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BÜCHER ZUR SÄCHSISCHEN VORGESCHICHTE Jiri Neustupny, Vorgeschichte der Lausitz • 1946 erschien in Prag ein Werk des dortigen Vorgeschichtlers Jiri Neustupny, Pravk djiny Luzice, das bald darauf ins Russische übersetzt wurde. Durch die Vermittlung des Sorbischen Volksbildungsamtes in Bautzen gelang es nun auch, eine deutsche Ausgabe, übersetzt durch Ernst Palm, Anfang des Jahres 1951 herauszubringen. Wenn man bedenkt, daß es dem Verfasser nicht möglich war, in die Lausitzer und andere deutsche Museen Einblick zu nehmen, und er so lediglich darauf angewiesen war, sich auf die veröffentlichten Funde zu stützen, bekommt man erst den richtigen Begriff von der vollbrachten Leistung, wenn das Buch auch infolge der eben angedeuteten ungünstigen Voraussetzungen natürlich Fehler nicht vermeiden kann. Die Leserlichkeit für den Laien wird noch dadurch er höht, daß sich der Verfasser dauernd bemüht, die Entwicklung der Lausitz im europäischen Rahmen zu sehen und darzustellen. Ihm kommt es weiter darauf an, der sorbischen Frage bis zu ihren Wurzeln nachzugehen. Hervorzuheben ist der bewußt vorsichtige Standpunkt zur Frage der nationalen Zugehörigkeit vorgeschichtlicher Kulturen. So schreibt er: „Kultur im archäologischen Sinne ist nicht gleich Nationalität.“ (Seite 63.) Eine Sicherheit für die Deutung ethnischer Gruppen bilden nach ihm lediglich die historischen Quellen. Das soll nun nicht etwa heißen, daß er damit jede Deutungsmöglichkeit von Fundmaterialien ausschlösse, er beleuchtet nur den heutigen Forschungsstand und seine Grenzen besonders kritisch. Ein Vorteil für einen breiteren Leserkreis ist die allgemeinverständliche Art der Darstellung der Kulturverhältnisse und der Entwicklungen in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit. Das kleine Werk wird sicherlich zur Verbreitung der Kenntnisse unserer Wissenschaft Wesentliches mit beitragen. Neustupny gibt einen Überblick über die Entwicklung der Kultur der Lausitz seit dem ersten Auf treten des Menschen bis zur ältesten Geschichte der Sorben. Daran schließt er kurz deren Ge schicke in den letzten neunhundert Jahren. Im Mittelpunkt der gesamten Darstellung steht die Frage der Lausitzer und der slawischen Kultur. Einiges aus dem Inhalt: Die paläolithischen Funde der Lausitz sind nicht sehr reich und verloren durch unsichere Fund beobachtungen wesentlich an Wert. In die Zeit der Mammut- und Renntierjäger gehören Funde von Burk. Nach dem Abschmelzen des Eises stand die gesamte Lausitz der Besiedlung besonders durch Jäger und Fischer offen. Mit der einsetzenden Haustierzucht und dem primitiven Acker bau in der Jungsteinzeit werden Möglichkeiten für Dauersiedlungen gewonnen. Neustupny nimmt auch für die Lausitzen eine Besiedlung durch die donauländischen Bandkeramiker an. Wir müssen dazu bemerken, daß dafür in der Oberlausitz zur Zeit noch jegliche keramischen Reste fehlen und uns Einzelfunde an Steingeräten hier nichts beweisen können. Wenn wir dagegen beobachten, daß sich nach unseren neuesten Feststellungen allein an schnurkeramischer Tonware in der Ober lausitz weit mehr als 150 Einzelstücke nachweisen lassen, gibt das völlige Fehlen der Bandkeramik doch etwas zu denken. Neben den Schnurkeramikern finden wir die kammkeramischen Jäger und Fischer besonders in den Dünengebieten der Seengegend. Die Träger dieser Kultur bewohnten die nördlicheren Teile Asiens und Europas, dabei besonders die Küstengebiete. Die weitere Entwick lung zur Bronzezeitkultur wird nach Neustupny durch drei Erscheinungen gekennzeichnet: 1. durch die Ackerbaukultur der seßhaften Bandkeramiker, um die sich die aktiven Kräfte der angehenden Bronzezeit gruppieren, 2. die Glockenbecherleute und 3. den Handel. „Das Metall internationalisiert Mitteleuropa.“ Die Aunjetitzcr Menschen in der Oberlausitz hatten besonders starke Beziehungen zu Böhmen (böhmische Keramik, böhmische Ösennadel — außer dem angegebenen Burk jetzt auch aus Gaußig), woher sie wohl auch die Bronze bezogen. Grabhügel kann Neustupny noch nicht kennen, da die ersten 1949 in Gaußig gegraben wurden. Dann beein flußte die Hügelgräberkultur auch die Lausitz. Daß dieses Land damals aber schon ganz von ihr eingenommen war, ist noch nicht restlos erwiesen, da wohl Metallfunde (Bautzen-Strehla, und be sonders das Grab Biehla, s. Smolla, Strena Praehistorica, 1948, S. 90 ff.) Zeugen jener Zeit darstellen, Keramik aber fast völlig ausblieb. Trotzdem ist ein wesentlicher Anteil der mitteldonauländischen Hügelgrabkultur am Entstehen der Lausitzer kaum abzuleugnen. Die Lausitzer war eine reine Ackerbaukultur, die in erster Linie die fruchtbaren Böden besiedelte, aber auch dann dazu über ging, die Besiedlungsfläche durch Einbeziehung ehemaligen Waldlandes zu erweitern. Daß über 262