbeitsgeräte benutzt wurden, ist vorläufig noch nicht zu geben. Im Gegensatz zur mitteleuropäischen Band keramik fehlt aber der Ukraine und den übrigen ostbalkanischen Kulturgruppen der Schuhleistenkeil fast vollkommen. Damit ist ein, wenn auch sehr unwahr scheinliches Argument für einen neolithischen Pflugbau innerhalb der Tripoljekultur gegenstandslos geworden. Unbekannt oder äußerst selten sind auch alle für die Ernte notwendigen Geräte, wodurch sich Passek zu der Annahme, daß die Ähren mit der Hand abgerissen wurden, gezwungen sah. Doch dürfte das Getreide, wie die mikro analytische Untersuchung von Silexwerkzeugen ergeben hat, bereits in den frühesten Entwicklungsstufen der Tripoljekultur mittels eines geschäfteten Feuersteinmessers geschnitten worden sein 13 ). Wie in der Bandkeramik, so sind auch in verschiedenen Tripoljesiedlungen vereinzelt Silexklingen gefunden worden, deren auffallende Glanz patina zweifelsohne auf eine sichelähnliche Benutzung zurückzuführen ist. Da Stroh in Form von Abdrücken im Gegensatz zu Körnern, Spelzen und Ähren nirgends im • Estrich nachweisbar ist, wird man mit Recht auf ein bloßes Abschneiden der Ähren bei der Ernte schließen dürfen 14 ). Bei der tierischen Nahrungsbeschaffung, die jetzt von geringerer Bedeutung war, hatte sich das Schwergewicht auf die Haustierzucht verlagert. In Vladimirovka, einer Siedlung der mittleren Periode, gehören 76% des Knochenmaterials den Haustieren an. Obwohl das Hausschwein überall noch reichlich vorkommt, dürfte in der Vieh zucht das Rind bevorzugt worden sein. Neben dem Torfrind (B. taurus brachyceros) ist das langhörnige Primigeniusrind allgemein verbreitet. Auf die letztere Art deuten gleichfalls die im ukrainisch-balkanischen Raum zahlreich aufgefundenen Hörner symbole. Noch ungeklärt ist es, ob das Rind neben der Fleischnutzung bereits als Milchtier Verwendung fand. Wenn auch heute die wirtschaftliche Bedeutung des Hausrindes in erster Linie in der Milchproduktion liegt, so darf nicht übersehen werden, daß ein Wildrind nur die zur Ernährung der Kälber benötigte Milch abgibt. Sollten tatsäch lich die Anfänge der Milchwirtschaft bis in das Neolithikum zurückgehen, dann dürfte die Milchnutzung des Rindes weniger der Erfolg langwährender Züchtungs- 12) Vgl. G. Höltker, Steinerne Ackerbaugeräte, in Internationales Archiv für Ethnologie Bd.XLV, H. 4—6, S. 142 ff., Leiden 1947. Auch Childe sieht in den bandkeramisohen Steinhacken in erster Linie quergeschäftete Beile. Vgl. V. G. Childe, Axe and adze, bow and sling: contrasts in early Neolithic Europe, in 40. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte, 1949/50, S. 156 ff. Zur gleichen Frage siehe A. Rieth, Geschliffene bandkeramische Stcingeräte zur Holz bearbeitung, in Prähist. Zschr. XXIV 1950, S. 230 ff. 13) S. A. Semenev, Zatvenye kremnevye nozi iz Luka Vrubleveckaja, in Sovetskaja Archcologia Bd. XI, 1949, S. 151 ff., Abb. 1—3. 14) Den sog. „Ährenschnitt“ für eine urtümliche Art der Getreideernte hält ebenfalls A. Mauricio, Die Geschichte unserer Pflanzennahrung von den Urzeiten bis in die Gegenwart, Berlin 1928, S. 137 ff.