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Botice (rechtes Nebenflüßchen der Moldau) entlang (alle Funde im Stadtteil Michie), über der Mündung des Baches erhebt sich der Vyschrad, dann im Tal des Motoler Baches oder etwas südlicher über Radlice und Vidoul. Wenn beide Wege zusammen trafen, so geschah das irgendwo im Westen, im eigentlichen Kerngebiet des Tschechen stamms, das im großen und ganzen durch die Burgwälle Budec, Levy Hradec, Sarka, Butovice, Libusin, Jedomelice, Devi, Senomaty und Rubin bezeichnet wird; im Prager Kessel begegneten sie sich offenbar nicht. Insoweit hier das Bedürfnis nach Kommunikation in nordsüdlicher Richtung bestand, sind in den Funden aus Üjezd und den Kinsky-Gärten Anzeichen vorhanden, daß sie am linken Ufer des Stromes stattfand; am ehesten läßt sich wohl voraussetzen, daß sie sich an eine Linie hielt, die sich auf feste Burgwälle wie Levy Hradec, Sarka, Butovice, Chotec, Hostim, Tetin und Kotys stützte. Spätere Wege, wie der von Kosmas nach dem Gebiet von Bechyne angegebene, kann man für diese Periode noch nicht annehmen, denn ihre Existenz setzt voraus, daß die Macht der Premysliden in den Gebieten östlich der Moldau fest verankert war und Südböhmen definitiv beherrschte. Östlich der Moldau ist mit einem nordsüdlichen Wege in der älteren und am Beginn der mittleren Burg wallperiode schon deshalb nicht zu rechnen, weil diese Gegend zu einem typischen Stammesgrenzgebiet gehörte. Alle diese Ergebnisse untermauert Turek selbstverständlich eingehender, was hier in Kürze nicht weiter ausgeführt werden kann. Er wendet sich sodann der Frage zu, welcher Punkt wohl als die Hauptstamniesburg der eigentlichen Tschechen, die damals westlich und nordwestlich des heutigen Prag saßen und damit gewissermaßen als der „Vorgänger“ der geschichtlichen Prager Burg anzusehen sei. Die Mehrzahl der Forscher hält Levy Hradec dafür. Turek kommt nach eingehenden Erwägungen zu dem Schlüsse, daß darüber noch keine Entschei dung gefällt werden kann. Jedenfalls kam von dem Machtzentrum des Tschechen stamms der Impuls zur Gründung Prags, und es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß es an einer kultisch bedeutsamen Stelle entstand. Für die Existenz eines heidnischen Heiligtums an dem Punkte, wo Borkovsky die ehemalige Kirche der Jungfrau Maria vermutet, sprechen die bedeutenden Funde im ältesten Teil des Begräbnisplatzes beim heutigen Czernin-Palast. Doch ist gewiß, daß die Burg in einem vorher nicht sehr dicht besiedelten Randgebiete erstand und wir in der nördlicheren Gegend von Podbaba eine bedeutend stärkere Bevölkerung anzunehmen haben. Von dieser Siedlung berichtet Turek besonders Interessantes: daß sich hier ein thüringisches Militär- und Handelslager befunden haben muß und also —- etwa von der Mitte des 5. bis zu Anfang des 7. Jahrhunderts — eine Symbiose zweier einander fremder Elemente, des tschechischen Vorfahren und des Eroberervolkes aus dem Westen, stattgehabt hat. Ist die gegenseitige Durchdringung mehr eine feindliche als friedliche gewesen, so waren das die Kämpfe, in denen der Tschechenstamm erstarkt ist, wenn umgekehrt, käme Blutsvermischung durch Heiraten in Betracht. Jeden falls gewann in dieser Symbiose der Tschechenstamm die Kraft und Übung zur späteren Beherrschung des ganzen Landes. Zunächst wurde, nach der inneren Konsolidierung des Tschechenstamms, das Gebiet östlich der Moldau die Reibungsfläche zwischen der westlichen und östlichen Landes- F hälfte. Denn in letzterer organisierte sich unter bisher nicht näher bekannten Um ständen eine offenbar nicht weniger aktive Stammesgruppe, die wir schließlich nach einer ungeklärten und geschichtlich nicht erfaßbaren Periode in den Zeiten der Boleslave als Staat im Staate vorfinden. Als sich ein Zusammenstoß vorbereitete, erschien es den Tschechen jedenfalls unerläßlich, eine günstige Stellung an der Moldau innezuhaben, die den Zug auch zum Stammeshinterland sicherte und ein strategisch günstiges Vorfeld bot, womit also die sachlichen und psychologischen Voraussetzungen zur Gründung der Prager Burg gegeben waren. Ihre Entstehung brachte den Umschwung in der Entwicklung der Besiedlung des Prager Kessels. Die