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7. Die Bauweise der Wehranlagen, besonders die Befestigung mit Palisaden und Gräben, sowie die Struktur des Holzgerüstes der Wälle, weist bei beiden Völkern eine große technische Ähnlichkeit auf. 8. Beide Völker besaßen das gleiche System der doppelten Befestigungsbauten: ein größerer Burgwall war offenbar für das Volk oder den Stamm, ein benachbarter kleinerer als Sitz der Herrscherklasse, oft auch als Kultstätte angelegt. 9. Einige Lausitzer Burgwälle waren Kultstätten und Zentren der Religionsaus übung; derselben Erscheinung begegnen wir bei den historischen Westslawen. 10. Auffällig ist die Kontinuität des Bestattungsritus: Lausitzer Volk und Slawen hielten zäh an der Feuerbestattung fest und errichteten ursprünglich Hügel über den Beisetzungsstätten. 11. Auch einige Gebräuche bei der Bestattung, die sich aus den Funden erkennen lassen, sind bei beiden Völkern gleich oder sehr ähnlich. 12. Die wirtschaftliche Struktur beider Kulturen war im großen und ganzen die gleiche: primitive Landwirtschaft mit Viehzucht bildete die Grundlage. Während der Klimaverschlechterung, besonders von der Hallstatt- bis zur Römerzeit, wurde, vor allem in den nördlicheren Gebieten, intensive Jagd betrieben. 13. Die Wohnungsbauweise ist in beiden Kulturen dieselbe: viereckige Stube mit Vorraum. 14. Die Lausitzer Kultur endete nicht in der Hallstattperiode, sondern dauerte noch in der La-Tene-Zeit, auch nach dem Verlust der politischen Selbständigkeit, an (z. B. in Böhmen unter keltischer Herrschaft). Die Analyse der Wohnstätten keramik erweist sogar den Übergang bestimmter Elemente in die Anfänge der römischen Provinzialkultur. Die früher als Hauptargument gegen die Slawinität der Lausitzer Kultur angeführte Zeitenlücke zwischen den Brandgräbern der Hallstattperiode und der Römerzeit existiert also nicht. 15. Die Abwanderung des Lausitzer Volkes zu Beginn der La-Tene-Zeit ist geschicht lich undenkbar und kann auch archäologisch nicht belegt werden. Sie müßte ja nach Süden zu erfolgt und könnte also in den historischen Berichten aus den letzten Jahrhunderten v. Ztr. nicht unerwähnt geblieben sein. 16. Die Vertreibung der eingesessenen landwirtschaftlichen Bevölkerung hätte auch gar nicht im Interesse der Okkupanten (Kelten und Germanen) gelegen; beide stellten die kriegerische Herrscherklasse dar, die ein Ernährervolk als Wirtschafts grundlage benötigten. Nur die primitiven Burgwälle wurden als unerwünschte Verteidigungs- und Stammeszentren der Unterworfenen zerstört. 17. Die Siedlungen des ackerbauenden Lausitzer Volkes in Nordostböhmen befinden sich in der Hallstatt-, La-Tene- und Römerzeit, auch noch später, an denselben Stellen, was bei einer Fluktuation der Bevölkerung undenkbar wäre. 18. Die Fortdauer der Lausitzer Kultur in der La-Tene-Zeit wird auch von den deut schen Forschern Raschke, Petersen, Frenzel, Mähling, Bierbaum u. a. zugegeben. 19. Auffällig ist das beständige Vordringen der Lausitzer Kultur nach Osten, bis in die Ukraine und jenseits des Dnepr, noch in der mittleren und jüngeren Hallstatt periode, als ihre Expansion in anderer Richtung längst aufgehört hatte. 20. In diesem Zusammenhang ist auch die bekannte Tradition von zwei russischen Slawenstämmen (Radimici und Vjatici), die laut Nestorchronik aus Westen, also aus dem Bereich der Lausitzer Kultur kommend, sich am linken Dneprufer und der oberen Oka ansiedelten. 21. Rozwadowski hat die Analogie der Orts- (Fluß-) Namen im Weichsel- und Dnepr gebiet, Rudnicki die Übertragung dieser Bezeichnungen durch die östliche Slawencxpansion bewiesen.